I know it may not be - Erwachte Hoffnung

4 - Innere Unruhe

Montag, 29.06.15 - verfasst um 17:30 Uhr

Ich bin völlig verwirrt. Ich weiß gerade weder wo oben, noch wo unten ist. Passiert gerade das was ich denke? Bin ich gerade wirklich dabei, Gefühle für ihn zu entwickeln? Gefühle für einen Mann? Ich habe noch nie einen Mann attraktiv gefunden und ich kann mir eigentlich absolut nicht vorstellen, mich in einen Mann zu verlieben. Die ganzen letzten Jahre habe ich so unter meinen Gefühlen gelitten, habe mich selbst in der Zeit verloren und bin gerade dabei, über diese Gefühle hinweg zu kommen. Bis jetzt habe ich mich immer nur in unerreichbare Personen verliebt, bis jetzt hat mich Liebe nur unglücklich gemacht. Ich habe so viel Mist erlebt in letzter Zeit, ich kann doch nicht schon wieder in mein Unglück rennen. Dass er ein Lehrer ist, das ist für mich beinahe nichts Ungewöhnliches oder sagen wir eher, mich wundert es nicht, dass ich mich in eine Lehrperson zu verlieben scheine... aber dass es ein Mann ist, das wundert mich dann doch sehr. Aber ich will das alles nicht mehr, ich will endlich aus diesem Abwärtsstrudel rauskommen. Dass er ein Mann und keine Frau ist, ändert nichts an seinem Lehrerdasein und vor allem nicht daran, dass auch er meine Gefühle nicht erwidern wird. Ich habe Angst davor, mich wieder in etwas zu stürzen, denn ich bin kein Mensch, der gut loslassen kann. Ich kann Menschen, die mir einmal wichtig geworden sind, nicht mehr so einfach gehen lassen. Mit allen Mitteln versuche ich solche Personen in meinem Leben zu halten und zerbreche an diesen Versuchen, da sie im Endeffekt doch nicht bleiben.

Wenn ich mich jetzt wirklich in ihn verliebe und ihn nicht festhalten kann... nein, das mag ich mir gar nicht ausmalen. Zumal ich ihn kaum kenne. Was weiß ich denn über ihn? Ich habe ihn ein paar Mal im Unterricht erlebt, aber Lehrer zeigen meist nicht ihr wahres Gesicht vor der Klasse. Man weiß nicht, ob er privat auch so ist. Wenn ich etwas in Sachen Lehrer gelernt habe, dann dass man sich nie so wirklich sicher sein kann, was in ihren Köpfen vorgeht und ob das, was sie einem zeigen, nicht nur eine Fassade ist. Es steht noch nicht mal fest, ob ich ihn nach den Sommerferien überhaupt wiedersehen werde. Vielleicht verschwindet er schneller aus meinem Leben, als ich bis drei zählen kann. Ich darf mich auf gar keinen Fall an ihn klammern, ich darf diese Gefühle auf keinen Fall zulassen und ausleben.

Vielleicht wird es ja auch gar nicht mehr... vielleicht bleibt es ja dabei, dass ich ihn nur mag. Immerhin habe ich bis jetzt nie tiefere Gefühle für einen Mann empfunden. ...Allerdings fand ich bis jetzt auch keinen Mann attraktiv. Und, naja, ich muss schon sagen, dass ich ihn sehr attraktiv finde... Ich bin mir nur gerade nicht sicher, ob das wirklich das richtige Wort ist, denn es klingt so oberflächlich zu sagen, dass man jemanden attraktiv findet. Für mich bedeutet „attraktiv" nicht nur „gut aussehen", sondern das Gesamtpaket von Charakter, Persönlichkeit und Ausstrahlung. Mir ist Charakter wesentlich wichtiger als Aussehen und ich versteh nicht wie man so sein und einen Menschen auf sein Äußeres beschränken kann.

Immer noch völlig neben der Spur wache ich am nächsten Morgen auf. Etwas angespannt mache ich mich auf den Weg zur Schule und verfalle ständig in Träumereien, in denen ich den gestrigen Tag nochmal genauestens durchgehe. Noch ein paar Minuten, dann sehe ich meinen Physiklehrer wieder. Ich bin nervös, weiß nicht so ganz wohin mit mir und meinen Gedanken. Als er kurze Zeit später um die Ecke kommt und die Klasse aufschließt, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich freue mich ihn zu sehen, doch versuche andererseits etwas runterzukommen. Ich setze mich an meinen Platz und lehne mich zurück. Meine Versuche gelassen und entspannt zu wirken, wollen aber nicht so ganz gelingen. Er setzt sich ebenfalls, sieht mich an, lächelt leicht, was ich natürlich erwider und schiebt mir einen Zettel auf meinen Tisch. Ich werfe einen kurzen Blick darauf und identifiziere ihn als meine Aufgabenstellung für die Hausarbeit. Er nickt mir kurz zu und ich bedanke mich freundlich, fast schon glücklich, denn die Aufgaben sind selbst für Physiknieten wie mich gut zu bearbeiten. Nachdem er die Anwesenheit gemacht hat fragt er mich, ob ich zu den Aufgaben irgendwelche Fragen habe und sagt mir, dass ich mindestens 9 Punkte schaffen muss, um im Zeugnis eine positive Note zu bekommen. Da ich keine Fragen habe, ist die Konversation schnell wieder beendet und er wendet sich der ganzen Klasse zu.