Kapitel 6
Im Reich der Sieben
Lou erwachte auf einer Wiese, sah in einen grauen Himmel. Die Sonne wurde verschlungen von den Wolken, wurde gefangen gehalten und schien keine Fluchtmöglichkeit zu besitzen. Knapp einhundert Meter neben ihr spielten zwei Jungen. Sie schlugen sich gegenseitig mit Holzschwerter, waren dabei kaum älter als zehn Jahre. Alles erschien wie mit einem Filter belegt, gräuliche Farbtöne machten sich über alles und jeden breit. Es wirkte lustlos, trübe und erdrückend. Sie setze sich auf, sah an sich hinab. Sie trug ein altes Theateroutfit ihrer Schwester, aus einem mittelalterlichen Stück, ein brauner, liebloser Fetzen. Oder wie Lou ihn genannt hätte: Kartoffelsack. Es war ihr zu klein, zwickte und engte sie ein wo es nur konnte, aber es gab ihr das Gefühl etwas weniger aufzufallen, und in einer ihr unbekannten Geschichte, einer ihr unbekannten Welt, konnte sie dies gut gebrauchen.
Das Kleidungsstück, Lou fiel der Name nicht ein, besaß eine Art große Tasche am Bauch. Ähnlich dem Beutel eines Kängurus, aus der Q ihr Köpfchen steckte und hinauf zu ihrer menschlichen Mitstreiterin sah. „Wir finden sie.", versuchte Q ihr Mut zu machen und zwinkerte. Daran hatte Lou auch gar keine Zweifel, mehr Angst machte ihr der Zustand, in der sie ihre Schwester finden würde. Hängend auf einem Marktplatz, gekreuzigt bei einer Kirche, gebraten in einem Speisesaal. In einer Geschichte war alles möglich und genau das ließ Lou immer wieder einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagen. Zudem hatte Kitsune ihr erklärt das man in einer Geschichte lebte, und nicht nur Gast war. Wenn Lou hunger hatte musste sie etwas essen. Wenn sie sich den Arm brechen würde, müsste sie in ihrer Welt in ein Krankenhaus. Wenn sie sterben würde... würde sie ihre Welt, ihre Heimat, nie wieder sehen. Man würde nicht einmal ihre Leiche finden, weil sie zwischen den Zeilen reiste. Die Wörter würden sich nicht verändern und sie plötzlich in der Geschichte aufnehmen. Sie würde einfach verschwinden als wäre sie nie da gewesen. Genau wie Naho. Kitsune würde sich bei Gefahr vielleicht noch selbst retten können, doch wenn es schnell gehen muss, würde sein immer noch kranker und geschwächter Körper, welcher neben Lou im Gras lag, niemals die Kraft aufwinden können sie alle drei - oder vier im besten Fall- aus dem Buch zu retten.
Sie strich Kitsune über den Kopf, alle Drei tauschten kurz Blicke mit einander aus, nickten sich schließlich zu. "Auf geht's.", sprach Lou, stand auf, und schaute in Richtung der riesigen Mauern im Norden. Turmspitzen ragten hinter ihnen in den Himmel. Einige Stimmen, Gelächter und Musik schallten hinaus und kilometerweit zu ihr hinüber.
Das Buch hatte Lou Zuhause gefunden, auf dem Nachttisch ihres Vaters. Sie überschlug es ganz kurz, daher wusste sie nur, dass die Stadt ein großes Fest zu feiern hatte. Wieso? Das war ihr bisher selbst ein Rätsel. Aber sie las heraus das die Welt voller Magie und Kriege steckte. Die schwarzen Ritter waren eine Klasse für sich, scheinbar durften sie alles tun was sie wollten und waren beinahe gleichauf mit der Königsfamilie. Gnadenlose Killer die gemeinsam eine Armee aus zweihundert Soldaten glichen sollte. Diese Information hielt Lou doch für etwas übertrieben, aber sollte es stimmen, hoffte sie den Rittern nur einzeln über den Weg laufen zu müssen. Oder besser nicht einmal einen zu begegnen. Sie war weder schnell, noch stark. Allgemein war Sport nicht ihre Stärke, aber sie war entschlossen und Willensstark, mit der Hoffnung das dies ausreichte.
Ein Mädchen in einem Kartoffelsack, ein in Schlamm gewälzter Fuchs, umwickelt am Bauch und Rücken mit alten Lumpen, und ein schneeweißes Meerschweinchen in einer Bauchmulde, näherten sich den Gemäuern. Beinahe Fünfundzwanzig Minuten mussten sie gehen, ehe sie auf eine weitere Gruppe Reisender trafen, welche ebenfalls das Fest besuchen wollten. Als fragende Blicke zu ihrem Fuchs fielen, erklärte Lou schnell, als es nur ein zu kleiner und missratener Mischlingshund sei, mit einer noch nicht ganz verheilten Bisswunde an der Seite, woraufhin Kitsune ein bellartiges Geräusch von sich gab und Lou einen eher bösen Blick zuwarf. Jeder normal denkende Mensch hätte das ganze wohl hinterfragt. Jedoch waren sie Leute zu aufgeregt. Solle doch der Prinz am Ende des Festes eine Frau auswählen und endlich heiraten. Keine der drei jungen Frauen aus der Gruppe sah auch nur annähernd so aus einen Prinzessin werden zu können, ähnlich der Stiefschwestern von Aschenputtel, nur viel freundlicher, doch reichte der Anlass dennoch alle in eine fröhliche Stimmung zu bringen. Die Freude galt nicht der Hoffnung eine Auserwählte zu werden, sondern der Tradition. Jedes Mal wenn ein Prinz oder eine Prinzessin sechzehn Jahre alt wurde, veranstaltete das Königspaar ein drei tägiges Fest zu Ehren ihres Sprösslings. Am ersten Tage sollte der Geburtstag ausgiebig gefeiert werden. Der Zweite galt dem Volk, und dem Dritten des finden und erwählen eines Ehepartners. Je nachdem wie lange dies dauerte, fand sogar noch am selben Abend die Hochzeit statt. Alternativ am folgenden Tag. Das ganze Land reiste an um zu feiern, selbst die ärmsten Bauern durften sich freinehmen, sofern sie es wollten und sowohl Ernte als auch Vieh es zuließ.
Endlich erreichten sie die offen stehenden Tore. Lou's Kopf rauchte von den ganzen Informationen und obwohl sie ein ganz anderes Ziel verfolgte rollten immer mehr Fragen durch ihren Kopf, während sie mit immer mehr Menschen einen Strom bildete.
Wie der Prinz wohl so war? Sah der gut aus? Wer heiratete schon jemanden, den er grade einmal ein paar Stunde kannte? War das dort vorne ein Einhorn? Und dann auch noch eine Hochzeit mit grade einmal Sechzehn?!
Abrupt blieb Lou stehen und kassierte damit einen kräftigen Schups des Mannes, der hinter ihr ging. Sie viel mit den Knien auf die harten , dunkelgrauen Steine des Weges, konnte ihren Blick jedoch nicht von den Tieren rechts von ihr nehmen. „Pass doch auf!", knurrte der Mann grimmig. Fettige dunkle Haare und ein Ziegenbart zierten sein Gesicht, welches nichts Gutes mit sich zubringen schien. Schnell sah Lou in eine andere Richtung und wartete einen Moment bis der Mann aus ihrem Blickwelt verschwand. Den Schmerz verdrängt, huschte sie durch den Strom aus Menschen, welche in Richtung Marktplatz stolzierten, und blieb vor den majestätischen Tieren stehen. Das es Magie gab hatte sie im Buch gelesen. Das es Pferde gab hatte sie bereits gesehen. Einige Reisende kamen mit ihnen von weit her auf Kutschen angeritten. Meist große, muskulöse, schwarze oder braune Geschöpfe. Gar nicht zu vergleichen mit denen vom Reiterhof, welches eher zierliche Schmuseponys in allen Farben waren. Aber das vor ihr waren tatsächlich Einhörner. Und auch wenn neben ihr ein sprechender Fuchs mit Flügeln und Hörner stand, und sich in ihrer Tasche ein ähnliches Wesen verkrochen hatte, war sie ganz erstaunt von dem Anblick. Beinahe strahlend weiße Pferde mit bläulich oder rosa schimmernden Hörnern auf dem Kopf. Die Mähne solang das sie dem Tier bis zur Hälfte der Beine reichten, und das obwohl der Kopf hoch gehalten wurde. Fünf Stück an der Zahl, eines schöner als das Andere. Zwischen den Einhörnern saß ein junger Mann mit Tabakpfeife mit Mundwinkel und beobachte Lou mit zusammengezogen Augenbrauen. Er Pfiff in ihre Richtung und beutete mit einem Kopfnicken zu einem der Schilder an der Stallwand. -Anfassen Verboten! Pro Tier 10.000 Sorries!- „Gucken kostet auch was!", knurrte auch dieser Mann. Seine Arme so groß wie die von Popeye, mit hervorstehenden Adern, gaben Lou das Zeichen nun zu verschwinden. Drei Schritte nach vorne und sie war wieder mitten unter der Menschenmenge. Noch einen kurzen, flüchtiger Blick zu den Tieren ließ sie sich nicht nehmen. Bereits einige Meter war sie gegangen, ehe sie sah das ein Interessent neben den Einhörnern stand, in der einen Hand ein Sack voller Münzen, in der Andere eine Art Säge. Ein leichter Schmerz durchströmte blitzartig ihren Körper. Auch wenn sie nicht aus dieser Welt stammte, wusste sie was einem der Tiere gleich schrecklichen wiederfahren würde. Ähnlich ihr bekannten Tieren wie Elefanten.
Welche sie nie als sonderlich schön empfand. Afrika war gefühlt so weit entfernt, als es ein anderer Planet hätte sein können, und den Elefanten aus Zoo ging es gut, weswegen das Thema sie nie großartig interessierte. Aber jetzt und hier zu sehen, zu wissen, wie ein Tier schaut wenn es selbst weiß was gleich passieren würde, das die nächsten Minuten schrecklich und schmerzvoll werden würden, und dabei hilflos zu sein, ließ in ihr Trauer und Wut zugleich aufsteigen. Nicht weil die Menschen nun mal so waren wie sie waren. Weil sie sich immer alles nahmen was sie wollten und wann sie wollten. Sondern weil Lou immer weg sah sobald es ernst wurde. Kriege aus ihrer Welt, das Leid der Tiere, selbst das Mobbing auf dem Schulhof. Alles war entweder zu weit weg um für sie relevant zu sein, oder erschien für sie selbst eine Gefahr darstellen zu können. Vielleicht war der Mensch einfach so. Suchte sich immer den leichtesten Weg und wollte sich nicht weiter mit Themen beschäftigen die unangenehm werden könnten. Vielleicht war es eine Art Polsterung für die Seele. Ein Netz das die großen, bösen Brocken abfing und nur das Gute hindurch ließ. Niemand wollte nur Sorgen in sich rein fressen, vielleicht redet man sich deswegen ein das einen die Themen nichts angehen. Vielleicht. Doch jetzt und hier wollte Lou einen Entschluss fassen und etwas ändern!
