Kapitel 7
Die Rückkehr
„Hallo, Mister schwarzer Ritter.", quietschte eine Stimme durch den Raum. Sie kam aber nicht von der Tür, sondern dem Tisch. Erschrocken zog Lou ihre Tasche hoch zu ihrem Gesicht und öffnete den Stoffbeutel.
Leer.
Der kleine gehörnte Nager saß in mitten des Essen und schaute dem Ritter direkt in die Augen. „Oh, nein. Nein. Nein. Nein!", flüsterte, fluchte Lou. Auch Pesolt schaute vor wenig hinter dem Vorhang hervor und beobachtete das Nagetier.
„Was hat sie vor?", flüsterte nun Kitsune, auch wenn er selbst wusste das Lou darauf keine Antwort hatte.
Der Stuhl des Ritters knirschte und schabte auf dem Boden, als der dicke Mann aufstand und den Stuhl dabei nach hinten schob. Die Hände auf den Tisch gestammt, lehnte er sich drüber um das Tier genauer zu betrachten. Doch Q, Lebensmüde wie sie scheinbar war, steckte dem Ritter nur die Zunge raus und rannte quer über den Tisch.
Der Ritter ballte die Faust, schrie und schlug nach dem Tierchen, verfehlte es aber wieder und wieder. Essen flog durch die Luft, Teller zerschellten auf dem Boden, aber was er auch tat, er traf sie einfach nicht. Er war vielleicht groß und schwer, stark, aber genau das war seine Schwäche. Er war langsam. Q hingegen war klein, leicht und flink.
Als er wütend den Tisch umkreiste, den Stuhlplatz hinter sich ließ, nutze Q ihre Chance, sprang hinauf und landete schließlich mit den Pfoten auf den Boden. Nun flitze sie zwischen seinen Beinen herum, wie aus einem alten schwarz - weiss Film, wo immer eine Maus zwischen Stuhlbeinen herumlief, während dort eine kreischende Frau drauf stand. Bei dem Gedanken musste Lou lachen. So viele Menschen hatten Angst vor Mäusen und Ratten, aber niemand vor Meerschweinchen, die schienen einen nur zur Weißglut zu bringen. Der Ritter fluchte weiter und weiter, begann mit einer Schweinshachse nach Q zu schlagen, verfehlte sie dennoch. In seiner Wut stemmte er den Tisch hoch, warf ihn durch den Raum, bis in die andere Ecke. Wütend stampfte er hinterher, weg von Lou, Kitsune und Pesolt. Diese nutzen nun endlich ihre Chance, krochen und stiegen aus ihren Verstecken und rannten im Rücken des Ritters aus der Tür. Die Tür schnell gelschossen, lehnten sie sich gegen. „Und dein Tier?", fragte der Junge. „Gleich.", antwortete Kitsune. Die Junge riss die Augen auf. „Sie können beide sprechen?", beinahe rief er seine Frage durch den Flur, konnte seine Stimme aber rechtzeitig zahmem. „Ich erkläre es dir später.", flüsterte Q zurück. Wenn der Ritter der Völlerei zurück war, würden die anderen es auch sein. Und bestimmt mehr Wachen. Aber auch wenn der Ritter tobte und wütete, schrie und brüllte, kam niemand an seine Tür. Grade als Lou sich fragen wollte, woran das lag, schnaubte Kitsune ihr ein: „Jetzt!", entgegen.
Lou öffnete die Tür einen Spalt, durch den Q hindurch huschen konnte. Schnell schlug sie Tür wieder ins Schloss, während sie schon halb am rennen waren. Den Flur entlang und zu sehen wo sie hinführte, in die nächste Tür. Sie lauschten wie der Ritter den Flur entlang lief, noch immer auf der Suche nach Q. Er schrie und wütete noch immer, aber immer noch schien ihm niemand helfen zu wollen.
Hinter den Vier machte sich im Raum plötzlich Gekicher auf. Langsam, stocksteif vor Schreck drehten sie sich um, schauten in eine Horde halb bis ganz nackter Frauen, die sich über einen großen Mann auf dem Bett hermachten. Er stand auf, knurrte und griff nach seinem Schwert. Wobei Lou ziemlich froh war das sie jetzt schon bei ihm landeten, denn immerhin trug er noch eine Hose.
„Craving:", gelüste, Wollust.
Kichernd zogen sich die Frauen in die hinterste Zimmerecke zurück, während Mr. Craving einmal lautstark seinen Nacken knacken ließ, sich weiter aufbaute und die Spitze seines Schwertes flink in die Richtung der Eindringlinge hielt. Er knurrte und schnaubte, keiner der Ritter schien gerne Worte zu verlieren. Er holte aus.
In Sekundenschnelle malte Lou sich die blutrünstigen Szenarien aus. Wie die Klinge sie traf und dabei schnell den Kopf vom Körper trennte. Oder wie sie Pesolt in die Brust traf, danach durch den Rücken wieder hervor trat. Wie Kitsune ausgestopft als Trophäe auf dem Tisch stand.
Sie kniff die Augen zusammen, hörte die Klinge mit rasender Geschwindigkeit durch die Luft fliegen, und spürte letztendlich einen stumpfen Schmerz im Oberarm. Sie fiel gegen Pesolt, riss ihn mit auf den Boden und schrie laut auf. Klirrende, stumpfe, knurrende Geräusche unterbrachen sie bei dem Gedanken, das es nun mit ihr geschehen war. Sie spürte Pesolts Hand auf der Schulter, öffnete vorsichtig, beinahe gequält ein Auge, schielte zu der schmerzenden Stelle an ihrem Arm. Doch es floss kein Blut, im Gegenteile! Sie hatte keine Wunde. Der Schmerz kam von dem Schupser den Els ihr verpasste, die nun mit einem Schwert - welches sie scheinbar eine Wache geklaut hatte, denn es trug das Wappen des Königreichs am Griff - gegen den Ritter kämpfte. „Oswald hat den Schlüssel gefunden.", brachte sie knurrend hervor, den Blick nicht eine Sekunde von ihrem Gegner abgewandt. Sie war zwar um einiges schwächer als der Ritter, jedoch um einiges schneller. So gelang es ihr schnell auf den Tisch, und wieder von ihm weg zu springen, ehe der Ritter ihn in zwei Hälften teilte. „Geht schon!", knurrte sie erneut, dieses Mal lauter, und verschwand schließlich zwischen den vielen Frauen. Einer nach der Anderen wurde von Craving bei Seite geschoben. Sie schrien, fielen zu Boden, eine begann lautstark zu weinen. Aber nichts hielte ihn davon ab Els auf zu halten. Zack! Sprang sie aus dem Hinterhalt hervor, traf mit der Messerscharfen Klinge den Ritter am Arm, landete neben ihm und rollte sich am Boden ab. Eine Art fiep Ton trat aus dem Ritter heraus. Seine Zähne knirschten an einander, sein Kopf rot vor Wut. „Jetzt geht doch endlich!", schrie Els wieder.
Pesolt packte Lou an ihrer Kapuze, welche im Nacken hing, zog sie auf die Beine und raus aus dem Zimmer. Der Kampf erschien ihr weniger real als fiel mehr wie eine Show. War das wahre Angst? Verdrängte sie die Realität um nicht registrieren zu müssen das ein Schwert sie beinahe in Zwei geteilt hätte? Vielleicht lag es daran das sie nie einen echten Kampf sah. Und erst recht keinen mit Schwertern, der um Leben und Tod ging. Und warum war Els überhaupt so schnell vor Ort? War sie vielleicht schon die ganze Zeit in der Nähe gewesen? Eventuell hatte sie von Anfang an aufgepasst, aber wieso war sie dann nicht bei dem Ritter zuvor bereits zur stelle?
