Kapitel 1

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Wenn man gesagt hätte, dass Draco Malfoys Leben völlig normal verlaufen wäre, dann wäre das eine Lüge gewesen. Hätte man jedoch behauptet, es bestünde aus einer Aneinanderreihung von ungewöhnlichen Ereignissen, dann hätte man ebenso falsch gelegen. 

Sicher, da war eine Kindheit im Hause Malfoy, eine unruhige Zeit in Hogwarts und ein Krieg. Aber im August 2006 fühlte sich Draco nicht wirklich so, als hätte er ein ungewöhnliches Leben - im Gegenteil, es war vollkommen normal. Bis es an seiner Tür klingelte. 

Er war gerade dabei, einige Unterlagen zu sortieren, die schmale Lesebrille, die er sehr zu seinem Ärgernis tatsächlich brauchte, war bis auf seine Nasenspitze hinuntergerutscht und seine Haare vermutlich etwas zerzaust. Nicht dass er in den Spiegel geschaut hätte, als er gedankenverloren zur Haustür lief, die Augen noch auf einen Brief gerichtet, den er eigentlich gerade beantworten wollte. 

Im Kopf formulierte er schon die ersten Zeilen, während er die Tür öffnete. Er sah von seinen Unterlagen auf und blinzelte überrascht. 

"Hallo?", fragte er mehr als er sagte, denn die offensichtlich sehr nervöse junge Frau auf seiner Türschwelle war doch jemand, mit dem er nicht gerechnet hätte. 

"Draco.", sagte sie und klang merkwürdig erleichtert. Dann schien ihr etwas einzufallen und sie korrigierte sich: "Malfoy, entschuldige. Ich..." Sie zögerte, wusste offenbar nicht so recht, was sie sagen sollte. 

Draco schob die Pergamentstücken in seinen Händen zusammen und richtete sich etwas auf. 

"Hermine Granger.", sagte er überrascht. "Mit dir hatte ich nicht gerechnet." 

Draco dachte von sich selbst oft, dass er sich sehr verändert hatte in den letzten Jahren. Er war nicht mehr der Junge aus der Schule, er war erwachsener geworden und wenn er sich selbst im Spiegel betrachtete, dann fand er, dass man das auch sah. 

Hermine Granger hingegen sah immer noch genauso aus, wie am Ende ihrer Schulzeit. Es wirkte ein bisschen, als wäre ihr erwachsenes Ich wieder in den Körper der Achtzehnjährigen gefallen und hätte verzweifelt versucht, den jugendlichen Kleiderschrank und die langen, unbändigen Locken in einen erwachsenen Stil zu verwandeln. Es irritierte Draco, dass sich der Stil, den sie haben wollte so offensichtlich von dem unterschied, den sie zu haben schien. Und dazu kam diese furchtbare Nervosität, an die er sich nur aus den Prüfungszeiten erinnern konnte und die damals schon alle in den Wahnsinn getrieben hatte. 

Draco konnte nicht umhin, ein wenig neugierig zu sein, was die immer noch nach Worten suchende ehemalige Schulkameradin auf seiner Türschwelle tat. Kurz dachte er an die Berge von Arbeit, die sich auf seinem Schreibtisch türmten und daran, dass er am Wochenende definitiv keine Zeit haben würde, sich damit auseinanderzusetzen. Dann schob er den Gedanken daran entschlossen weg und trat ein Stück zurück, die Tür weiter auf haltend. 

"Was hältst du von einem Tee?", fragte er. 

Hermine Granger - Draco fand es ein bisschen lächerlich mit ihrem vollen Namen über sie nachzudenken, aber während er sich nicht dazu bringen konnte, zum abschätzigen "Granger" zurückzukehren, war "Hermine" auch hinter einer Grenze, die er ungern überschreiten wollte - zögerte noch kurz, dann trat sie ein. 

Während sie Draco in die Küche folgte, sah sie sich mit großen Augen um. Bei einigen Einrichtungsgegenständen schien sie zu lächeln, über andere runzelte sie die Stirn. Es war amüsant zu beobachten und erinnerte ihn ein wenig an seine gute Freundin Pansy, als sie zum ersten Mal nach seinem Umzug hier gewesen war. Sie hatte ebenfalls alles kritisch beäugt und bei allen Gegenständen überlegt, ob sie sie aus dem alten Haus kannte oder ob er sie neu gekauft hatte. Nur, dass Hermine Granger das ganze schweigend tat, während Pansys erster Rundgang von einem laufenden Kommentar begleitet gewesen war. 

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