Kapitel 7

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Draco sah an sich herunter. Er war sich nicht sicher, was der Dresscode in einem Labor war, oder ob es ihn gab. Wenn es ihn gab, da war er sich recht sicher, gehörte seine Kleidung mit Sicherheit nicht dazu. Andererseits hatte er sich mit Hermine schon unzählige Male getroffen, wenn sie gerade aus dem Labor kam und ihm war nie aufgefallen, dass sie besondere Kleidung trug. Sie waren immer bunt und fröhlich, sehr jugendlich, als wollte sie zeigen, wie lächerlich sie es fand, dass sie angeblich erwachsen war. Oder vielleicht wollte sie sich ganz bewusst von der anderen Hermine aus dem Paralleluniversum differenzieren. 

Die andere Hermine, die es gab. Draco hatte das immer noch nicht ganz verarbeitet. Letzte Woche hatte sie es ihm bestimmt dreimal erklärt, auf seine Bitte hin immer wieder berichtet, wie der Unfall passiert war, wie sie sich zuerst als ihr Gegenstück ausgegeben hatte, dann aber doch reinen Tisch gemacht hatte und wie sie wieder zurück gereist war. Noch einmal und noch einmal hatte sie beschrieben, wie sie dort drüben gemeinsam lebten, bis Draco irgendwann das Gefühl hatte, dass es zumindest in Ansätzen zu ihm durchgedrungen war. 

Dann hatten sie sich eine Weile lang angeschwiegen, während sie beide in Gedanken versunken gewesen waren. Anschließend hatte Draco um ein wenig Zeit gebeten, um das alles zu verarbeiten, die Hermine ihm ohne zu zögern gewährt hatte. Sie hatte sich auch mehrfach dafür entschuldigt, es ihm so lange vorenthalten zu haben. Aber Draco konnte es ihr nicht wirklich vorwerfen, er hätte an ihrer Stelle auch nicht gewusst, wie er so ein Gespräch anfangen würde. 

Also hatten sie ihre Pizza in den Ofen getan, einige Runden Zauberschnippschnapp gespielt, mehrere Buchempfehlungen ausgetauscht, was Hermine dazu gebracht hatte, ihm eine Stelle aus ihrem aktuellen Lieblingsbuch vorzulesen, was ein bisschen ausartete, bis sie sich mehr oder weniger in einem spontanen Improvisationstheater befanden, in dem sie so eifrig steckten, dass sie sich erst wieder an ihre Pizza erinnerten, als Stibbons grummelig an ihre Tür klopfte, um sich zu beschweren, dass es im Flur verbrannt roch. 

Obwohl sie es versuchten, konnte keiner der drei die Pizza noch retten, also schlug Hermine vor, sie könnten zum Inder an der Ecke gehen, was sie dann auch gemacht hatten. Keiner von ihnen hatte das Thema Paralleluniversen an diesem Abend noch einmal angeschnitten, aber Draco hatte die Gelegenheit genutzt, die beiden weiter über Zeitreisen auszufragen, was zweierlei Folgen hatte: erstens war Stibbons' miesepetrige Laune einer hellen Begeisterung gewichen und zweitens war Draco nach dem Essen mit einer Einladung nach Hause gegangen, im Labor vorbeizuschneien, wann immer es ihm passte, aber möglichst bald. 

Und genau dort war Draco eine Woche später: auf der Türschwelle des Labors, wo er vor zwei Monaten schon gestanden hatte, damals unsicher, ob er das Richtige tat. Und heute unsicher, wie es weiter gehen würde. 

Es war wirklich nicht schwer zu erraten, worüber Draco die ganze letzte Woche nachgedacht hatte. Man erfuhr nicht alle Tage, dass es ein Paralleluniversum gab, in dem man ein gänzlich anderes Leben führte. Hermine hatte nur in Ansätzen von diesem anderen Leben erzählt: er wusste, dass sie dort beide im Ministerium arbeiteten und dass sie verheiratet waren. Es klang nach einem idyllischen, glücklichen Leben und Draco hatte seitdem immer wieder abends wach gelegen und diese beiden Leben miteinander verglichen. Dort eine Heirat mit Mitte zwanzig, mit romantischen Motiven, eine glückliche Ehe und ein gutes Leben. Hier eine Heirat mit gerade mal zwanzig, mit alles andere als romantischen Motiven und eine Ehe, die nach kurzer Zeit auseinandergebrochen war. 

Draco war schnell zu dem Schluss gekommen, dass er dieses Universum um nichts in der Welt gegen das andere tauschen würde, aus dem einfachen Grund, dass er sich nicht vorstellen konnte, in einer Welt zu leben, in der sein Sohn nie geboren worden war. Aber das drum herum, das beschäftigte ihn sehr. 

Also hatte er beschlossen, dass er mehr darüber erfahren wollte. Das war einer der Gründe, wieso er sich einen Mittwochnachmittag freigeschaufelt hatte, um das Labor zu besuchen. Der andere war, wenig überraschend, seine Neugier, es von innen zu sehen. 

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