3 - Verwirrung

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Die Tage vergehen und mittlerweile haben wir den 19.06.15. In drei Tagen muss ich die Matheklausur nachschreiben und versuchen, meine Note irgendwie ins Positive zu rücken. Das Thema habe ich nun tatsächlich verstanden und die Übungsaufgaben fehlerfrei gelöst. Ich fühle mich sogar gut vorbereitet und sehe der Arbeit recht freudig entgegen.
Am Abend bekommen wir bzw. mein Vater einen Anruf von Frau Merz. Sie hat mit allen Lehrern geredet und Vereinbarungen getroffen. Allerdings gibt es ein großes Problem, denn ein Lehrer scheint nicht kooperieren zu wollen. „Der einzige der Probleme macht ist der Physiklehrer. Er fühlt sich von ihrer Tochter hintergangen, da sie anscheinend nicht ein Mal in seinem Unterricht erschienen ist und beharrt darauf, ihr die 0 Punkte im Zeugnis zu geben. Ihre Tochter muss unbedingt mit ihm reden, sonst ist alles umsonst gewesen und sie kann nicht versetzt werden. Dazu habe ich dann noch einen Vorschlag. Und zwar ist es mir als Klassenlehrerin möglich, einen Antrag zu stellen, sodass sie nicht sitzen bleibt, sondern auf Grund ihrer Krankheit die Möglichkeit bekommt, das Schuljahr zu wiederholen, ohne dass es als „sitzen bleiben" gezählt wird. Das muss ich allerdings bis nächste Woche wissen, damit ich den Antrag stellen kann. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Antrag auch genehmigt wird. Sollte das jedoch der Fall sein, ist es verbindlich und sie wird nicht in die Qualifikationsphase versetzt, auch wenn sie es im Nachhinein notentechnisch geschafft hätte."
Mein Herz rast. Er fühlt sich von mir hintergangen? Er, der netteste und coolste Lehrer, will mir die 0 Punkte geben, die meine Versetzung verhindern würden? Nein... das kann ich mir nicht vorstellen. Das muss ein Missverständnis sein. Oder doch nicht? Genau genommen kenne ich ihn kaum. Ich weiß nicht, wie er tickt. Plötzlich verspüre ich Angst. Panik breitet sich in mir aus. „Hintergangen"... das hört sich so krass an und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bekomme ich ein immer schlechteres Gewissen. Ich fange an, mir Vorwürfe zu machen. Hätte ich doch zum Unterricht gehen sollen? Ist er sauer auf mich? Wird er mit sich reden lassen? Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Mir wird abwechselnd heiß und kalt. >Montag, am Montag werde ich mit ihm reden<, sage ich vor mich hin und versuche mir das Szenario auszumalen. Wie wird er auf mich reagieren? Wird er mich abweisen? Bis jetzt konnte ich mir nichts desgleichen vorstellen, doch kann ich ihn wirklich einschätzen? Die Frage muss ich wohl verneinen. Er ist vielmehr eine fremde Person. Eine Person, die ich ein Mal die Woche für 90 Minuten als Lehrer vor mir stehen habe. Jeder weitere Gedanke macht mich noch unruhiger und auch meine Eltern bemerken, dass ich alles andere als ausgeglichen bin.

Sonntag, 21.06.15 - verfasst um 23:12 Uhr
Morgen ist es so weit. Morgen werde ich die Matheklausur wiederholen und morgen werde ich mit Herrn Kleeven reden müssen. Noch weiß ich nicht, wie ich das angehen soll und ich zerbreche mir seit Freitagabend fast ununterbrochen den Kopf darüber. Noch wenige Stunden bleiben mir, dann werde ich mit zwei Dingen konfrontiert, die mir derzeit meinen Schlaf rauben. Ich weiß selbst nicht, warum mir das so nahe geht. Ist es nur, weil davon meine Versetzung abhängt oder hängt für mich noch mehr an dem Gespräch mit ihm? Vielleicht etwas Persönliches? Ich fühle mich ihm gegenüber so schlecht. Ich traue mich auch nicht, morgen alleine zu ihm zu gehen. Deswegen habe ich mit meiner Cousine abgesprochen, dass wir in der Pause gemeinsam zu ihm gehen werden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie dieses Gespräch morgen ablaufen wird. Dennoch versuche ich jetzt mein Glück und gehe ins Bett.

Am nächsten Morgen wache ich auf und würde am liebsten einfach liegen bleiben, um der unangenehmen Situation aus dem Weg zu gehen. Möglich ist diese Wunschvorstellung jedoch nicht, also quäle ich mich aus dem Bett und mache mich fertig für die Schule. Am Bahnhof angekommen, falle ich meiner Cousine in die Arme. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zur Schule. Dort angekommen will die Zeit nicht mehr vergehen. Ungeduldig und nervös warte ich, bis es zur Pause klingelt und Sanny zu mir rüber kommt. Vom Unterricht bekomme ich deshalb recht wenig mit. Dann ist es so weit, die erste Pause hat begonnen. Mir ist richtig schlecht, kaum kann ich mich beruhigen. Plötzlich läuft Herr Kleeven an mir vorbei. Ich renne ihm hinterher und fange ihn vor dem Lehrerzimmer ab. Die Spannung steigt, wie wird er reagieren? Er wendet sich mir zu. Er lächelt. Er lächelt und grüßt mich freundlich. Mein Herz pocht, ich spüre es im ganzen Körper. Etwas verlegen spreche ich ihn an und lenke das Thema direkt auf die 0 Punkte. Auf einmal guckt er mich groß an und man kann eine leichte Rötung in seinem Gesicht erkennen. „Nein, nein, ich will dir die 0 Punkte nicht geben und ich denke auch nicht, dass du geschwänzt hast. Ne, ich fühle mich nicht hintergangen. Das Problem ist, dass du in meinem Unterricht mehr als 60% gefehlt hast. Ich MUSS dir die 0 Punkte geben, das ist so vorgeschrieben und ich muss mich daran halten. Ich will das gar nicht, ich will nicht Schuld daran sein, wenn du das Schuljahr nicht schaffst! Mir tut das echt total leid!" Ich sehe ihn an und kann kaum glauben, was er da gerade gesagt hat. Und deswegen habe ich mich so verrückt gemacht? Warum wurde ich so gegen ihn aufgehetzt? Warum wurden mir Dinge gesagt, die nicht der Wahrheit entsprechen? In mir macht sich so langsam das Gefühl von Erleichterung breit. Immer noch stehen wir voreinander und meine Cousine seitlich zwischen uns. Schon die ganze Zeit ist sie am Grinsen und auch ich kann mir, jetzt wo ich relativ erleichtert bin, kein Lächeln mehr verkneifen. Schon die ganze Zeit spielt er mit hochrotem Kopf an seinem Ohr herum. Irgendwie finde ich das sogar knuffig, aber das will ich ihm lieber nicht zeigen. „Also ich habe mit allen Lehrern sozusagen einen Deal abgeschlossen. Ich bekomme in jedem Fach die Möglichkeit noch einen Leistungsnachweis zu bringen und werde nach den Stunden, in denen ich da war und dieser schriftlichen Leistung bewertet.", sage ich immer noch leicht lächelnd. Daraufhin antwortet er, dass das anscheinend an ihm vorbei gegangen sei und er mal mit meinen restlichen Lehrern redet, wie die das mit mir handhaben. Ich bedanke mich bei ihm für das Gespräch und dass er mit sich reden lassen hat. „Nichts zu danken!", sagt er freundlich, lächelt mich noch einmal an und verschwindet im Lehrerzimmer. Erleichtert und von aller Nervosität verlassen stand ich nun da, direkt vor dem Kiosk und fiel meiner Cousine erneut in die Arme. Diesmal allerdings freudig und mit guter Laune. Die ganze Zeit habe ich mir den Kopf zerbrochen und dieses Gespräch war nicht mal 1/10.000 so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine Menschenkenntnis hat mich nicht getäuscht, er ist und bleibt nett und cool.
Allerdings will mich das nervöse Gefühl dann doch nicht ganz meiden, als mir plötzlich einfällt, dass ich in ein paar Minuten die Klausur schreiben werde. Ich bin gut vorbereitet, das ist keine Frage, doch werde ich alles Nötige während der Arbeit abrufen können? Was ist, wenn ich wieder ein Blackout bekomme? „Das darf nicht passieren!", platzt es plötzlich einfach aus mir raus. Sanny guckt mich verwirrt an und weiß gar nicht, in welcher Szene sie jetzt gelandet ist. Ich kann nicht mehr anders und lache lauthals los und versuche ihr in diesem Zustand die Umstände zu erklären. Anstatt ihr jedoch meine Gedankengänge nahe zu bringen, verwirre ich sie nur noch mehr, bis das Klingeln uns trennt. Sie muss nun leider zurück an die Nachbarschule. Zum ersten Mal seit ein paar Tagen konnte ich wieder ausgelassen lachen. Wenn die Klausur vorbei ist, habe ich endlich wieder etwas Ruhe und die brauche ich nach alldem sehr dringend.
Als Frau Merz durch die Pausenhalle "rennt", schließe ich mich ihr an und wir gehen gemeinsam in unsere Klasse. Sie teilt die Arbeiten aus und geht mit uns die Aufgaben durch. Ich spüre wie mein Hals sich immer weiter zuschnürt. Bei mindestens der Hälfte weiß ich nicht, was ich machen muss. Mir wird warm, mein Kopf glüht und ich sehe nur noch verschwommen. Ich habe so viel gelernt, war mir so sicher das alles zu können und jetzt sitze ich hier, schreibe kaum etwas auf und gebe eine Klausur ab, die auf keinen Fall im positiven Bereich sein wird. Ich könnte weinen, doch schaffe es noch, die Tränen zu unterdrücken. Verzweifelt gebe ich die Blätter ab und packe meine Sachen. „Und, haste alles gekonnt?", fragt Frau Merz als ich kurz davor bin, den Raum zu verlassen. Ich schüttele den Kopf und gehe weiter, ohne ein Wort zu sagen. Hätte ich etwas gesagt, wären die Tränen nicht mehr so freundlich gewesen, sich zurückzuhalten.
Zuhause angekommen, werde ich direkt mit Fragen gelöchert und blicke in enttäuschte Gesichter, als ich von meinem Versagen in der Matheklausur berichte. Enttäuscht bin ich auch von mir selbst, zumal Frau Merz vorher noch meinte, ich würde das locker schaffen, wenn ich die Übungsaufgaben konnte. Doch die Arbeit war ganz anders. Sie kam mir wesentlich schwerer und komplizierter vor. Der einzige Lichtblick ist das Gespräch mit meinem Physiklehrer. Wenn ich es bei ihm schaffe von den 0 Punkten wegzukommen, besteht wieder Hoffnung. Hoffnung auf eine Versetzung. Hoffnung auf ein Zusammenbleiben mit meiner Klasse. Jetzt, da in meinem Kopf wieder viel Platz für Gedanken aller Art ist, muss ich wieder an die Situation nach der letzten Physikstunde denken. Wird er wirklich gehen müssen? Als ich so viel zu tun hatte, verlor ich kaum einen Gedanken daran, doch jetzt, wo ich keine Beschäftigung mehr habe und mein Kopf beinahe wie leergefegt ist, bleibt mir wieder viel zu viel Freiraum für solche Denkweisen. Er war heute so freundlich und hilfsbereit. Teilweise kam es mir sogar vor, als wäre er etwas verlegen gewesen, weil ich ihn so direkt angesprochen habe. Aber er hat sich gefreut mich zu sehen und ist so herzlich mit mir umgegangen. Sowas bin ich von Lehrern nicht mehr gewöhnt, nach dem ganzen Mist, den ich die letzten Jahre diesbezüglich durchgemacht habe.
Dienstagmorgen. Ich habe mir fest vorgenommen, heute am Physikunterricht teilzunehmen. Gemeinsam mit ein paar Freunden gehe ich wie jeden Morgen zum Vertretungsplan, auf welchem jedoch mal wieder nichts für uns steht. Als es klingelt stellen wir uns vor den Physikraum und warten. Wir warten sogar ziemlich lange. Plötzlich überkommt mich das Gefühl, dass unser Lehrer heute nicht anwesend ist und muss kurz darauf feststellen, dass ich mit meiner Vermutung leider Recht behalte. Ein anderer Lehrer holt uns ab und wir folgen ihm zu den DV-Räumen. Als wir uns dort alle niedergelassen haben, sagt er uns, dass Herr Kleeven heute nicht kommen wird und wir uns still beschäftigen sollen. Vom einen auf den anderen Moment geht es mir fürchterlich schlecht. Gestern war doch noch alles in Ordnung, warum ist er denn heute nicht da? Ist ihm etwa was passiert? Erneut stellen sich mir Unmengen von Fragen, obwohl mich das gar nicht interessieren sollte. Wieso mache ich mir solche Gedanken um ihn? Warum kann ich mich nicht freuen, keinen Unterricht zu haben, so wie es der Rest meiner Klasse tut? Immer noch leicht niedergeschlagen begebe ich mich auf den Heimweg und muss auch die nächsten Tage feststellen, dass mein Lehrer nicht in der Schule erscheint.
Freitagmorgen. Endlich sehe ich meine Cousine wieder und erzähle ihr die Geschehnisse der letzten Tage noch einmal ausführlich und bis aufs letzte Detail. Nächste Woche müssen alle Lehrer die Noten eingetragen haben. Die Zeit wird knapp und ich weiß immer noch nicht, ob ich die Chance bekommen werde, mein Fehlverhalten auszubügeln. Als ich in der ersten Pause den Vertretungsplan aufsuche, stelle ich mit Erleichterung fest, dass er wieder da ist. Ich informiere sofort meine Cousine und wir beschließen kurzerhand, in der zweiten Pause zu ihm zu gehen und ihn erneut bezüglich meiner Note anzusprechen. Obwohl ich weiß, dass er nicht schlecht auf mich zu sprechen ist, kommt in mir immer wieder diese Nervosität hoch. Alleine der Gedanke daran gleich wieder mit ihm zu reden, wieder vor ihm zu stehen und in seine Ozean-blauen Augen zu sehen, verpasst mir ein Gefühl von Unsicherheit, Angst, aber auch Freude. Meine Gefühlswelt ist gerade nicht mehr in der Lage, eine Richtung zu finden. Zwischen Up und Down ist alles vorhanden, zwischen Angst und Freude ein Barometer, welches ständig in die eine und dann wieder in die andere Richtung ausschlägt.
Wieder warten wir vor dem Kiosk, wieder läuft er an uns vorbei und wieder spreche ich ihn an. Mein Herz pocht, meine Hände zittern, einen Laut bekomme ich kaum raus. Doch das brauche ich auch nicht, denn er scheint genau zu wissen, was mein Anliegen ist. Er streckt seine Hand in Richtung meiner Schulter aus und ich weiche ein Stück zur Seite. Hoffentlich sieht er das nicht als Abweisung. Ich habe einfach nur Angst, seine Berührung nicht zulassen zu können. Er bemerkt meinen leichten Rückzug und lässt seine Hand in seine Hosentasche gleiten. Sein Lächeln ist immer noch unverändert und ich hoffe inständig, dass ihm die Situation nicht zu unangenehm ist. Im nächsten Zug bietet er mir an, am nächsten Dienstag die Physikklausur mit einer anderen Klasse nachzuschreiben. Wir machen noch einen Treff- und Zeitpunkt aus und gehen, ich ihm noch freundlich dankend, wieder getrennte Wege. Während dem Gespräch hat Sanny sich zurückgezogen, damit wir in Ruhe reden können und kommt nun lächelnd auf mich zu. Ich erzähle ihr kurz und knapp was er gesagt hat und worauf wir uns geeinigt haben, um im selben Moment mit Entsetzen festzustellen, dass ich die Themen der Arbeit absolut nicht kann und genau das ja eigentlich der Grund dafür war, warum ich die Arbeit ausgelassen habe. Soweit habe ich nur nicht denken können, als er vor mir stand. Ich kann allgemein kaum denken wenn er da ist. Jedenfalls kann ich eine gute Note definitiv vergessen, wenn mir das nicht jemand erklären kann. Ich glaube, mein Körper weiß gerade nicht mehr wie ihm geschieht. Im einen Moment Erleichterung und im nächsten Moment wird alles wieder aufgewirbelt. Voller Freude war ich eben noch, weil er mit sich reden ließ, doch jetzt überkommt mich erneut diese vollkommene Unsicherheit. Genau genommen endet momentan alles in genau dieser Unsicherheit, so sehr ich auch versuche, mich an Halt zu klammern. Den Halt, der in immer weitere Ferne zu gleiten scheint.