„Eines werde ich retten.", flüsterte sie sich selbst zu, sprang in das Dunkle der nächsten Gasse und kniete sich runter zu Kitsune. Auch Q schaute nun wieder aus der Tasche. „Helft ihr mir eines der Tiere zu retten?", schmunzelte sie die Beiden an. „Lou...", begann der Fuchs, „Ich habe nicht viel Kraft, wir müssen deine Schwester finden und dann verschwinden. Außerdem bringt es doch nichts nur eines zu retten. Die Anderen werden trotzdem dieses Schicksal ertragen müssen. So schmerzvoll es auch ist, aber bitte glaube mir, man kann sie nicht alle retten. Und ich kann dich nicht retten wenn etwas schief geht.".
„Aber ein gerettetes Leben, ist eines weniger das leidet.", gab Q zu Wort.
Kitsune schaute seine Freundinnen an und schüttelte den Kopf. „Ok. Was soll ich tun?", ergab er sich, in dem Wissen gegen die beiden Sturköpfe eh nicht anzukommen.
Da der Stall mit den Einhörner direkt am Hauptweg zum Marktplatz lag, war es etwas schwierig das Vorhaben unauffällig an zu gehen. Dennoch hatte Lou einen Plan. In der Gasse, in welcher sie grade einmal einen Arm ausstrecken brauchte um sie komplett einzunehmen, fand sie an einer der vielen Wäscheleinen einen zerfederten Sack. Gefühlt mit Steinen, sah er dem des Käufers recht ähnlich. Allerdings machte ihr Outfit ihr Sorgen. Niemand würde ihr glauben das sie Wohlhabend sei.
Sorries war die höhere der beiden Währungen. Ähnlich Euro zu Cent oder Gold und Silber. Der Preis von Zehntausend war daher ziemlich stolz. Von einigen Händlern hörte sie Rufe wie: „Nur zwanzig Kassies!". Und zwei kleine Mädchen sprachen über ihr erspartes von Fünftausend Kassies. Die Fakten konnten sich Lou schnell zusammenreimen. Kassies war die günstigere Version. Eher für das niedrigere Volk gedacht. Während Sorries für die Wohlhabenden war, Könige, Vorstände, Ritter. Wo nun genau der Unterschied im Wert lag und wie die Umrechnung aussah, verstand sie nicht. Brauchte sie aber auch nicht, denn niemand von ihnen wollte an diesen Ort zurück kehren.
Lou, ganz auf sich alleine gestellt, näherte sich mit ihrem Sack voller Steine erneut dem Stall. Auf dem Weg dorthin behielt sie nun ihre Umgebung genauer im Auge. Die Straße bat genug Platz um zwei große Kutschen nebeneinander zu führen. Die Häuser waren alle aus dicken, hellgrauen Steinen und eher klein gehalten. Moos und Efeu machte sie über sie breit, die hölzernen Fensterläden hingen zum Teil etwas schief oder fehlten komplett. Hier schien die Mittelschicht zu leben. Reich genug um es sich hinter den Mauern gemütlich zu machen, sich in Sicherheit wiegen zu können, aber zu arm um angesehen zu werden. Der Stall passte beim zweiten Blick nun so gar nicht zu der Umgebung, allerdings kamen hier die meisten Leute vorbei und es gab genug Platz für die Tiere. Zudem war der Ausgang der Stadt auch nicht weit entfernt. Gut also für Leute die ihr Tier schnell vor Dieben in Sicherheit bringen wollten. Und erst jetzt fielen Lou die Wachen auf, die in unregelmäßigen Abständen in der Nähe des Stalles platziert waren. Klar, dachte sie, solche wertvollen Tiere würden wohl kaum von einem einzigen Popeye bewacht werden. Ritter in hellgrauen Rüstungen, mit griffbereiten Schwertern. Weniger Edel als die schwarzen Ritter es waren, weniger beständigsten, aber dennoch gefährlich. Sie konnte grade einmal sechs Stück sehen, aber die Wahrscheinlichkeit das viele weitere in Hörweite waren, war groß.
Sie schluckte den Klos in ihrem Hals herunter, biss sich auf die Lippe, und ging zielstrebig Richtung Popeye. Sie hielt ihm den Geldbeutel vor die Nase, weit genug weg damit er ihn nicht greifen konnte, und sagte: „Ich kaufe eines.". Einen Moment herrschte stille zwischen den Beiden, ehe der Mann lautstark zu lachen begann. Er musterte sie, sah sie ungläubig an. „Und woher hast du das Geld?", spottete er. „Ich bin reich, doch das muss nicht gleich jeder wissen. Ich heiße Marie und komme von weit her. Mein Vater hat in unser Heimat einen hohen Rang.", sie hob Kinn und Stimme, kämpfte mit dem Drang sich weiter auf die Lippe zu beißen. Wieder lachte der Mann, mit dem Rücken zu seinen Tieren gedreht. „Und wo bitte kommst du her?".
„Gairdin an Dragon.", den Namen hatte sie bei irgendeinem der Reisen aufgegabelt. Hoffentlich war es als kein Scherz gemeint, denn ihres Wissens nach, hieß es so etwas wie: Garten des Drachen. Der Mann hob eine Augenbraue, lehnte den Kopf ein wenig zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Bizeps spannte sich weiter an, wirkte noch bedrohlicher, aber er sagte nichts und musterte sie wieder, als würde er erwarten das sie sich weiter Vorstelle. Den Gefallen konnte sie ihm aber nicht tun, sie musste sich schon auf die Lügen konzentrieren, die sie bis eben erzählt hatte. Verplappern war jetzt noch keine Option. „Und wo ist dein Köter hin? Ziemlich hässliches Zieh. Weniger etwas für eine reiche Dame, als mehr für einen Bauerntölpel.", er lehnte den Kopf auf die andere Schulter, ließ sie für keine Sekunde aus den Augen. Er ist stark, aber nicht der hellste, dachte Lou. „Den habe ich bei eine meiner Wachen gelassen. Er sieht vielleicht nicht so aus, aber er ist stark und treu. Er kann mich beschützen, auch wenn er nicht den Eindruck hinterlässt.".
Der Popeye Mann machte nun einen Schritt auf sie zu, kniff die Augen zusammen, spannte seine Arme noch weiter an. Schnell zuckte Lou einen Schritt zurück, langsam wurde es knapp. Er glaubte ihr nicht, brauchte er auch nicht, aber wenige Sekunden musste sie ihn doch noch unterhalten können. Sie spürte die Blicke zweier Wachen in ihrer Richtung. Beeilt euch, flehte sie in ihrem inneren, jeden Muskel im Körper im angespannt und das nervöse Lippen beißen machte sich nun auch langsam selbstständig. Wieder machte der Mann einen Schritt auf sie zu, ehe er sich erschrocken umdrehte und sah, wie seine Fabelwesen in die Menschenmenge rannten. Insgesamt acht Tiere liefen kreuz und quer, die Übrigen vier die draußen standen, sowie vier weitere aus dem Stall. Eines rabenschwarz mit einem lila schimmernden Horn. Für eine Sekunde blieb es mitten zwischen den Leuten stehen, die sich panisch an die Häuserwände drückte. Alles erschien für Lou wie in Zeitlupe. Es blickte zurück zu dem Stall, zu dem Fuchs, auf dessen Rücken ein weißes Nagetier saß, das die Stricke durchkaute, dann warf es einen Blick zu Lou, ehe es Richtung Stadtmauern rannte.
Beinahe im selben Moment standen Kitsune und Q neben ihr, und ohne auch nur ein Wort verlieren zu müssen, schnappte sie Q, hielt sie fest in ihren Armen und rannte los.
„SCHNAPPT SIE!", hörte sie Popeye rufen, gefolgt dem metallischen Poltern der Ritterrüstungen in Bewegung. Lou rannte und rannte, versuchte sich zwischen den Leuten zu verstecken, in der Menge unter zu gehen. Ihre Lungen schmerzten bereits, sie keuchte und hetzte. Tränen der Verzweiflung machten sich breit, aber dennoch hörte sie nicht auf zu rennen. Die Ritter kamen immer näher, für einen Moment wollte sie einfach stehenbleiben, sich ihrem Schicksal ergeben, ehe sie am Arm gepackt und in eine enge Gasse gezerrt wurde. Eine verschleierte Gestallt hielt ihr den Mund zu, drückte sie gegen eine Häuserwand und lehnte sich fest gegen sie. Ihr Umhang schien förmlich mit der Gasse zu verschmelzen. Kitsune kauerte hinter ihr auf dem Boden, ebenfalls außer Atmen.
Sie schwiegen, während zwei Ritter vor der dunklen Gasse stehen blieben, sich umschauten, absprachen, und dann links und rechts des Eingangs verschwanden.
Noch einen kurzen Moment spürte Lou die kalte Häuserwand in ihrem Rücken, ihr pulsierendes Herz und die Wärme der Fremden Person an ihrer Brust, ehe diese von ihr abließ.
„Du hast sie gerettet, oder?", fragte die Gestalt. Laut Tonfall, eine jüngere Frau, vielleicht so alt wie Lou, eher jünger. Aber Lou bekam kein Wort heraus, sie keuchte nur, ihr Gesicht lief rot an und der Schmerz in ihrer Brust, ihren Lungen, machte sich immer mehr breit. Dennoch schaffte sie es zu nicken und beinahe ein wenig zu lächeln. „Komm mit.", sagte die junge Frau, schnappte nach Lou's Hand und zog sie im schnellen Schritt tiefer in die dunkle Gasse hinein. Ihre Beine und Füße flehten danach sich hin zu legen, aber ihre Lunge fand es angenehm langsam entlastet zu werden.
Sie folgte der Frau - oder sollte sie sagen: dem Mädchen? - durch einige weitere Gassen. Dabei hielten sie immer einige Meter Abstand zu anderen Menschen, insbesondere zu Wachen. Nach zehn Minuten kletterten sie eine Leiter hinauf, Kitsune lag derweil wie ein Pelzschal um Lou's Schultern, zweimal wäre er beinahe abgerutscht, aber zu einem Sturz kam es zum Glück nicht. Nicht einmal wenn seine Flügel frei gelegen hätten, hätte er sich mit ihnen retten können. Zu tief lagen noch seine Wunden, zu schwach war er selbst. Neugierig schaute Q beinahe die ganze Zeit aus ihrer Tasche und beobachtete alles Haar genau. Gesprochen hatte aber niemand, bis auf die Fremde wenn es eine neue Richtung gab, die sie einschlagen mussten.
Über drei Dächer stolzierten sie, mittlerweile fernab des Marktplatzes, und verschwanden schließlich in einer Dachluke. „Ich habe Gäste dabei.", sprach die junge Frau, und landete mit einem Hopser auf den knarrenden Dielen. Lou und Kitsune folgten ihr. Im Raum war es wesentlich dunkler als draußen, so mussten ihre Augen sich erst einmal an das neue Licht gewöhnen. Dann sahen sie aber, wie die junge Frau ihre Verschleierung und ihren Umhang ablag. Ein großer, geräumiger Raum machte sich vor ihnen breit, gefüllt mit acht weiteren Menschen. Sieben junge Männer und einer Frau, neben ihrer Retterin, welche Lou nun ihre Hand entgegenhielt. „Els.", sagte sie. „Wie bitte?", fragte Lou, griff jedoch automatisch nach der Hand und wurde mit einem kräftigen Handrücken begrüßt. Sie sah erst jetzt, das ihre Retterin lange, dunkle Haare hatte, die nach hinten halb geflochten und halb in einem Zopf steckten, vor dem spitze Ohren lagen. Eine Elfe? Fee? Ihr Körper ließ sie jung aussehen, ihr Auftreten aber reifer und älter. Es war schwer sie einzuschätzen. „Ihr Name ist Elisabeth. Aber niemand darf sie so nennen! Also Els.", meldete sich der älteste der Männer, Lou schätze ihn auf dreißig, und trat zu den beiden hervor. Els ließ Lou's Hand los, blickte ihre Kumpanen böse an und schüttelte den Kopf. Für einen kurzen Moment dachte Lou, Els würde ihm eine knallen. „Und das ist Oswald. Er ist so zu sagen unser Oberhaupt.", erklärte Els ihr, wand sich dann zu Oswald: „Sie hat bereits unsere Mission erledigt. Die Einhörner sind frei, wenn auch weniger Professionell. Sie rennen jetzt wild durch die Stadt.".
„Habe ich schon gehört. Ist grade Nummer eins Thema auf den Straßen. Aber wie?".
Lou bemerkte nicht nur die neugierigen Blicke von Els und Oswald, sondern auch die der anderen Leute im Raum. Sie öffnete zwar den Mund, bekam aber nicht mehr wie ein Stottern hervor. Oswald lachte lautstark los, schüttelte beinahe fröhlich den Kopf und hielt Lou zur Begrüßung seine Hand hin, welche sie erwiderte. „Wir sind die Trodaithe Saoirse. Selbsternannte Freiheitskämpfer. Wir setzen uns für die Rettung von mystischen Wesen wie Einhörner und Drachen ein. Das Ganze ist natürlich weitaus weniger Legal, aber wie ich sehe hast du selbst solche Wesen bei dir.", sein Blick viel zu Q und Kitsune. „Auch wenn ich solche noch nie gesehen habe.", ergänzte er, „Du hast unseren heutigen Job erledigt. Sagst du uns bitte wer du bist und wie du das geschafft hast?".
Lou stellte sich und ihre Freunde vor, erklärte das sie von weit weg käme, und wie sie die Einhörner befreite. Auf die Frage was sie in die Stadt führte, nannte sie die Wahrheit. Ihre Schwester wurde von den Rittern entführt und sie wollte sie retten. Dass sie dabei durch ein Buch wandelte verschwieg sie.
Oswald fuhr sich mit der Hand immer wieder an seinem Stoppelbart entlang, hörte ihr aufmerksam zu und brummte immer wieder ein „Hmm", oder „Aha" hervor. Beim erzählen fielen Lou die vielen verschiedenen Waffen auf die überall verstreut lagen. Dolche, etwas das Schusswaffen ähnlich war, Schwerter, Pfeil und Bogen. Seile stapelten sich auf einem Tisch, Klamotten hingen überall, Teile von Rüstungen flogen in einer Ecke herum. Jeder der Leute schien grade eine Aufgabe zu haben. Entweder wurde etwas poliert, genäht oder gezählt. Zwei junge Männer, etwa ihren Alters, saßen in einer anderen Ecke des Raumes und aßen etwas, das Lou an Reis erinnerte, und ihr einen knurrenden Magen bereitete. Dennoch hörte jeder zu, auch wenn ihre Augen in eine andere Richtung führten.
Als sie fertig war brummte er nur ein: „Verstehe. Die schwarzen Ritter also.", hervor, und begann nachdenklich durch den Raum auf und ab zu wandern.
„Gibt es eine Möglichkeit sie zu retten?", harkte Lou nach. Ihre Hoffnung schien zu sinken.
Oswald verstand ihre Nöte. Nach weiteren Frage und Antwort spielen erfuhr sie, das die schwarzen Ritter gerne junge Frauen entführten, wenn ein Prinz kurz vor seiner Hochzeit stand (bzw. junge Männer, bei einer Prinzessin). So zu sagen als Auswahl. Die gewählten Partner hatten dabei natürlich kein Wort zu sagen, alles geschah im Wille einer königlichen Mitglieds. Schlimmer als der Gedanke das ihre Schwester entführt wurde, war das sie an einen fremden Mann verheiratet werden sollte. Sofern er sie erwählte. Aber wieso sollte er nicht? Naho war vielleicht nicht wohlhabend, aber hübsch und talentiert.
Oswald gab Lou das Versprechen ihr zu helfen, aber nur solange das Leben seiner Leute nicht auf dem Spiel stände. Würde es ernst werden, müsse er Lou fallen lassen. Nach diesen Worten fühlte sich ihre Kehle wie zugeschnürt an, aber sie musste das Angebot annehmen, es war ihre einzige Chance nicht sofort in die Spitze eines Schwertes zu rennen. Kitsune und Q schwiegen derweil, das sie als mystische Wesen enttarnt wurden reichte aus um sie in Gefahr zu bringen. Sie dann auch noch sprechen zu hören, könnte ihr Ende bedeuten.
Das Problem sollte weniger darin bestehen in das Schloss herein zu kommen, die Freiheitskämpfer hatten es schon öfters geschafft, schwieriger war es drinnen nicht erwischt zu werden. Wer zu den königlichen Räumen wollte, musste an den der schwarzen Ritter vorbei. Nicht das diese nicht schon für sich alleine eine große Gefahr darstellten, so waren selbst die schwarzen Ritter mit Wachen ausgestattet.
Mittlerweile war es Nacht. Im Laufe des Nachmittags planten sie ihre Strategie, aßen und schliefen. Lou träumte von Zuhause, wie sie im mit ihrer Schwester im Garten saß. Ihr Bruder zu Besuch kam, sie herum alberten, lachten und Erdbeerkuchen aßen. Aber die Realität holte sie ein. So viele Bücher hatte sie in ihrem Leben schon gelesen, aber nie hätte sie gedacht eines einmal als Realität zu bezeichnen. Nun saß sie mit Els auf einem der Dächer, in der Nähe des Schlosses. Sollte sie sie nach ihren Ohren fragen? Sie traute sich nicht, musste aber immer wieder hin sehen, was Els zu bemerken schien. „Ich bin ein Halbelf. Nicht bei den Menschen und auch nicht bei den Elfen gestattet. Aber Oswald gab mir eine Chance.", erklärte sie, ohne das Lou auch nur ein Wort sagen musste. Trauer war in ihrer Stimme zu hören, und auch wenn Lou noch viele Fragen hatte, hielt sie lieber weiter ihren Mund.
Sie bekam ein paar weniger lumpige Klamotten gestellt, dazu eine Tasche in der Q sitzen konnte, ohne Lou beim Laufen zu behindern. Außerdem gab man ihr einen Dolch, welchen sie hoffentlich nicht benutzen musste.
Eine Frage hatte sie aber doch: „Warum helft ihr einer Fremden?".
„Wir waren uns alle einmal Fremd, aber wenn man sich nicht hilft, findet man nie Verbündete. Und du hast uns auch geholfen.", Els schien zu lächeln. Immer wenn Lou sie ansah, hatte sie eine ernste Miene. Man sah sofort das Els Leben nicht nur aus rosa Blumen bestand, sie war ebenfalls grade einmal sechszehn, wie sie selbst erzählt hatte, aber tiefe Narben schienen auf ihrer Seele, ihrem Herzen zu ruhen.
Lou musste ebenfalls etwas lächeln. Die meisten Menschen die sie kannte dachten in erster Linie nur an sich, auch wenn sie es vielleicht nicht mit Absicht taten. Aber immer wieder, bei solchen Gedanken, hatte sie das Gefühl einen Spiegel vorgehalten zu bekommen.
„Gleich geht's los.", flüsterte Els. Ein feiner Lichtschimmer blinkte nun auf einem Dach in ihrer Nähe auf. Oswald. Neben ihm waren noch drei weitere Mitstreiter zur Mission aufgebrochen. Ein vierzehnjähriger Junge namens Pesolt, dessen Haare stark gelockt waren und ihm bis zu den Schultern reichten. Karl, ein vollbärtiger Mann der nur noch die Hälfte seiner Zähne besaß. Und jemand, dessen Name sie sich merken konnte, aber eine große Narbe quer über das Gesicht machte ihn unverkennbar. Er sprach schnell und mit einem starken Akzent, deswegen Lou nicht einmal die Hälfte seiner Sätze verstand, aber er schien nett zu sein.
Sie beobachteten zwei Wachen, welche sich soeben Richtung Schloss drehten und in dessen Richtung verschwanden. Wachen wechsel.
Zwei Sekunden vergingen.
Fünf.
Acht.
Zehn.
Zwanzig.
Vierundzwanzig.
Sechsundzwanzig.
Dreißig.
Endlich ging es los. Durch zwei Vordächer sprangen die Frauen herunter und rannten Richtung Schloss Eingang. Oswald, rechts von ihnen, und die Gruppe der Jungen, links, taten es ihnen gleich. Schnell und doch leise schlichen sie am Eingang vorbei zu einem der offen stehenden, nicht beleuchteten Fenster. Mit einer Räuberleiter und einem gezielten Sprung mit Salto von Pesolt, befanden sich alle plötzlich in einem leeren Raum des Schlosses. Es stank stark nach Farbe, da dieser grade mitten in der Renovierung war. Oswald schlich zur Tür, öffnete sie einen Spalt und spähte hinaus. In die Richtung der Freiheitskämpfer zeigte er eine Faust, ihr Zeichen zum still sein. Wenn sie von keinem der Ritter erlegt wird, würde sie vermutlich von ihrem Herz zu Strecke gebracht werden. Wieder hämmerte und raste es. Lou liebte Spannung, aber nur in Büchern und Filmen. Sich in ein echtes Schloss zu schleichen war etwas anderes. Etwas lebensmüdes.
Oswalds Hand öffnete sich, er knickte seine Finger ein paar Mal ein uns aus, schloss die Tür und wartete, bis seine Freunde zu ihm heran traten. „Wachen wechsel ist abgeschlossen. Hoffentlich habt ihr euch euren Plan gut gemerkt. Keine weiteren Fragen ab hier, keine Erklärungen. Viel Glück.", er nickte allen noch einmal noch und schlich schließlich zusammen mit dem namenlosen aus dem Zimmer.
Zwei Minuten warten, dann raus, grade aus den Flur entlang und rechts herum. Wieder und wieder ging Lou den Plan durch. Nach etwa fünfzig Meter, um der letzten Ecke, kommen sie am ersten schwarzen Ritter vorbei. Insgesamt lagen vier Räume auf ihrem weg, Oswald hatte nur drei. Welcher Ritter in welchem Raum war, wusste sie nicht. Ob sie überhaupt grade da waren, wusste sie auch nicht. Aber einer von ihnen hatte einen Schlüssel, welchen sie brauchten. 'Das ist doch definitiv ein Part aus dem Buch', dachte Lou. So ein Klischee konnte kein Zufall sein.
„Éad.", stand auf der großen, schwarzen Doppeltür, direkt vor ihnen. „Das erste Zimmer?", fragte Lou. Els nickte, nahm den Türgriff in die Hand und drückte diesen herunter. Langsam öffnete sie die Tür einen Spalt, spähte hindurch und gab den Drei ein Handzeichen, damit diese ihr flink folgten. Der schwarze Ritter war nicht da, sein Zimmer jedoch glich einem Saal. Ein riesiges Bett, große Schränke und ein Tisch, der so lang war das zwanzig Leute daran Platz hätten. Auf ihm lagen Speisen, Früchte, ein Spanferkel mit Apfel im Maul, Brot, Wein und Bier. Ein unberührter Teller zierte einen Platz an einer der kurzen Tischseiten, dahinter ein großer, thronartiger Stuhl. Überall im Zimmer hingen Gemälde des Königs und eines fremdes Mannes, die Leinwände waren mit Messern und Pfeilen geschmückt, ähnlich einer Dartscheibe. „Er kommt bestimmt gleich essen.", grummelte Karl. Pesolt schwieg und begann bereits nach dem Schlüssel zu suchen. Els und Karl taten es ihm gleich, dabei schienen sie zu wissen was sie taten, sie suchten an gezielten stellen und versuchten dabei so wenig wie nur möglich zu verändern. Keine Spuren sollten hinterlassen werden. Nur Lou stand mitten im Zimmer, schaute sich um und war ein wenig orientierungslos. Sie war noch immer erstaunt wie hell die großen Kerzen auf dem Tisch, Nachtschrank und auf den Ständern neben Tür und Fenstern, den Raum erhellten. Alles war in Rot- und Goldtönen gehalten, sogar die Decke war voller goldener Verzierungen. Selbst Kitsune schien erstaunt zu sein, dabei müsste er die verrücktesten Dinge doch jeden Tag sehen können.
Es vergingen grade einmal wenige Sekunden, ehe Els sie antippte und aus ihrem staunen holte. „Wir müssen weiter, er ist nicht hier. Aber es würde mich freuen wenn du auch mal was tust!", ermahnte sie Lou, welche erschrocken zur Bestätigung nickte. „Ja. Mach ich.", stotterte sie.
Auch Els nickte ihr zu, holte mit einer neuen Handbewegung die Jungs zu sich. Gemeinsam schlichen sie wieder auf den Flur entlang, quer gegenüber lag bereits ihr nächstes Ziel. „Greddy."
Selber Ablauf: Els lauschte an der Tür, stellte fest das niemand dort zu sein schien, spähte und trat letztendlich hinein. „Vermutlich hält der König sie grade noch bei sich fest.", murmelte Pesolt.
Von der Aufteilung her war das Zimmer ganz genauso, aber zugleich war es ganz anders. Die Wände und Decke waren nicht rot, sondern blau. Statt Bilder an den Wänden stapelten sich Gemälde in den Ecken, Berge voll edler Kleidungen verdeckten den Boden, Säcke voller Münzen lagen frei herum. Wieder suchten alle nach dem Schlüssel, nur Lou drehte sich erneut im Kreis, erstaunt vom Anblick der Massen an Besitz. Auch hier dauerte es nur wenige Sekunden bis sie alles durchsucht hatten. Wieder kam Els zu ihr, nur schlug sie Lou dieses Mal mit flacher Hand ins Gesicht. „Wir sind wegen deiner Schwester hier!", knurrte sie leise. „Und du tust gar nichts! Meinetwegen kannst du sie alleine suchen!", fügte sie hinzu. Zorn schimmerte durch ihre Augen. Auch dieses Mal ging sie wieder zur Tür, holte die Jungs zu sich. „Wir gehen. Sie will unsere Hilfe nicht.", flüsterte sie. Lou starrte schockiert ins nichts, sie rechnete mit vielen aber nicht damit geschlagen und im Stich gelassen zu werden. Obwohl sie Els Reaktion irgendwie verstehen konnte.
„Ich bleibe.", hörte sie Pesolt flüstern. Lou sah es nicht, konnte aber beinahe spüren wie Els die Augen verdrehte, dann verschwand sie mit Karl aus der Tür. Pesolt griff nach Lous Hand. „Komm!", gab er ihr zu befehl.
Sie schlichen den Flur weiter entlang, mussten sich dabei zweimal hinter Vorhängen und einmal in einem kleinen, viel zu dunklen Raum, um zu erkennen was sich dort drin befand, verstecken, um den Wachleuten aus zu weichen, ehe sie zum dritten Ritter kamen.
„Craos."
Wieder dasselbe Spiel, orangener, silberner Raum, nur war dieses Mal Pesolt der Boss. Keine Berge an Waffen, Klamotten, Geld. Nur auf dem Tisch lag beinahe fünfmal so viel Essen. Innerlich erstarrte Lou, äußerlich begann sie aber endlich mit zu helfen, zu suchen. „Craos. Bedeutet das etwas?", flüsterte sie Pesolt entgegen. „Etwas ähnliches wie Hunger, glaube ich.".
Da dämmerte es Lou. Die Symbole, die Wörter, die Räume. Die schwarzen Ritter waren keine schlichte Armee, die bestanden aus Sünden. Den sieben Todessünden. Neid, Habgier, Völlerei. Deswegen sollte sie gemeinsam so mächtig sein. Deswegen schienen sie sich im Keller gegenseitig zu behindern und doch blind zu verstehen. Aber wieso war es dann so leicht hier herum zu schleichen und alles zu durchsuchen? Ein kalter schauer machte sich in ihr auf. Aber auch in diesem Raum war nichts. Welcher würde der....
die Frage konnte Lou nicht zu Ende denken. Schritte, metallische, schwere Schritte, näherten sich der Tür. „Versteck dich!", zischte Pesolt, sprang hinter einen der Vorhänge, die bis zum Fußboden reichten. Ohne auch kurz daran zu denken das es wohl das schrecklichste Versteck war das sie wählen konnte, kroch Lou mit Kitsune unter das Bett. „Und jetzt?", flüsterte sie ihren pelzigen Freunden zu, so leise das nicht einmal der Junge es wahrnehmen konnte. Doch Kitsune schaute nur fragend zurück. Der Ritter ohne Rüstung trat ein. Ein etwas kleinerer Mann, doch seine fehlende Größe machte sein Gewicht wieder gut. Er wirkte beinahe wie ein Fels, und wie er es in seine Rüstung schaffte, konnte Lou sich nicht erklären.
Der Dicke lachte schelmisch als er den Berg aus Essen vor sich sah. Sie Augen schienen groß zu werden, wie bei einem kleinen Kind das Schokolade sah. Er setze sich nicht einmal, stand nur vor dem Tisch und riss beide Hinterbeine seines Spanferkels ab, in die er immer abwechselnd herein biss. Dabei schmatze und sabberte er, schlimmer als sie sich so etwas hätte vorstellen können. Er nahm einen Krug Bier, schlang es herunter, schien sich nicht einmal daran zu stören das die Hälfte an seinen dicken Backen hinunter auf den Bauch lief. Als der Krug leer war, schlug er ihn mit einem lauten Knall auf den Tisch, klopfe sich gegen die Brust und gab einen langen, lauten und stinkenden Rülpser von sich. Auch wenn Schweine sehr reinlich waren, wurde einem Mensch der sich schlecht benahm und schmutzig war nachgesagt, er sei wie ein Schwein, wobei das als Spott und beleidigten galt. Als negative Kritik gemeint. Doch bei diesem Mann, so war sich Lou sicher, wäre die Aussage eine viel zu freundliche gewesen. Einige Nummern zu weit nach oben gesetzt. Denn selbst wenn Schweine dem Verhalten des Mannes ähnlich wären, so würde er doch hunderte von ihnen Gleichzeit in einem widerlichkeits- Wettbewerb besiegen können. Sie musste sich die Hände vor den Mund halten, um ihre Anwiederung in Zaum halten zu können. Kurz dachte sie, würde ihr Abendessen noch einmal hallo sagen. Erneut blickte sie Kitsune fragend an, und wieder schaute er unwissend zurück.
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Die Abenteuer von Lou & Q ( Band 1: Zwischen den Zeilen)
Teen FictionEin Ei, mit einem mysteriösen Geisterwesen, lässt den langweiligen Alltag von Lou Kopfstehen. Ohne je Erfolg gehabt zu haben, fragt sich die Achtzehnjährige, wo ihr Platz in der Welt ist. Schon immer wusste sie, das sie anders war als die Menschen u...