Redebedarf ? !

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Das ganze Wochenende war ihm Penny in ihrem Abendkleid, wie sie in Bens Armen lag, nicht aus dem Kopf gegangen. Das Gruppenfoto von seinen Kollegen hatte er bereits am Freitag Abend noch umgelegt, aber der Kopf setzte sich über die nicht vorhandenen visuellen Eindrücke hinweg. Selbst die sonst so erholsamen Arbeiten in seinem Garten oder die Spaziergänge an der Küste hatten seinen Kopf nicht davon befreien können.

Da half es nicht viel, dass sein Arbeitstag am Montag morgen mit Ben begann, als sie den Notruf kriegten, dass ein altes Fangnetz an den Klippen angespült worden sei. Hauptfeuerwehrmann Steele war der Meinung, dass er alleine fahren sollte, da Penny Venus noch durchchecken und Elvis Jupiter waschen musste.

Wenigstens hatte er Penny gegenüber seinen normalen, kameradschaftlichen Tonfall zurückgewonnen.

Kaum war das Tor von Titans Stellplatz in der Küstenwache geöffnet, gab Ben Vollgas - in jeder Hinsicht.

"Penny sagte, dass sie dich am Freitag Abend noch getroffen hat. Ging es dir nicht gut? Du warst so schnell auf und davon?", fragte er unschuldig.

"Es war einfach nur eine lange Woche."

"Sieh an, unser Held aus Leidenschaft ist auch einmal überarbeitet", wandte Ben schmunzelnd ein, doch Sam beschloss es zu ignorieren."Penny ist eine tolle Frau. Für so eine könnte ich glatt sesshaft werden."

"Hör mal Ben, wir sind hier auf einem Einsatz und ich denke, wir sollten uns darauf konzentrieren."

"Schon klar", erwiderte er lächelnd, merkte aber, dass er einen wunden Punkt bei Sam getroffen hatte.

Sie erreichten die Stelle und entdeckten das Netz. Schnell hatten sie es zu packen bekommen und alle Fische und Krebse befreit, während sie es ins Boot zogen.

"Dann wollen wir mal wieder auf unsere Posten zurück", wandte Ben ein, als sie das Netz im Rumpf verstaut hatten und startete den Motor."Willst du nicht demnächst mal mit uns ins Kino gehen? Du musst nicht zu Hause hocken, wenn wir Singles doch zusammen halten können."

"Danke Ben, aber ich brauche keine Almosen und ich will nicht das 5. Rad am Wagen sein."

"Das 5. Rad?", fragte er sichtlich verwirrt, als er Titan wieder in seine Halle zurücksetzte. Diese gespielte Unschuld ließ Sam innerlich kochen.

"Hör mal, Ben. Ich weiß nicht, was du dir dabei denkst, so mit einer Kollegin umzugehen, aber solltest du deine Masche mit Penny genau so abziehen, wie mit deinen anderen Läsionen, und es wirkt sich auf eure Zusammenarbeit aus oder macht sie unglücklich, dann kriegst du ein ernsthaftes Problem mit mir."

Ben war von Sams Ansprache so überrannt, dass er einen Moment nichts zu sagen wusste, außer ein kurzes:"Ja Chef.", als sein Vorgesetzter nun aus dem Boot stieg und sich in Windeseile den wasserdichten Overall auszog, bevor er aus der Tür ging und auf Merkur davon brauste.


Penny rollte grade den Wasserschlauch zusammen. Die Ausrüstung in Venus war überprüft und alles lupenrein sauber. Sie hängte den Schlauch in die Halterung an der Wand, als ihr Handy klingelte.

"Hallo Ben, was gibt es?"

"Ich hatte grade eine Begegnung der dritten Art. Du hattest Freitag Recht. Sam ist wirklich sehr seltsam."

"Wieso? Ist was passiert?", fragte sie alarmiert und ihr Herz schlug vor Angst schneller.

"Nein, nein. Der Einsatz ist gut gelaufen. Du hattest dir am Freitag so Gedanken um ihn gemacht, dass ich ihn am Rückweg gefragt habe, ob er nicht mal mit uns ins Kino gehen wolle, damit er nicht immer alleine zu Hause hängt."

"Ben, er hat hier in Pontypandy Freunde und Familie. Er ist sicher nicht immer alleine."

"Na aber man muss ja auch mal andere Gesichter sehen oder?" Da konnte sie ihm nicht widersprechen."Und du hast ja selbst gesagt, dass ihm irgendwas über die Leber gelaufen sein muss."

"Ben, komm zum Punkt. Ich bin im Dienst."

"Meinst du ich nicht?"

"Na du hast aber auch nicht Steele im Nacken." Sie hörte ihn am anderen Ende laut lachen.

"Stimmt. Also, auf meine Frage sagte mir Sam, dass er keine Almosen haben und nicht das 5. Rad am Wagen sein wolle." Das 5. Rad? Was dachte Sam, was sie machten, wenn sie ins Kino gingen?"Er hat mir eine ziemliche Predigt gehalten, dass ich nicht so mit dir umgehen solle, wie mit meinen anderen....Geschichten. Er sagte, wenn sich das negativ auf unsere Zusammenarbeit auswirke oder dich unglücklich mache, dann würde ich große Probleme mit ihm kriegen", erzählte er dann weiter.

"Ich hoffe, du hast es richtig gestellt?"

"Ich kam nicht dazu. Er hatte sich so schnell umgezogen und ist verschwunden, dass ich keine Gelegenheit hatte. Aber ich denke, du solltest mal mit ihm reden."

"Wieso ich?"

"Penny, du hattest immer nur Augen für Sam. Und wenn du mir als Freundin nicht so wichtig wärst, könnte es mir egal sein. Aber ich will, dass du glücklich bist und Sam auch."

"Was sollte Sam's Glück mit mir zu tun haben? Er liebt nur seine Arbeit."

"Ich glaube eher, dass er sich dahinter versteckt, Penny. Du hast Sam nicht in die Augen gesehen bei seiner Ansprache."

In der Ferne hörte sie Merkur näherkommen und im nächsten Moment ging die Sirene los.

Steeles Stimme verkündete über den Lautsprecher, dass Norman mal wieder mit dem Kopf in einem Zaun hing und schickte Penny mit Venus los. Sam würde direkt zur Einsatzstelle fahren.

Während sie sich Helm und Jacke schnappte und in Venus sprang, fragte sie sich, ob es wirklich sein konnte, dass sie Sam in all den Jahren doch aufgefallen war. Er hatte sich nie anders als kollegial gezeigt, hatte immer seine Arbeit in den Vordergrund gestellt, als wäre sonst für nichts Zeit. Er war pflichtbewusst und liebte seinen Job, war immer für alle da. Vergaß er darüber hinaus tatsächlich, was wirklich wichtig war im Leben?

Andererseits war sie nicht anders. Sie liebte ihren Job genau so, bemühte sich, während der Arbeit stets professionell aufzutreten. Als Frau musste man das sein, sonst wurde man in dieser Männerdomäne ganz schnell untergebuttert, wie sie auf ihrer ersten Dienststelle in Newtown schmerzlich festgestellt hatte. Daher war auch sie noch alleinstehend - die Männer kamen nicht mit ihren Arbeitszeiten klar und besonders nicht dass sie ihren Mann stehen konnte.

Heldenhaft schüchternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt