20. Geschichte

2.9K 115 25
                                    


Vorsichtig renne ich die Treppen hinunter. Alecs Eltern sind allem Anschein nach noch arbeiten - sehr gut.

Schnell ziehe ich mir noch Sportschuhe an und renne hinaus. Ich weiß genau wohin ich will und zwar zu Finn. Sein Alpha ist mir etwas suspekt aber ich werde einfach durchs Fenster einsteigen. Wenn ausbrechen nicht geht, dann vielleicht ja einbrechen. Egal, über die Einzelheiten werde ich mir Gedanken machen, wenn es soweit ist.

Erst rennend und später joggend versuche ich den richtigen Weg zu finden.
Eigentlich hätte ich aus Protest die Schuhe weglassen sollen. Aber die Folgen von einer erneuten Barfußaktion sind einfach zu nervig. Nach rund 30 Minuten wird mir klar, dass ich mich wohl verlaufen habe. Irgendwie war das etwas vorhersehbar. Hab wohl meinen Orientierungssinn überschätzt.
Sollte ich irgendjemanden auf der Straße ansprechen?
Viel ist hier anscheinend nie los. Aber dennoch sind immer ein paar Leute hier. Fast nur Betas - glaube ich.
Wie auch immer, zurück zu Alec will ich noch nicht. So gehe ich planlos weiter und versuche mich irgendwie zu orientieren.

Durch eine Kirchenuhr wird mir bewusst, dass ich jetzt schon fast eine Stunde weg bin. Hunger habe ich auch schon tierischen. Ich hätte in den Keller fliehen sollen oder mich im anderen Bad oben einsperren, bis sich mein Alpha verbal und mit einem guten Essen bei mir entschuldigt. Abgesehen von einer Banane habe ich heute noch nichts gegessen. Ob Alec auch Hunger hat und vielleicht nur auf mich wartet, bis ich wieder nach Hause komme? Er hat zwar das Doppelte von dem was ich gegessen habe zu sich genommen. Doch für einen Alpha ist es sicher viel zu wenig.
Irgendwann komme ich bei einem Park vorbei und überlege ob ich dort warten soll. Vielleicht bringen mich ja dann wieder die Polizisten zu Alec.
Arg! Ich hasse es von ihm so abhängig zu sein. Ich muss Finns Haus finden. Er würde mich auch sicher vor seinem Alpha verstecken.
„Jake!", höre ich plötzlich eine freudige Stimme rufen und im nächsten Moment fällt mir Luis um den Hals. Zusammen kippen wir um und ich lande unangenehm am asphaltierten Gehsteig - zum Glück ist dieser so groß, weshalb ich nicht auf der Straße lande. Der Rotbraunhaarige landet dabei auf mir. „Wie cool, dass wir uns mal hier treffen", lacht er begeistert und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich ignoriere diese Berührung einfach mal und meine: „Ich find es auch schön dich zu sehen, aber könntest du vielleicht mal von mir runter gehen? Der Boden ist wirklich hart."
Luis lässt sich einfach neben mir auf den Boden fallen und spricht begeistert: „Wäre Winter, dann könnten wir jetzt Schneeengel machen!" Dabei streckte er alle vier von sich und starrt in den bewölkten Himmel. Ich richte mich währenddessen auf und sehe mich nach Fenja um. Sie ist jedoch nirgends zu sehen.
„Sag mal... bist du alleine Unterwegs?", frage ich daher.
„Klar, du doch auch", kommt die Antwort.
„Ja, aber hat Fenja nichts dagegen?"
Luis sieht irritiert zu mir hinauf und spricht lächelnd: „Wahrscheinlich schon aber sie ist doch selbst dran schuld, wenn ich draußen herumgehen, weil sie ja was Besseres zu tun hat als mit mir hinaus zu gehen." Zu Ende klingt der Omega immer niedergeschlagenen. Besonders als er fortfährt: „Fey hat einfach nie Zeit für mich. Das ist so unfair!"
„Das kenn ich. Alec arbeitet auch immer", gebe ich unzufrieden zu.
Plötzlich lächelt Luis wieder und meint: „Aber es dauert sicher nicht mehr lange, bis sie kommt und mich abholt."
„Weiß sie denn wo du bist?"
„Ja, immer. Ihr ging es auf die Nerven, dass ich immer abhaue. Deshalb hat sie mir einen Chip in die linke Hand implantieren lassen", erzählt er munter.
Hoffentlich kommt nicht Alec auf die Idee mir einen Chip zu verpassen. Ich bin doch kein verdammter Hund! Da soll er mir lieber ein Handy geben.
Von meinen Gedanken werde ich unterbrochen, weil der ältere Omega fröhlich weiter redet: „Stell dir vor. So oft wie ich war noch kein Omega auf der Polizeiwache. Dort bin ich richtig bekannt gewesen. Also damals als ich zu Fey gekommen bin, habe ich dauernd alleine Spaziergänge gemacht und wusste dann nie den Weg zurück. Mein Rekord war, mich in einer Woche neun Mal zu verlaufen. Nach so einem Monat wurde es ihr dann zu nervig. Hast du dich auch schonmal verlaufen? Also ich hab ein Jahr gebraucht, um mich in der Stadt zurecht zu finden. Aber auch nur, weil Fey mit mir dann oft unterwegs war, weil sie mich nicht mehr alleine zu Hause lassen wollte."
Plötzlich muss er laut kichern. Offensichtlich ist ihm eben eine amüsante Erinnerung hochgekommen.
„Ehrlich gesagt, habe ich mich gerade verlaufen", gestehe ich.
„Oh... deshalb bist du so weit von Miles Haus weg. Ich würde an deiner Stelle einfach auf Fey warten. Die bringt dich sicher zurück, wenn sie dich hier bei mir sieht", plappert Luis.
Da merke ich jedoch an: „Gehen wir lieber in den Park. Hier ziehen wir doch nur die Aufmerksamkeit von Fremden auf uns."
„Soll'n die doch schauen. Ich bleibe hier", stellt der Ältere klar. Dabei bin ich bereits aufgestanden und stehe nun planlos neben dem anderen Omega, der wie ein kleines Kind, seine Arme verschränkt.
„Aber ich würde mich lieber in eine Wiese setzen. Dort ist es gemütlicher", erkläre ich.
Kurz grummelt Luis, bevor er nachgibt: „Okay... übrigens gefällt mir deinen Kleidungsstil. Aber warum bist du eigentlich so nass?"
„Weil ich vorhin duschen war. Aber egal, äh... bist du öfter hier?", versuche ich von dem Thema loszukommen. Dabei gehen wir ein Stück in den Park und nehmen auf einer großen Wiese Platz.
Jup, hier ist es viel besser.
„Nur ab und zu, wenn ich abhaue. Manchmal klettere ich auch auf einem Baum. Besonders, wenn ich Fey nerven will, weil ich dann manchmal nicht mehr runter kommen will. Einmal hat sie sogar die Feuerwehr gerufen weil sie dachte ich traue mich nicht mehr runter", berichtet der Ältere.
„Luis!", schreit plötzlich eine - zu meiner Verwunderung - männliche Stimme.
Sofort drehen wir uns zu jener Person um, die den Namen gerufen hat.
„Oh mann... warum muss der denn kommen", seufzt der Junge neben mir.
„Wer ist das?", frage ich verwirrt.
Unzufrieden steht Luis auf und antwortet: „Ein nerviger Beta, den Fey manchmal losschickt, um mich zu holen. Ich hau dann mal ab, bey!"
Und schon ist er weg. Weil ich nichts Besseres zu tun habe, renne ich Luis nach. Dicht gefolgt von dem stämmigen Beta. Der Rotbraunhaarige ist jedoch viel schneller als ich und der Fremde. So hängt er mich bald ab. Genauso wie den Verfolger, welcher sein Handy zückt, kurz drauf sieht und weiter rennt.
Kurz spiele ich mit dem Gedanken, dem Typen nachzulaufen. Doch dafür kommt mir der Mann zu merkwürdig vor, denn er hat blau gefärbte Haare. Weiß war noch okay, aber blau? Warum?

MírameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt