Kapitel 7 - Die KI

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Wichtig: Die meisten Namen in dieser Geschichte basieren auf englischer Aussprache. Spätestens ab hier sollte diese Information im Hinterkopf bleiben.

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"Die Präsidentin von Terra?", wiederholte Jay verdutzt. "Ganz recht", antwortete Caroline ruhig.

Caroline Smith war mit 32 Jahren deutlich jünger als der Durchschnitt der Politiker. Ihre Karriere verdankte sie ihrer Fähigkeit, höchst präzise Prognosen zu globalen Ereignisketten zu treffen und in Krisensituationen besonnen und ruhig zu handeln.

Äußerlich war sie stets schlicht, aber zu jedem Anlass passend gekleidet, ihr Gesichtsausdruck verzog sich selten, und so war es auch jetzt. Ihre Augen blickten uns ausdruckslos entgegen, ihre Mimik wirkte wie versteinert. Dennoch klang ihre Stimme freundlich. "Vielen Dank übrigens, dass ihr darauf verzichtet habt, die Soldaten zu töten. Ich muss euch beglückwünschen, das war... keine alltägliche Leistung. Die anderen..." Für einen Moment zog ein Schatten über ihr Gesicht. "Die anderen sind leider nicht so rücksichtsvoll."

Jay wirkte von der Situation vollends überfordert. Abwechselnd hob und senkte er die Waffe, anscheinend unsicher, was er von der Situation halten sollte. Mir ging es ähnlich. Nicht nur, dass die Herrscherin des Planeten vor mir stand, nicht nur, dass besagte Herrscherin ohne Leibgarde unterwegs war, nein, noch etwas passte nicht. "Sie sind ein Mensch", stellte ich langsam fest.

Die Stimme von Mrs. Smith klang erheitert, dennoch verzog sie keine Miene. "In der Tat, Mr. Messner", sagte sie. "Ich muss sagen, ich hatte erwartet, Sie hätten eine bessere Auffassungsgabe." "Aber wir sind einer KI her." Das Szenario ergab keinen Sinn. "Warum sind Sie...? Was hat das...?" Mir fiel nicht einmal mehr eine passende Frage ein.

"Ich denke, ich kann ein wenig Licht ins Dunkel bringen." Nun spielte ein leichtes Lächeln um die Mundwinkel der Präsidentin. "Tatsächlich bin ich Caroline, künstliche Intelligenz der Klasse C, Schutzherrin der Erde. Zugleich bin ich auch Caroline Smith, Präsidentin der globalen Föderation. Ich hoffe, wir können gemeinsam zu einer diplomatischen Lösung finden." Sie streckte uns die Hand entgegen. Sie war unbewaffnet. "Die Geschichte muss nicht immer nur in Blut geschrieben werden, oder?"

"Nicht immer, aber heute schon." Shepard stand hinter Caroline. Während ich sah, wie sich ihre Augen vor Schreck weiteten, nahm er Shen die Schrotflinte aus der Hand, richtete sie auf den Rücken der Präsidentin und drückte ab.

Ich sah den Schmerz in ihren Augen. Ein Schleier schien sich von ihr zu heben. "Wer...", flüsterte sie, während sie zu Boden ging. Ihr Blick fand mich, flehend starrte sie zu mir auf. "Wer bin ich?", fragte Caroline Smith und starb.

"War das wirklich nötig?" Ich blickte weiterhin auf die tote Präsidentin, die in einer sich ausbreitenden Blutlache auf dem Boden lag. Meine Frage richtete sich an Shepard.

"In der Tat, das war es." Seine Stimme war ganz ruhig. "Sie haben Sie einfach erschossen", sagte ich leise. "Ihr nicht einmal die Chance gegeben, sich zu rechtfertigen. Sie war unbewaffnet, wollte verhandeln, und Sie haben sie erschossen!" Zum Ende hin wurde ich immer lauter. "Ist das etwa die Vorgehensweise der Union? Wenn ja," Ich wurde ganz ruhig, "dann bin ich draußen."

"Ich kann nicht erwarten, dass Sie sich mit unserer 'Vorgehensweise' auskennen", entgegnete der Commander ruhig. "Noch kann ich erwarten, dass Sie mir bei Ihrer minimalen Erfahrnug mit dem realen Militär den gebührenden Respekt entgegenbringen. Aber ich sage Ihnen das Folgende nur einmal, also merken Sie es sich: Sie sind Besitz der Union. Natürlich nicht die organischen Teile. Wenn Sie also gehen wollen, dann nur zu. Geben Sie Ihre Prothesen und Ihr Implant ab, dann kann das, was danach noch von Ihnen übrig ist, jämmerlich vor sich hin vegetieren. Verstanden?"

AbbadonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt