10 - Up and Down

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>Ich muss mein Handy echt mal auf lautlos stellen<, denke ich, als ich mehrere Benachrichtigungen auf dem Lockscreen wegklicke. Erst als ich es entsperre bemerke ich, dass ich nun endlich zur Whatsapp-Gruppe hinzugefügt wurde. Nach drei langen Tagen des Wartens. Sofort gehe ich die Nummern durch und... da ist sie. Das muss sie wohl sein. Herr Kleeven's Handynummer. Ich speicher sie ein und schaue mir sein Profil genauer an. Er hat das gleiche Profilbild wie bei Facebook und in seinem Status steht „Nondum omnium dierum solem occidisse". Trotz meinen vier Jahren Latein verstehe ich nicht einmal die Hälfte und muss nachschlagen, was es bedeutet. Zum Glück bin ich ja überhaupt nicht neugierig. Ich scrolle durch verschiedene Google Ergebnisse, klicke auf einen Link und sehe den Satz "Es ist noch nicht aller Tage Abend" vor mir. Interessant. Irgendwie passt das zu ihm, es unterstreicht meiner Meinung nach gut seine Persönlichkeit. Zumindest soweit ich das beurteilen kann.

Freitag, 25.09.15 - verfasst um 20:49 Uhr
Mit dem heutigen Tag ist die erste Woche, in der er wieder da ist, vorbei. Montag und Dienstag hatte ich bei ihm Unterricht, am Mittwoch habe ich ihn nicht gesehen und auch heute war er nicht auffindbar. Vielleicht ist er nicht mehr jeden Tag in der Schule? War er in der 11. jeden Tag da? Genau genommen weiß ich das gar nicht. Je mehr ich darüber nachdenke, seinen Stundenplan herauszufinden, desto schlechter fühle ich mich. Das letzte was ich will ist, dass er sich von mir belästigt fühlt und vielleicht ist es auch gar nicht schlecht, wenn ich nicht weiß wann er da ist und wann nicht. Ich kenne mich doch, manchmal ist es für mich besser, nicht alles zu wissen.
Die ersten zwei Stunden mit ihm waren eine absolute Achterbahn. Einerseits pure Freude und andererseits diese Anspannung. Warum auch immer habe ich mittlerweile Angst irgendetwas falsch zu machen, ihn zu lange anzusehen, einfach too much zu sein. Zu auffällig zu sein. Doch inwiefern genau auffällig? Was ist das zwischen uns oder eher gesagt, was ist das, was ich mit ihm fühle und verbinde? Denn leider ist es absolutes Wunschdenken, dass er irgendwelche Sympathien für mich hat. Sympathie... ja, sympathisch ist er mir. Ich fühle mich gut, wenn er da ist, auch wenn ich super nervös bin. Es fühlt sich an, als würde seine Lebensfreude und Motivation komplett auf mich abfärben und meine graue Welt plötzlich bunt färben. Und dennoch kann ich nicht genau definieren, was ich empfinde. Ist es ein verliebt sein, ist es einfach nur diese eben genannte Sympathie im Zusammenhang mit seiner Persönlichkeit? Seitdem er in meinem Leben ist, bzw ich ihn hinein gelassen habe, hat er es ganz schön auf den Kopf gestellt. Ich kann bei ihm der Mensch sein, der ich wirklich bin. Ich habe nicht das Gefühl, mich in irgendeiner Art anpassen oder verstellen zu müssen. Es sind die Momente, in denen ich mich wohl in meiner eigenen Haut fühle. Ein Gefühl, was ich zuvor in dieser Art noch nicht erleben durfte. Ich fühle mich angekommen in meinem Leben, stärker, selbstbewusster. Diese Gefühle hat er mir bei der Umarmung gegeben und seitdem sind sie einfach da, wenn ich ihn sehe. Es ist wie der warme Lichtschein am Ende eines kalten, dunklen Tunnels.

Ich seh in deine Augen, seh in dein Gesicht,
dieser Moment, nichts anderes hat Gewicht.
Dieses Strahlen, dieses Funkeln,
du bist für mich das Licht im Dunkeln.
Du erhellst mein Leben,
kannst so viel Gefühl mir geben.
Mit dir kann ich glücklich sein,
es fühlen, ganz klar und rein.
Deine Berührung reicht aus,
in meinem Kopf völliges Chaos.
Nie zuvor sah ich jemanden wie dich,
doch quält die Frage: Wie siehst du mich?

Das Wochenende verbringe ich zu großen Teilen damit, meine Gedanken in Form von Texten, Tagebucheinträgen und Gedichten niederzuschreiben. Nächste Woche haben wir eine A-Woche und somit am Montag leider keinen Unterricht mit ihm, denn der findet nur alle zwei Wochen statt. Stattdessen haben wir Wirtschaft, ein Fach, das in unserem Kurs bilingual unterrichtet wird und mit dem ich hier und da so meine Schwierigkeiten habe. Ich kann Englisch, gar keine Frage, aber ich traue mich nicht, mich zu melden und etwas vorzulesen oder vorzutragen, weil alle Klassenkammeraden es gefühlt 100 Mal besser können. Zudem haben wir einen Lehrer, der sich daran amüsiert, anderen ihre Fehler vorzuhalten. Demnach bin ich in dem Unterricht sehr still und das wirkt sich nicht wirklich gut auf meine Note aus. Im Kontext hätte ich also viel lieber Physik, als Wirtschaft, aber in der Realität sieht es leider anders aus.

I know it may not be - Erwachte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt