IV

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- is it better to out-monster the monster or to be quietly devoured? - // Friedrich Nietzsche, Good and Evil
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pov: gabriel

"Mom, wir machen los!",  ruft Austin und zieht sich seine Schuhe an. Ich werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und richte den Pullover, der auf meinen Schultern ruht. Der Mann, der mir entgegenblickt, hat nicht viel mit dem Menschen zu tun, der ich in Wirklichkeit bin, aber das schlichte  Auftreten verschafft mir hoffentlich die Möglichkeit, mit der breiten Masse zu verschmelzen.

Ich will auf keinen Fall auffallen.

"Wohin geht ihr?", höre ich die Stimme meiner Mutter aus dem Gästezimmer und ich folge ihrem Klang.

"Party", murmele ich, als ich den Kopf durch die Tür stecke und sehe, wie sie ihre Habseligkeiten in dem Zimmer verteilt. Mein schlechtes Gewissen  überkommt mich, dass ich sie direkt am ersten Abend alleine lasse, anstatt ihr zu helfen.

Sie hebt ihren Kopf und sieht mich an, ein mildes Lächeln ziert ihre Lippen. "Viel Spaß, mein Liebling. Und guck nicht so grimmig, davon bekommst du Falten." Sie  steht auf und streicht mir mit dem Daumen über die Falte, die sich zwischen meinen Augenbrauen gebildet hat. Ich nicke, dann nimmt sie mir die Tür aus der Hand.

"Bis später, Mom", sage ich noch, dann schließe ich wieder zu Austin auf. "Bis später, Hannah."

"Habt Spaß, Jungs", antwortet diese und mein Cousin greift sich die Schlüssel zu seinemWagen, bevor wir gemeinsam das Haus verlassen. Sein schwarzer Mercedes parkt in der Einfahrt und das leise Hupen verdeutlicht, dass Austin ihn soeben geöffnet hat. Während ich mich bereits in das Innere des Wagens begebe, öffnet er noch einmal den Kofferraum und kommt mit drei Flaschen Bier schließlich zur Fahrerseite.

"Wegbier", grinst er und drückt mir eine Flasche in die Hand. Die anderen beiden lässt er in meinen Fußraum gleiten, dann startet er den Motor und wir rollen vom  Hof.

Sicher lenkt er den Wagen durch die Straßen der kleinen Stadt und nur wenige Minuten später kommen wir vor einem eindrucksvollen Haus zum Stehen. Sind denn alle in dieser Stadt so verflucht reich? Als Kind ist mir das nie aufgefallen, aber hier scheinen die Menschen wirklich Geld zu scheißen. Ich angele nach dem Feuerzeug in meiner Hosentasche und öffne damit die Flasche in meiner Hand, um direkt danach einen großen Schluck zu nehmen. Austin tippt nebenbei auf seinem Handy herum und nur wenige Augenblicke später öffnet sich die schwere Tür des Hauses und ein junges Mädchen kommt heraus. Ich wende den Blick schnell ab und drehe meinen Kopf zu Austin.

"Nicht dein Ernst", sage ich.

"Was meinst du?" Er gibt vor, nicht zu Wissen, was ich meine. Ich greife auf seine Seite der Tür und verriegele das Auto. Ich muss sagen, was ich zu sagen habe, ohne zu riskieren, dass das Mädchen meine Worte hört.

"Das ist ein Kind, Mann", murre ich. Auch wenn Chloes Körper nicht aussieht wie der einer 15jährigen, in ihrem Gesicht kann man es deutlich ablesen.

Austin schüttelt nur den Kopf, entriegelt die Türen wieder und zeitgleich öffnet Chloe auch die hintere Tür der Fahrerseite. Mit einem schrillen "Hallo" von den viel zu grell geschminkten Lippen lässt sie sich auf die Rückbank fallen. Nachdem sie die Flasche Wein aus ihrer Hand abgelegt hat, zieht sie sich an Austins Sitz nach vorn und drückt ihm zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Dann lässt sie sich zurückfallen und würdigt mich keines Blickes. Passt perfekt in den ersten Eindruck, den ich von ihr habe.

Also nehme ich nur einen weiteren Schluck von meinem Bier, als Austin erneut losfährt und denke mir meinen Teil. Sie wird nicht lange an der Seite meines Cousins bleiben, so viel ist mir bereits jetzt klar.
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