Mehr Gedanken und Theorien konnte Lou nicht aufstellen, denn Pesolt rannte, und zog sie dabei hinter sich her. Zwei lange Flure entlang, durch einen Speisesaal der größer war als ihr Haus und durch eine Bibliothek, deren Bücherregale so hoch waren, das sie meinen könnte das Ende nicht sehen zu können. Nach dem ganzen Rennen würde sie wohl nie wieder irgendwo zu spät ankommen. Wenn es knapp werden würde, müsste sie einfach nur rennen. Scheinbar bekam sie da langsam Übung drin, ihre Lungen brannten nicht mehr ganz zu schlimm wie am Vormittag.
Schließlich blieben sie vor einer großen, doppelten, grünen Tür stehen. Oswald wartete bereits auf sie.
„Alleine unterwegs?", lächelte Pesolt ihm entgegen.
„Wir haben was wir wollten. Wir fallen erst später auf wenn wir nicht so viele sind.", grinsend wie ein Honigkuchen Pferd hielt er stolz den Schlüssel hoch. Lou jedoch nickte nur, mehr wie keuchen bekam sie noch nicht hervor. „Wo ist Els?", blickte sich Oswald nun besorgt um. „Kämpft noch. Ich geh ihr helfen!", schnurstracks drehte Pesolt sich um und rannte den Gang wieder zurück.
Besorgt sah Oswald ihm hinterher, schien aber einen Kloss im Hals zu haben, denn er brachte kein Wort heraus, obwohl es ihm augenscheinlich auf den Lippen lag. „Sie schaffen das schon.", gab nun Kitsune zu Wort. Verblüfft und erschrocken zugleich wurde es sofort von beiden menschlichen Mitstreitern angesehen. „Du kannst sprechen?!", empörte es Oswald. „Ja. Und sie auch.", brachte es Lou nun doch hervor und zog Q aus ihrer Tasche. „Hi.", gab sie sich zu Wort.
„Was? Aber... Wie....Also....", stotterte Oswald.
Sie setze Q wieder zurück in ihren Beutel. „Erkläre ich dir später!", Lou riss ihm den Schlüssel aus den Händen, steckte ihn in das Türschloss und drehte ihn um. Klack. Die Tür öffnete sich. Gemeinsam traten sie in einen ausnahmsweise einmal kleinen Raum. Gemütlich eingerichtet. Ein großes Sofa, eine Schale mit Weinrauben auf einem kleinen Tisch davor, wieder eine Menge Kerzen um den Raum zu erhellen, und ein junges Mädchen das aus dem Fenster blickte. Sie erschrak, drehte sich um und fiel beinahe gleichzeitig auf die Knie.
„Bitte lasst mich gehen.", flehte sie.
Es war nicht Naho. Oswald brauchte die Frage nicht einmal zu stellen, um die Antwort in Lou's Gesicht ablesen zu können. Er schlich an ihr vorbei, rüber zu dem Mädchen und kniete sich vor sie. „Wir sind keine Wachen. Wir suchen jemanden. Kannst du uns helfen?", seine Stimme hatte etwas beruhigendes an sich, aber dennoch bestimmend.
„Vielleicht.", flüsterte sie, unsicher was gleich passieren würde.
„Ihre Schwester-", er zeigte auf Lou,- „wurde entführt. Vermutlich soll sie die zukünftige Prinzessin werden. Sie ist etwa so alt wie du, sieht aber eventuell nicht so aus als käme sie von hier. Hast du so jemanden gesehen? Ihr Name ist Nao.", „Naho!", korrigierte Lou ihn leicht grimmig.
