Der Wald der Finsternis im Urlaub

Kapitel 1

Efeusee stand an der Straßenecke und wartete. Wenn das so weiterging, würden sie bestimmt von Kriegern vom See erwischt werden! In Hinblick auf die große Schlacht wäre das vielleicht sogar von Vorteil, sie wollte allerdings noch nicht als finstere Kriegerin entlarvt werden, wo sie doch die ganze Zeit eigentlich nur spionierte. Und was würde erst mit den anderen Kriegern passieren, die im Geheimen mit der Finsternis trainierten... Sie wollte garnicht daran denken.
Natürlich war sie etwas früh dran gewesen, allerdings hatte sie erwartet, dass der Bus es auch sein würde. Es war doch allgemein bekannt, wie lange solche Aktionen immer dauerten.
Sie wusste nicht recht, was sie von der ganzen Unternehmung halten sollte. Urlaub? Mit der Finsternis? Vollkommen abwegig. Aber es war ja schließlich auch Geistauges Idee gewesen. Obwohl diese Frau nicht wirklich in die Finsternis passen wollte, hatte sie doch mächtig Einfluss auf die Anführer. Efeusee konnte sich immernoch nicht erklären, warum sie trotz ihrer nicht sonderlich hohen Kampffähigkeit einen solch wichtigen Posten in der Hierarchie einnahm. Es würde auf jeden Fall spannend werden.
Ihrer Patin und dem Rest des Donners hatte Efeusee erklärt, sie würde mit Blumenfall, Dornenkralle, Mausbart und natürlich ihrem Paten Birkenfall verreisen. Es kam auf keinen Fall in Frage, dass Weißflug oder gar Feuerstern etwas vom wahren Zweck der Sache erfuhren. Aber vor allem ihre Schwester durfte nichts davon wissen. Taubenflug machte sich ohnehin schon schreckliche Sorgen, weil Efeusee mit der Finsternis trainierte. Dabei konnte sie ganz gut auf sich selbst aufpassen, immerhin lebte sie ja noch. Und außerdem war das hier ja nur ein langweiliger Urlaub. Nichts Gefährliches. Obwohl, eigentlich bezweifelte Efeusee, dass ihre Vorstellung von Urlaub der Tigersterns auch nur im mindesten ähnelte.
Jedenfalls war sie eigentlich mit Blumenfall hier, nur war diese gerade irgendwie nicht da. Sie schaute sich um. Mit der Zeit waren viele Leute eingetrudelt, unter anderem auch einige 'ehrenwerte' Mitglieder der Finsternis. Diesen Namen trugen sie eigentlich nur, damit die Schüler vergaßen, dass sie eigentlich mausetot waren und nur begrenzten Einfluss auf die Krieger vom See hatten.
Irgendwo im Hintergrund beispielsweise sah Efeusee einen Krieger vom Schatten (vermutlich Rattennarbe), der interessiert einen Mülleimer begutachtete. Unmittelbar in ihrer Nähe standen Tigerherz und Windpelz rum und schienen ein provokantes Gespräch miteinander zu führen, was sie an den interessierten Gesichtern und aufmerksamen Haltungen der Umstehenden erkannte. Das war doch mal wieder typisch.
Es waren auch noch andere Leute da, was allerdings auffiel, war, dass der einzige Anführer unter den Anwesenden Braunstern war. Vermutlich waren alle anderen mit Tigerstern unterwegs oder ließen sich einfach absichtlich Zeit.

»Ivy!«

Erschrocken fuhr Efeusee zusammen, als sie die Stimme ihrer besten Freundin hörte.

»Blossom? Da bist du ja endlich. Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst.«

»Tut mir leid.« Die Frau mit den hellbraunen Locken klang ziemlich atemlos. »Braunstern hat mich gezwungen, die Anwesenheitsliste für ihn zu führen. Eigentlich hatte Geistauge ihn damit beauftragt, aber er hielt das für unnötig, also hat er es natürlich auf die Schüler geschoben.«

»Typisch.« Erwiderte Efeusee. Sie wollte gerade weiter sprechen, da hörte sie ein Hupen. Ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass ein großes, ziemlich eigenartiges, schwarzbraunes Auto auf die Bordsteinkante fuhr. Es schien mindestens drei Sitzreihen zu haben, die genaue Anzahl der Fenster war allerdings nicht definierbar. Sofort stieg ein schwarzhaariger Mann aus und schaute sich hastig um. Efeusee war nicht sicher, ob er das aus Paranoia oder aus simpler Informationssucht tat.

Der Mann, der natürlich Dunkelstreif war, öffnete sofort die Fahrertür und ein weiterer Mann stieg heraus. Dieser war im Vergleich zu Dunkelstreifs schmächtiger Gestalt riesig, äußerst muskulös und breitschultrig. Tigerstern persönlich – der vor allem durch seine auffällig dunkle Hautfarbe (die meisten Krieger hatten zwar auch eher gebräunte Haut, mit Tigersterns nachtschwarzer Haut konnte sich jedoch niemand vergleichen), seine noch dunkleren, verfilzten Haare und seine zahlreichen Kampfnarben auffiel – war eingetroffen.