Ständig muss ich an das Wochenende denken, an meine Gedanken, meine Gefühle und ich habe mich immer noch nicht davon erholt. Das Schlimme daran ist, dass ich jetzt einen klaren Kopf habe und dennoch genauso denke. Jetzt ist der ganze Stress in der Schule vorbei und ich habe wieder viel zu viel Zeit, um über die verschiedensten Dinge nachzudenken, vor allem die negativen Dinge in meinem Leben. Man kann es mir irgendwie auch nicht recht machen, habe ich das Gefühl. Über zu viel Stress beschwere ich mich und über zu wenig auch, dabei kann man sich im Leben halt nicht darauf verlassen, dass einem einfach alles leicht von der Hand geht und alles so abläuft wie man es sich vorstellt. Und irgendwie wäre das doch auch ziemlich langweilig, wenn man keine Herausforderungen meistern müsste und man wüsste die guten Momente gar nicht richtig zu schätzen. Die guten Momente... Direkt fällt mir bei diesen Worten das wunderschöne Gefühl ein, welches ich verspüre, wenn ich mich kurzzeitig in den Augen eines Mannes verliere, den ich in den letzten Wochen -aus mir noch unerklärlichen Gründen- in mein Herz geschlossen habe. Mit diesem Gedanken und einem Lächeln im Gesicht stehe ich nun in der Pausenhalle und warte, bis das Klingeln den Beginn der vorletzten Unterrichtsstunde Physik in diesem Schuljahr einläutet. Als dies endlich geschieht und ich mich an meinem Platz wiederfinde, der mir mittlerweile richtig gut gefällt, spüre ich wieder diese leichte Nervosität, die ich kaum beschreiben kann. Es ist so wunderschön dort zu sitzen, sich einfach wohl und geborgen zu fühlen und fröhlich zu sein. Dieser Raum hat etwas Magisches an sich, etwas das einen runter kommen lässt, etwas unglaublich Beruhigendes. Während ich noch in meiner Gedankenwelt schwelge, hat Herr Kleeven bereits die Anwesenheitsüberprüfung gemacht und sich unserer Klasse zugewandt. Er grinst erst mit sich selbst um die Wette, wird dann jedoch ernst und nimmt ein Blatt in seine Hand, welches er schon die ganze Zeit abwechselnd zu uns ansieht. „Ich hab eben mein Arbeitszeugnis bekommen... wollt ihr mal hören?", sagt er, während er sich auf seinen Stuhl setzt und uns erwartungsvoll betrachtet. Einige antworten ihm mit ja, andere nicken nur und wieder andere sind so intensiv mit sich selbst beschäftigt, dass sie die Frage mal eben überhören. Sein Blick schweift erneut durch die Klasse, während es langsam ruhig wird und auch der letzte Schüler aufhört zu reden. Er beginnt zu lesen und von Satz zu Satz kribbelt es immer mehr in meinem ganzen Körper. Zwischendurch kommentiert er das Geschriebene mit lustigen Sprüchen, sodass schallendes Gelächter durch den Raum zieht. „Arbeitszeugnis von Herrn Cale Kleeven, geboren am [Geburtsdatum]. ... Jaa! So alt bin ich schon!", scherzt er und auch zu einigen weiteren Angaben kann er sich einen Witz oder gar Widerspruch nicht verkneifen. Immer wieder wird gelacht, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass er die Situation damit bloß überspielen möchte. Genauso wie ich mein Lachen teilweise zum Überspielen meiner aufkommenden Trauer gebrauche. Jetzt ist es wohl endgültig, Schwarz auf Weiß, dass er gehen und wirklich nicht mehr Lehrer dieser Schule sein wird. In mir baut sich Spannung auf, mir wird schlagartig schlecht und ich weiß gar nicht, wo ich hinsehen soll. Mein Kopf glüht, pocht und ich will nicht wahrhaben, dass es jetzt feststeht. Wir wollten doch noch kämpfen, uns für ihn einsetzen. Wir können doch jetzt nicht aufgeben, aber alle Ideen scheinen auf einmal so klein und weit weg und unser Ziel unnahbar. Ich wollte ihn doch so gerne noch besser kennenlernen und herausfinden, warum ich diesen Menschen so anziehend finde. Als er den letzten Satz beendet, ist es erst erdrückend still, dann Applaus. Jeder sieht unseren Lehrer an, doch keiner findet die richtigen Worte. Plötzlich ertönt eine Stimme und alle Blicke richten sich auf Aaron. „Das ist so in etwa: Sie sind ein toller Lehrer, sie sind qualifiziert und bestens geeignet, machen einen super Job ...wollen wir nicht." Von allen Seiten erhält unser Klassenkamerad Zuspruch und auch Herr Kleeven gibt ihm recht. Daraufhin fängt er an zu erzählen, was er die letzten Wochen mit der Schule und insbesondere dem Schulamt erlebt hat. „An eine Sache kann ich mich noch sehr gut erinnern, da ging es um die neue Besetzung der Schulleiterstelle. Da haben die doch tatsächlich gesagt, ich zitiere: „Im Endeffekt geht es doch nur darum, den Schülern guten Unterricht zu bieten." ... am Arsch!". Lautes Gelächter folgt seinen Worten, denn solche Ausdrücke sind wir von ihm so gar nicht gewöhnt. Nachdem wir uns wieder beruhigt haben fährt er fort: „... Ja es ist tatsächlich so. Einen Scheißdreck kümmern die sich um guten Unterricht. Jeder hat einfach nur seine eigenen Prioritäten, aber dabei geht es nicht um die Schüler, nicht um die Leute, um die es eigentlich gehen sollte. Das wollte ich jetzt nur mal sagen." Mit diesem Satz endet auch der Unterricht und alle Schüler packen ihre Sachen zusammen. Plötzlich ruft er uns noch etwas hinterher. „Nächste Stunde ist die letzte Physikstunde für dieses Schuljahr!". Zudem wünscht er uns noch einen schönen Tag und ich drehe mich nochmal zu ihm um, wie so oft in der letzten Zeit und lächel ihn an. Ein Auge lacht, das andere weint. Die letzte Stunde.. vielleicht sogar allerletzte Stunde... nächste Woche... an meinem Geburtstag... welch schönes Abschiedsgeschenk...
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I know it may not be - Erwachte Hoffnung
Teen Fiction"Hoffnung ist die Flamme, die ständig flackert aber nie erlischt." Ich blicke in seine eisblauen Augen, spüre wie diese Nähe mich vollkommen in seinen Bann zieht. Genauso wie seine Arme mich gerade in eine innige Umarmung ziehen, gegen die ich mich...