„Naho?", harkte das Mädchen nach. „Ja, ich glaube sie war hier. Der Prinz auch. Er hat sie erwählt, aber sie hat sich geweigert. Deswegen soll die Hochzeit noch heute Nacht stattfinden, bevor sie es schafft zu fliehen.", erklärte sie, immer noch flüsternd aus Angst, die Wachen könnten sie hören. Denn wenn nie ein Mädchen zurück kam das einmal entführt wurde, konnte man sich denken das sie nicht mehr allzu viel vom Leben hatten.
Dennoch, so dachte Lou, schienen die Wachen ihren Job hier gar nicht einmal so allzu gut zu machen. Wenn Nachts einfach Fremde einsteigen und alles durchsuchen konnten, und man Angst haben musste das die Zukünftige Frau des Prinzen einfach verschwindet.
„Gut. Dann müssen wir uns beeilen. Lauf du den Flur hinunter, am Ende nach links durch ein kleines Arbeitszimmer. Aus dem Fenster kannst du die Mauer sehen. Sag 'Úll pie' wenn du am Fenster stehst. Meine Leute warten da und werden dir helfen.", kaum war er fertig mit erklären, sprang sie auf und rannte los.
„Was bedeutet das?", fragte Kitsune.
„Apfelkuchen.", lächelte Oswald . Auch Lou musste etwas lächeln, obwohl sie grade gar nicht danach war. Ihr Magen drehte sich um. Vielleicht waren sie schon zu spät. Vielleicht war alles umsonst gewesen. Und immer noch plagte sie das Gefühl, dass alles ihre Schuld war. „Geh mit ihr.", befahlt sie Kitsune. Er nickte, gehorchte, ganz ohne Wiederworte. Seine Kräfte ließen immer mehr nach, es würde vermutlich nicht mehr lange dauern bis er seinen Verletzungen erliegen würde. Er musste sich jetzt schonen, für die Reise nach Hause, niemand wusste wie lange diese Mission noch dauern würde. Und bei Oswalds Leuten war er nun vermutlich besser aufgehoben.
„Und nun?", Q kletterte aus der Tasche, hinauf auf Lou's Schulter, und gab ihr mit der Nase einen Stupser auf die Wange.
„Geht es in den Thronsaal.", so Oswald.
„Na dann los!", ballte Lou die Fäuste. Ein Sinneswandel innerhalb einer Sekunde brachte sie nun dazu nicht mehr zu zweifeln, sondern endlich durchgreifen zu wollen. Nicht mehr tatenlos im Weg zu stehen!
Ein großer Saal mit zwei Ebenen machte sich vor ihnen auf. Im unteren Teil waren Sitzbänke, so viele das beinahe das halbe Königsreich platz hatte. Oder zumindest kam es Lou so vor. Im oberen Teil, wo sie sich mit Oswald hinter dem Geländer versteckte, gab es nur leere Flächen. Vermutlich die Stehplätze. Oder für die ganz Reichen, die ihren eigenen Stuhl mitbrachten.
Denn ein in Geld schwimmender Popo berührte nie einen gewöhnlichen Stuhl. Links von ihnen befand sich ein großer Altar, ein Priester wartete bereits auf die Königsfamilie.
„Sind wir zu spät?, flüsterte sie Oswald zu.
„Nein. Wir brauchen allerdings einen wirklich guten Überraschungsmoment.", wieder grinste er und holte zwei kleine, gräuliche Säcke aus seiner Jackentasche.
„Was ist das?", wollte Lou wissen, aber Oswald antwortete nicht, grinste stattdessen weiter. Am liebsten hätte sie ihm das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Konnte er denn gar nichts anderes? Die Sache war ernst und er grinste durchgehend. Aber was sie auch tat sie schaffte es nie wirklich wütend auf ihn zu sein. Ein flaues Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit und ließ sie stark schlucken. Auch wenn es sie wütend machte, hatte sein Grinsen dennoch etwas, beinahe, niedliches an sich. Es war kaum zu glauben das er eigentlich nur aus Tinte bestand.
Plötzlich begannen Trompeten zu spielen und die Türen links und rechts hinter dem Altar sprangen auf. Durch den starken Windstoß gingen einige der Kerzen aus, der Raum wurde dunkler. Aus beiden Türen traten je zwei Trompetenspieler heraus. Sie gingen um den Altar herum, stellten sich mit dem Rücken zu den Stühlen und verstummten schließlich. Die Trompeten, welche eine Fahne mit den Königslogo trugen, wurden Richtung Boden gesenkt. Der äußerste, ganz rechts, begann zu sprechen: „Begrüßet König Saibhir und seine Frau!".
Er und die anderen Spieler knieten sich hin, während der König und seine Frau eintraten. Er trug ein stattliches, grünes Gewand mit weißer Umrandung. Sein Logo, ein Einhorn mit Schild dahinter, zierte es. Seine Krone doppelt so groß wie sein Kopf, aus reinstem Gold mit grünen Diamanten.
„Wow.", flüsterten Lou und Q beinahe gleichzeitig.
Die Königin wirkte neben ihrem riesigen, kräftigen Mann beinahe unscheinbar. Sie trug ein langes Kleid, welches ebenfalls grün war und unten herum ebenfalls diese weißen Buschel hatte. Ihre Krone war nur halb Rund, und die Enden lagen versteckt hinter ihrer braunen Flechtfrisur. Kleine, grüne Diamanten zierten auch ihre Krone, aber sie waren viel kleiner als die vom König. Beide hatten eine perfekte Haltung. Und auch wenn der König mit seinem Vollbart fast wie ein Wilder aussah, schien er dennoch das Gegenteil aufrecht zu bewahren.
Er und der Priester nickten sich nur kurz zu, ehe das Königspaar weiter ging, und vor dem Altar stehen blieb. Würden sie grade aus schauen würden sie genau über den Altar auf die Trompetenspieler schauen, aber sie sahen leicht nach rechts, in Richtung des Priesters und der Tür, aus der erst sie eben und nun ihr Sohn trat.
Bevor sie sich zu der Mission aufmachten hatte Lou lange übergebt wie der Prinz wohl aussehen mag. Nach den ganzen Geschichten die sie von Oswald, Els und ihren Freunden gehört hatte, stellte sie sich eher jemanden vor, der jünger erschien als er war. Sich beinahe wie ein Kind verhielt, eher etwas albern. Jemanden dem es einzig und allein darum ging von allen bewundert zu werden. Jemand eingebildetes, egoistisches.
Aber jetzt wo sie den Prinzen sah, erschienen ihr ihre Gedanken dumm. Es waren wieder Vorurteile die sie einfach hinnahm und die sich später als falsch heraus stellten.
Denn der Prinz schien beinahe perfekt. Wie aus einem Disney Film. Cinderella, Arielle, Dornröschen. Alle hatten den perfekten Prinzen. Er sah großartig aus und hatte dazu ein reines Herz, oder wie auch immer es in solchen Geschichten hieß. Auf jeden Fall waren sie besser als alle anderen, schienen damit aber nicht an zu geben. Und so erschien ihr auch der Prinz. Sein Auftreten erinnerte eher an eine Mischung aus Abenteurer und 'in die falsche Familie geraten'. Wie jemand der eigentlich gar nicht da sein wollte, sich aber die größte Mühe gab den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Seine zerzausten und doch geordneten Haare erinnerten Lou an den Protagonisten aus einem Film, den sie letztens sah. Ein Film über Piraten. Ein Pirat passte zwar genauso wenig in dieses Buch wie ein Hightech- Computer, der Vergleich erschien Lou gar nicht einmal so abwegig. Wäre es eine andere Situation, ihre Welt und der junge Mann kein Prinz, würde nichts auf zwang basieren, dann würde sie sogar finden das er gut zu Naho passen würde.
„Begrüßet des Prinzen!", sprach das Oberhaupt der Trompetenspieler wieder. Der Prinz blieb zwischen seinem Eltern und dem Priester stehen. Zehn Sekunden vergingen, ehe die Spieler wieder aufstanden, um erneut ein Lied zu posaunen, während sich von der anderen Tür zwei Wachen näherten. Mit Lanzen in den äußeren Händen und zwischen ihnen ein Mädchen. Naho.
Sie lieferten Naho neben dem Prinzen ab, gingen zu je einer Tür, traten hinaus und schlossen diese schließlich.
„Die zukünftige Prinzessin Naho.", sprach der Spieler, nachdem das Lied zu Ende ging.
Lou's arme Schwester wurde ebenfalls in ein grünes, eher schlicht gehaltenes Kleid gezwängt. Dabei war das überhabt nicht ihre Farbe. Sie sah wie unglücklich ihre Schwester ausschaute. Die Augen und Wangen rot vom weinen. Ihre Körperhaltung mehr verängstig. Ihre sonst so frohen Schwester war am Ende ihrer Kräfte.
„Warte auf mein Zeichen, auch wenn es später kommt als du es dir erhoffst.", flüsterte Oswald ihr zu. Lou hatte zwar keine Ahnung was er vor hatte, aber sie musste ihm jetzt vertrauen. Eigentlich tat sie das schon die ganze Zeit, aber jetzt erst recht.
Der Priester begann mit seiner Rede. Irgendwas von Königreich regieren und dem König Enkel schenken. Von Pferdezucht und Feste feiern. Lou hörte nur mit einem Ohr hin, fiel mehr drehte sich die Frage in ihrem Kopf, wann es endlich los ginge. Was der Plan war und was sie dabei tun könnte. Links von ihnen, der Wand entlang führte eine schmale Treppe in die untere Ebene. So kamen sie zwar runter, aber was dann? Durch die Tür rennen, einem der Wachen in die Arme?
Der Priester in seiner weißen Soutane sprach weiter und weiter. Und Naho schien immer nervöser zu werden, so wie Lou.
Dann kam die alles entscheidende Frage, welche der Prinz mit 'Ja' beantwortete. Er wollte sie heiraten.
„Zukünftige Prinzessin Naho, wollen sie den hier anwesenden Pr...", ein lautes Poltern unterbrach den Heiligen. Die große Tür hinter den Bänken schlug auf. Hinter dem Geländer konnte Lou fast nichts sehen, aber das brauchte sie auch nicht. In Windeseile schallte das Schlagen von Hufen an ihr vorbei. Eine maskierte Gestallt galoppierte auf dem schwarzen Einhorn vor zum Altar, sprang ab und hielt dem Prinzen ihre Schwertspitze an den Hals. „Wachen!", schrie der König. Binnen Sekunden schlugen auch die anderen beiden Türen wieder auf und um die zwanzig Wachen versammelten sich um den Prinzen und den Eindringling. Fünf weitere Wachen begleiteten das Königspaar und den Priester auf den Flur, weg vom Geschehen. Nur Naho schien nicht recht zu wissen was sie tun sollte und blieb wie angewurzelt stehen, starrte das majestätische Tier an.
„Schnapp sie dir und flieh mit dem Hengst.", flüsterte Oswald, gab ihr einen hektischen Kuss auf die Lippen und sprintete los. Ohne Vorwarnung warf er einen der Säcke mitten in die Scharr der Wachen. Eine große Rauchwolke machte sich breit und verschlang alles in ihr. Nicht einmal mehr die Hand vor Augen konnte man sehen und trotzdem ging alles ganz schnell.
Lou hatte sich gut die Position ihrer Schwester gemerkt, rannte zu ihr, zog sie am Handgelenk mit zur Bank, und stieg dank dieser auf das Pferd. Ohne Sattel und ohne Zügel rannte das wilde Tier in die Richtung, aus die es soeben kam.
„Viel Glück!", hörte sie noch eine Stimme rufen. Els Stimme. Bevor das knallen von Schwert auf Schwert sich hinter ihnen breit machte. Sie schien immer zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.
Der Hengst schien zu wissen wo es lang ging, hetze den Gang entlang, wich sogar einen Wachen aus oder rannte sie gar um. Einer schrie lautstark und weinerlich auf, als er von dem Horn getroffen wurde. Eine letze große Tür machte sie vor ihnen breit, doch statt ab zu bremsen, rannte er immer schneller und schneller. Den Mädchen blieb nichts anderes übrig als zu schreien und sich fest zu krallen.
Da sprang das Einhorn plötzlich, einen Bruchteil einer Sekunde bevor sie gegen das Tor knallten, öffnete es sich. Sie sprangen eine Treppe hinab und landeten schließlich im Schlosshof.
Das Einhorn schnaubte, drehte sich um und schien zufrieden, sowie ungeduldig, mit dem Huf zu scharren.
„Beeindruckend!", lächelte Pesolt ihr neben dem Tor entgegen und zeigte einen Daumen nach oben. Auch die anderen Freiheitskämpfer, das fremde Mädchen und Kitsune warteten bereits auf sie. Jetzt auch erst erkennte Naho wer ihre Retterin war, aber Zeit für eine Begrüßung oder ein Dankeschön gab es nicht. Weitere Wachen liefen direkt auf sie zu, einige ritten mit Pferden an. Aber die Freiheitskämpfer waren vorbereitet! Auch sie haben sich einige Pferde 'ausgeliehen' , stiegen schnell auf und galoppierten los. Pesolt hatte noch flink geholfen Kitsune auf das Lou's Einhorn zu setzen, ehe auch der Hengst los fegte.
Was danach passierte, weiß Lou nur noch schleierhaft. Sie rannten einige Wege entlang, sprangen über einen Graben und wurden immer weiter verfolgt. Pfeile der Wachen schliffen an ihnen vorbei. Und sie hörte jemanden so etwas rufen wie 'holt die Sieben'. In einer Kurve wäre sie beinahe runter gefallen und ein Pfeil erwischte Naho am Arm. Zum Glück streifte er sie nur, doch bluten tat es trotzdem.
Schweißgebadet schrak sie auf. Der kalte Fußboden und der weiche Teppich unter ihr. Sie war Zuhause, in ihrem Zimmer. Ein Traum? Sie schaute sich um. Erschrak erneut. Nein, kein Traum. Kitsune lag in ihrem Bett, verkrampfte vor Schmerz. Eine neue Wunde machte sich in seiner Seite und seinem Flügel breit, und sie wurde von einem Pfeil geschmückt. Q drückte ihre kleinen Pfoten auf die Stelle, versuchte die Blutung zu stoppen. Gleichzeit lag Naho ebenfalls blutend in der andere Ecke des Zimmers, bewusstlos.
Einige Wochen waren bereits vergangen und langsam kehrte endlich wieder ein geordneter Alltag zurück.
Nachdem Lou einen Krankenwagen rief, stoppte sie Kitsunes Blutung und verband die Wunde erst einmal nur provisorisch. Naho wurde abgeholt, lag drei Tage im Krankenhaus und durfte dann wieder nach Hause. Sie hatte eine leichte Gehirnerschütterung, konnte sich nur noch verschleiert an die Stunden zuvor erinnern und hielt alles eher für einen Traum. Den Ärzten und ihren Eltern erzählte Lou etwas von Naho wollte ihr beim umräumen helfen und sei gestürzt. Niemand wollte ihr so recht glauben. Immer wieder kamen ihre Eltern zu ihr, baten Lou darum doch einfach die Wahrheit zu sagen, aber das konnte sie nicht. Traute sich nicht und blieb daher bei ihrer Aussage. Sie spürt immer noch die enttäuschten Blicke ihrer Eltern auf der Schulter. Naho hingegen wusste ebenfalls nicht so recht was sie davon halten sollte, vertraute aber ihrer Schwester. Ihre Wunde verheilte gut und übrig blieb eine feine Narbe, welche vermutlich in einigen Monaten verblassen würde.