Das ganze Wochenende verbringe ich damit, die ganzen wichtigen Dinge für die Arbeit in meinen Kopf zu schlagen, doch so richtig gelingen will mir das nicht. Ich verstehe nicht einmal das Thema an sich, wie soll ich es dann anwenden können? Wird jetzt alles wegen Physik, wegen dieser Arbeit scheitern? Er war so großzügig mit seinem Angebot, ich kann doch jetzt nicht einfach aufgeben. Es ist zum Verzweifeln. In jedem Fach konnte ich Hausarbeiten schreiben, in jedem Fach konnte ich meine Note irgendwie retten. Ich werde doch daran jetzt nicht scheitern. Ich muss ehrlich sein, ihn noch einmal ansprechen. Hoffentlich hat er Verständnis... - aber kann er mir noch mehr entgegen kommen, als er es ohnehin schon getan hat? Er kann nichts dafür, dass ich an diesem Punkt nicht weiter komme. Meine Gedanken erschlagen mich noch. Zumindest dann, wenn ich nicht aufhöre mir den Kopf an einem Stück zu zerbrechen.
Montag. In der Schule angekommen schnappe ich mir Noah und wir gehen gemeinsam zum Lehrerzimmer. Schon wieder überkommt mich diese Nervosität, dieses Gefühl von Furcht und Unsicherheit. Das Problem an der Sache: diesmal ist es berechtigt. Als sich die Tür nach mehrfachem Klopfen öffnet, bitte ich ihn raus und stehe kurze Zeit später direkt vor ihm. Mir ist die Situation unglaublich unangenehm und ich habe Bedenken ihn zu nerven, weil ich ständig wieder ankomme. Er sieht mich erwartungsvoll an, als ich beginne verunsichert und stotternd zu erklären, wie der Stand der Dinge ist. Meinen Erklärungsversuch beende ich mit der Frage, ob ich eventuell eine andere Leistung in Form einer Hausarbeit bringen könnte. Auch er scheint nun leicht verlegen zu sein und ist sich nicht so ganz sicher, was er sagen soll. Sein Blick geht direkt an mir vorbei und trifft erst wieder meine Augen, als er eine Antwort parat hat. Ich kann seinem Blick kaum Stand halten. Umso mehr überraschen mich die Worte, die anschließend seinen Mund verlassen. Er überlegt sich ein Thema und gibt mir bis Donnerstag Zeit, die Hausarbeit abzugeben. Ganz erfreut scheint er nicht zu sein, aber das kann ich nach diesem ganzen Hin und Her auch beim besten Willen nicht erwarten. Als wir auseinander gehen, drehe ich mich nochmal zu ihm um. Unsere Blicke treffen sich erneut und ich nehme ein leichtes Nicken seinerseits wahr. Kaum kann ich meinen Blick von ihm wenden, will mich gar nicht mehr umdrehen, am liebsten noch Ewigkeiten diesen Blickkontakt halten. Ein paar Schritte weiter muss ich mich richtig dazu zwingen, mich in meine Gehrichtung zu drehen.
Was war das denn? Was passiert hier gerade mit mir? Noch nie habe ich so lange mit jemandem Blickkontakt gehalten. Noch nie wollte ich meinen Blick nicht abwenden. Noch nie habe ich solch eine Spannung gespürt, wenn ich jemanden angesehen habe und auch noch nie hat sich Weggucken angefühlt wie Trennung. Bis jetzt.
Irgendwas in mir verändert sich momentan, irgendetwas noch nicht Einschätzbares. Er ist immer noch dieselbe Person wie vorher, noch immer ist er mein Lehrer. Doch es fühlt sich nicht mehr gleich an. Es ist, als würde ich ihn mit ganz anderen Augen sehen oder eher in einem anderen Blickwinkel. Die Frage ist nur: warum sehe ich ihn vom einen auf den anderen Moment ganz anders? Warum spüre ich auf einmal Verbundenheit und habe Angst ihn zu verlieren? ...Warum habe ich plötzlich den Drang nach seiner Aufmerksamkeit? Nach Nähe... seiner Nähe... der Nähe eines Mannes.

I know it may not be - Erwachte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt