Kapitel 2 - Die Erinnerung der Zeit

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Damals wachte ich mit einem seltsamen Gefühl auf. Es war der 07. Dezember 2007. Der Tag an dem ich wohl oder übel mein erst kürzlich dazu gewonnenes Heim wieder verlieren würde. Damals hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was wohl geschehen würde. Ich sah es einfach als einen weiteren Abschied an. Etwas, was nicht von dauer ist, mit der Aussicht zu Monika, meiner Freundin zurück zu kehren. Leider wusste ich damals nicht, das ich sie nie wieder sehen würde. Eine Frau ging zu mir ans Zimmer und klopfte laut gegen die Tür. Ich sah auf und sagte deutlich, das sie eintreten dürfte. Sie öffnete die Tür. Eine zierliche, vielleicht gerade mal 1.50m große Frau betrat das Zimmer zusammen mit einer etwas resoluten Dame, welche in etwa 1.70m groß war. Beide traten ein. Ich, das kleine blonde Mädchen sah zu ihnen auf. Ich erinnere mich nur vage daran. Sie grüßten mich. Die kleinere Frau musste sich wohl damals auch zu mir runter gebeugt haben. Ich sah beide begeistert an. Meine Kindliche neugier siegte über meinen Verstand. Ich grinste die Frau an und sprang ihr förmlich um den Hals. Das war eine meiner wenigen die ich hatte. Ich konnte mich in Bezug dessen, anderen Leuten nicht einfach in den Hals zu fallen, nicht zurückhalten. Damals wie die mich viel Zeit welche ich damit verbringen konnte einfach mal Liebe zu erfahren. Die beiden Frauen brachten mich, mit samt meinen Koffern welche ich gepackt hatte, zum Parkplatz der Kinder Jugendpsychiatrie und ließen mich in ihren Wagen einsteigen. Ich wusste dass ich sicher sein würde, denn die Ärzte der Psychiatrie sagte mir das diese Menschen mir helfen wollen würden und ich dort ebenso gut Leben könnte wie anderswo. Ich stieg in das Auto ein und dann fuhren wir die Autobahn hin ab. Aus dem beschaulichen Weserbergland flüchtete ich so gesehen in die Lüneburger Heide. Auf dem Weg an Bad Nenndorf vorbei kamen wir auch nicht umhin den Burger King zu sehen. Ich streckte meinen Finger zu dem Fenster und sagte laut:

"BK da!"

Die Frau welche auf dem Beifahrersitz saß drehte sich zu mir um und fragte mich was denn BK wäre. Ich lachte und sagte wieder nur laut:

"BK da!"

Abermals fragte sie mich:

"Was ist denn BK?"

Da begriff ich dass diese Frage an mich gerichtet war und ich erklärte ihr dass ich damit den Burger King meinte. Ich fügte dann noch hinzu dass meine Mutter Burger King immer mit BK Abkürzte. Es war also eine Erinnerung von meiner Mutter, welche mir geblieben war und mir nicht einfach genommen werden konnte. Wir fuhren weiterhin ab auf dem Zubringer, der A352, über Hannover richtung Allertal. Wir standen mehrere Minuten im Stau, es könnte vielleicht auch etwas mehr gewesen sein. Mir war nicht bewusst dass die Fahrt eigentlich nur zwei Autostunden Stunden gedauert hatte. Für mich kam sie wie eine Ewigkeit vor. Mit jedem Meter den das Auto zurück legte wurde die Region immer unbekannter und in meinem Herzen schwelte immer mehr die Angst meine Eltern nicht mehr wiederzusehen. Es kostete mich einige Überwindungskraft mich dort wo ich nun niedergelassen hatte einzufinden. Man erzählte sich in dem Dorf wo ich lebte einige Geschichten. So auch die der "Prinzessin von Ahlden" und "Der Würger vom Lichtenmoor". Damals habe ich selbst nur etwa zwei Kilometer vom Wolfstein entfernt gelebt. Es war eine beschauliche Gegend und in der Nähe befand sich die Schottenheide. Direkt an dem Gelände von dem Kinderheim wo ich lebte war ein Wald. Hinter dem Wald schlängelte sich die Aller durch das Tal und Felder umrahmten den Hof auf welchem ich großgezogen wurde. Ein Bauer welcher ebenfalls seine Felder bewirtschaftete, sollte man auch gut aus dem Fernsehen kennen. Die Erzieherin welche mich abgeholt hatte, war eine freundliche Frau. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und sie war mir als "Koordinatorin" zugeteilt worden. Das hieß also dass sie sämtliche Dinge verwaltete welche irgendwie mit mir im Zusammenhang standen, ob es nun Gelder, Einkäufe oder auch Interne Probleme waren. Da ich zu der Zeit unbeschulbar war, wurde ich von ihr privat im Mühlenhof unterrichtet. Ich lernte Rechnen und Schreiben und baute meine Fähigkeiten zu Lesen aus. Multiplikation und Dividieren fielen mir schon immer schwerer. Ich begann damit mich in Fantasiewelten zurückzuziehen. Irgendwo war dies mein Rückzugsort, welchen ich geschützt sehen wollte. Ich erlebte einige Maßnahmen welchen ich zugeführt wurde. Ich erinnere mich an meine ersten Tage auf dem Mühlenhof. Alle die dort lebten waren über 16 Jahre alt und dann kam ich als Siebenjährige und sprengte damit jeglichen Rahmen. Einige der Erzieher dort wussten gar nicht richtig mit mir umzugehen, da sie anscheinend keinerlei Ahnung von Kindern in meinem Alter hatten oder nicht dazu ausgelegt waren. Ein recht junger Mann da muss um die 16 oder 17 gewesen sein und schaute mich immer wieder an. Er hieß René. Es schien fast so als wollte er mir schöne Augen machen. Ich war ein junges, naives Kind welches Zärtlichkeiten anderer Menschen suchte und somit auf einen Menschen herein fiel. Als er mir Zuneigung und Liebe  brachte, sah ich es nicht als eine Gefahr an. Ich sah in René endlich den Menschen, den ich seit ich von meinen Eltern fortgerissen wurde gesucht hatte. Es begann alles in meinen Augen harmlos. Wir küssten uns und kamen uns so auch irgendwann näher. Für mich war dies eine Art der Liebe welche ich zwar zuvor noch nie gespürt hatte, aber mir dennoch sehr nahe ging und mich mit Glück durchströmte. Ich selbst habe nie mehr gespürt als diese Berührungen die mir ein Gefühl von geborgenheit gaben. Ich wollte immer Umarmt werden. Das diese Art der Liebe und Zuneigung falsch war, war mir in diesem Moment nicht mal bewusst. Nie hatte man es für nötig gehalten mich über so etwas aufzuklären. Für viele war ich einfach nur zu jung. Ich geriet in einen Menschen welcher meine Gutgläubigkeit ausnutzte. Mein erstes Mal hatte ich im Alter von neun Jahren. Ich weiß noch wie ich auf dem dreckigen Boden lag und er sich über mich beugte. Ich entzog mich ihm etwas, aber er küsste mich und überredete mich zu bleiben. Er drohte mir auch, zu sagen, das Ich ihn hätte verführen wollen und ich dafür ärger bekommen könnte. Er zog mir dann meine Hose aus und legte sie neben mich ins Gras. Wir hatten uns hinter dem Schuppen am Brunnen versteckt um nicht gefunden zu werden. Ich ließ alles einfach so zu. Ich sah wie er seine Hose öffnete und sich sein bestes Stück ans Tageslicht schob. Er beugte sich über mich, umspielte meinen Intimbereich und leckte auch darüber, um besser in mich gleiten zu können. Vor meinem inneren Auge spielt sich alles ab wie in ein Krimi. Ein richtig schlechter mit schwarzem Humor noch dazu. Ich glaube man könnte diese Handlung durchaus auch als eine Vergewaltigung ansehen. Mehrfach traf ich mich mit ihm, zu dem Zeitpunkt schon eher unwillentlich. Ich erinnere mich nicht an alle Male, aber oft genug um zu wissen dass es mehrfach war. Einmal hatten wir es beim dem alten, stillgelegten Brunnen. Es war mein erstes Mal und schmerzhaft gewesen. Ein weiteres Mal hatten wir uns in die Stallgasse zurückgezogen und das Sofa genutzt. Auch hier qäulte ich mich eher, und versucht mich von ihm zu lösen. das ging über das übliche Kuschen, was ich wollte hinaus. Auf einer Seite bin ich froh dass wir das andere Mal, das ist das dritte und letzte mal an dass ich mich erinnern kann, inflagranti erwischt wurden. Brigitte habe ich es heute zu verdanken, dass die Misshandlungen geendet haben. Er war über mir, ich mal wieder unter ihm und wir waren im Schulzimmer. Einem kleinen Raum, mit Sofa, Schulsachen, einem Computer und einem alten Fenster aus den 1950ern. Das Sofa war mit hellem Cort überzogen. Er hatte seine Hose gerade auf. Ich hatte laut los geschrien, weil ich wusste man würde mich hören. Er presste seine Hand auf meinen Mund, als er mich schreien hörte und sah mich mit einem seltsam verrückten Blick an. Er zog die Hose von mir weg und ich schrie wieder. Er zog seinen Penis raus und wollte gerade loslegen, als Brigitte die Tür aufzog. Sie sah ihn. Schnell ließ er von mir ab und Brigitte zog ihn von mir weg. Ihre hysterische Stimme drang nur langsam in mein Bewusstsein. Ich weinte. Welche Strafe René für dieses Verhalten bekommen hatte ist mir nicht bekannt und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht so genau wissen. Klar würde ich damit befreiter Leben, wenn ich wissen würde dass er eine Strafe bekommen hat, aber so wie ich Brigitte kenne hat sie sehr hart durchgegriffen. Mein Leben nahm in diesen Zügen einige verworrene Wege an. Ich war nie jemand gewesen, der sich Gedanken darüber gemacht, einfach weil es zu jenen Zeiten noch nicht redenswert war. Ich war schon immer jemand gewesen, der nicht viel nachgedacht hatte und vieles einfach weg gelächelt hat.

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