Auch Kitsune erholte sich gut. Er konnte zwar immer nicht wieder fliegen, wurde aber immer fitter. Manchmal fuhr Lou früh morgens mit ihm Fahrrad, bzw. sie fuhr und er lief neben her. Seine Schmerzen ließen nach; aber immer noch wachte er regelmäßig Nachts mit Abträumen auf.
Wenn ihre Eltern oder ihre Schwester hoch kamen, blieben Kitsune und Q so steif wie nur möglich liegen und spielten Plüschtier. Eine perfekte Tarnung wie sie auch in jeder Kinderserie funktionierte.
25. August.
Fröhlich und mit einem großen Stück Apfelkuchen in der Hand stolzierte Lou in ihr Wohnzimmer, ließ sich auf der Sitzbank vor dem Fenster nieder und strich Kitsune über den Kopf. „Guten Morgen, Schlafmütze.", lächelte sie ihn an. „Ich habe dir Kuchen mitgebracht.", fügte sie hinzu. Der, auf der Fensterbank- in der Sonne dösende Fuchs, öffnete flink die Augen. Auch Q, welche neben ihm schlief, tat es ihm gleich. Mittlerweile hatten sie heraus gefunden das magische, zauber Tiere nicht nur die Nahrung zu sich nehmen konnten, welche ihre normalen Verwandten aßen, sondern das sie eigentlich fast alles essen konnten. Je nachdem wie der Geschmack und der Magen des jeweiligen Tieres mitspielte. Dennoch waren Fleisch für Kitsune, und Gemüse für Q wichtige Vorrausetzungen für ein gesundes Leben und starke Kräfte.
Aber Kitsune war nicht dumm, er roch den sprichwörtlichen Braten schon. „Und den habe ich wofür verdient?", harkte er nach. Q hingegen schien es gar nicht weiter zu stören, wie ein kleiner dicker Hamster setze sich neben den Teller und biss ein großes Stück aus dem Gebäck.
„Naja, ich habe ja heute Geburtstag.", begann sie, wurde aber sogleich von dem futternden Nager unterbrochen: „Aff, ja! Herpfliffen Glüffwunff.", Kuchenkrümel fielen ihr beim sprechen aus dem Mund.
Lou bedankte sich schnell und wandte sich wieder an Kitsune. „Ich möchte noch einmal eine Reise machen. Eine zwischen den Zeilen. Jetzt wo du wieder fit bist.", sie schaute ihn mit einem bettelnden Blick an. Der Fuchs schien zu überlegen. Letzes mal lief es nicht so günstig, da war er aber auch verletzt gewesen. Das mal davor lief es allerdings ebenso ungünstig, schließlich kamen daher die besagten Verletzungen. Aber trotzdem war es seine Kraft, seine Magie, gar seine Bestimmung durch die Bücher zu reisen. „Und wohin möchtest du?", fragte er schließlich. Aber seine menschliche Freundin zuckte nur mit den Schultern. Sie wusste selbst noch nicht, welches ihrer Lieblingsbücher sie einmal Live erkunden möchte. Aber eines wusste sie: eines Tages möchte sie Oswald wieder treffen, sofern er noch lebte.
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Die Abenteuer von Lou & Q ( Band 1: Zwischen den Zeilen)
Teen FictionEin Ei, mit einem mysteriösen Geisterwesen, lässt den langweiligen Alltag von Lou Kopfstehen. Ohne je Erfolg gehabt zu haben, fragt sich die Achtzehnjährige, wo ihr Platz in der Welt ist. Schon immer wusste sie, das sie anders war als die Menschen u...