Donnerstag. Normalerweise hätte ich heute 3. bis 8. Stunde Unterricht, doch durch eine Konferenz endet die Schule für uns schon um 13:00 Uhr. Die meisten unseres Jahrgangs sind bereits gegangen, nur Alisa, Noah und ich sitzen noch an unserem Tisch am Eingang der Pausenhalle. Genau genommen zwischen den beiden Türen des Wirtschaftraums. Wir sitzen uns gegenüber und haben von beiden Plätzen aus eine super Sicht über das gesamte Geschehen in der Halle und doch sind wir selbst eher unauffällig und ein wenig versteckt. Es ist eher eine Ecke, in die man nicht hinsieht, die recht unbeachtet ist und das gefällt mir so sehr an diesem Platz. Zudem ist neben dem Tisch eine Säule, die es schafft, uns ein wenig abzugrenzen. Alisa und ich haben die Angewohnheit miteinander zu schreiben, wenn noch andere Leute am Tisch sind, um unsere Gespräche so geheim wie möglich zuhalten. Dabei verstärken wir unsere geschriebenen Zeilen mit Blicken und manchmal ist es wirklich zu witzig, wie wir in unsere ganz eigene Kommunikation vertieft sind. Mittlerweile ist es schon kurz vor der 7. Stunde und die Pausenhalle leert sich zunehmend. Plötzlich geht die Lehrerzimmertür auf, die wir von hier aus gut beobachten können, und einige Lehrer laufen mit Blöcken und Heftern in unsere Richtung. Ein paar haben direkt ihre ganze Tasche dabei, so auch er. Seine Umhängetasche hat er auf seiner Schulter und in der rechten Hand hält er seine Tasse. Was würde er bloß ohne Kaffee machen?
Erstschaue ich weg, will nicht zu auffällig sein, merke aber wie sein Blick auf mir klebt. Als ich hinsehe treffen sich unsere Blicke, er wendet seinen nicht ab. Immer weiter kommt er auf mich zu, da die Konferenz in dem Wirtschaftsraum stattfindet, vor dem ich gerade sitze. Er lächelt nicht, ich lächle nicht, doch fühlt es sich nicht unfreundlich an. Selbst als er die Tür erreicht, die ein Kollege ihm freundlicherweise aufhält, sehen wir uns noch an. Erst als er die Türschwelle überschreitet, wendet er seinen Blick ab, das erste Mal, seitdem er aus dem Lehrerzimmer getreten ist. Ein leichter Schauer durchzieht meinen Körper, mein Herz rast, mein Blick haftet noch immer auf der mittlerweile geschlossenen Tür. Mein Handy vibriert. Alisa. >Der hat ja mal volle Kanne zu dir gestarrt!<, lese ich gefühlt 100 Mal, bevor ich meinen Kopfanhebe und sie ansehe. Es war keine Einbildung, es war kein Tagtraum... es war die pure Realität, die nicht nur meine, sondern auch Alisa's Augen wahrgenommen haben.
Kurz habe ich die Hoffnung, dass er nochmal rauskommt, entscheide mich dann aber, mit Alisa zusammen zum Bahnhof zu laufen. Dort setzen wir uns auf eine Bank und reden über die letzten Tage. Mit ihr kann man so wunderbar reden, sie hört einem zu und hinterfragt genau die Dinge, über die man am liebsten stundenlang philosophieren möchte. So auch heute, denn sie fragt mich gerade ganz direkt, was ich eben empfunden habe. Gute Frage. Was habe ich empfunden? Denn genau genommen war ich in dem Moment einfach nur bei ihm und habe alles um mich herum ausgeblendet, meine Gefühle inklusive. Ich versuche ihr zu beschreiben, wie er mich ganz in seine Welt teleportiert wenn wir uns in die Augen sehen und wie meine eigene Welt im Grau verblasst, während seine in fröhlichen Farben leuchtet. "Er schmeißt mich regelrecht in einen riesigen Farbtopf", sage ich lachend. Genau das tut er. Die leider nicht permanente Farbe ist dann eine Zeit lang noch auf meiner Haut, wird aber nach und nach von der Realität abgewaschen. Manchmal frage ich mich, ob er merkt, wie sehr ich mich in seinen Augen verliere. Was empfindet er wohl dabei, wenn wir uns so langeansehen? Was denkt er? Denkt er sich dabei überhaupt etwas?Eine gute Stunde später steigen wir in unseren Zug und fahren nach Hause. So sehr mich diese Gespräche auch aufwühlen, so gut tut es mir, darüber reden zu können. Vor allem, weil Alisa hautnah mitbekommt wovon ich spreche und gerade heute selbst gesehen hat, dass ich mir nicht einbilde, was ich erzähle. Was das alles jedoch zu bedeuten hat und ob es überhaupt eine Bedeutung gibt, das können wir beide nicht wissen.
Am nächsten Morgen fühle ich mich nicht gut, wieder ist mein Kopf wie eingenebelt, meine Augen brennen und ich fühle mich absolut schlapp. Kurzerhand entscheide ich mich, nicht in die Schule zu gehen. In letzter Zeit geht es mir vor allem so, wenn ein Wochenende bevorsteht. Meist bin ich Freitags zu nichts zu gebrauchen und würde am liebsten nur noch im Bett liegen bleiben, bis die neue Woche beginnt. Ob es wohl auch dazu beiträgt, dass mein Lehrer Freitags nicht da zu sein scheint? Möglich.
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I know it may not be - Erwachte Hoffnung
Teen Fiction"Hoffnung ist die Flamme, die ständig flackert aber nie erlischt." Ich blicke in seine eisblauen Augen, spüre wie diese Nähe mich vollkommen in seinen Bann zieht. Genauso wie seine Arme mich gerade in eine innige Umarmung ziehen, gegen die ich mich...