VIII

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   Am nächsten Morgen war der fünfundzwanzigste Dezember. Mary weckte mich um acht Uhr, dann half sie mir, mich anzukleiden, schminkte mich und flocht meine Haare zu einem Zopf, der bis zur Mitte meines Rückens reichte.
   Ich ging diesmal nicht ins Esszimmer zum Frühstücken, da wir am Weihnachtsmorgen frühs nichts aßen, weil das Mittagessen so umfangreich war. Um zwölf Uhr würden meine Großeltern, die Eltern von Mum und Dad, kommen, außerdem war noch meine Tante Celine eingeladen, aber ich wusste nicht, ob sie ihre Tochter mitbrachte. Joline, so hieß die Tochter, war erst zehn Jahre alt, aber ich mochte sie, denn sie war echt schlau und verhielt sich nicht wie eine Zehnjährige, sondern viel reifer.
   Da der Vormittag am Weihnachtstag nie verplant war, hatte ich nichts vor und legte mich auf mein Bett. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ein wenig in einem der neuen Bücher zu lesen, aber ich entschied mich dann doch für mein Handy.  Als ich es entsperrte, sah ich, dass ich ein paar ungelesene Nachrichten von Troy hatte. Die älteste der Nachrichten war von vorgestern Abend. Wie lange hatte ich denn das Handy nicht mehr benutzt?
   Vermutlich hatte ich die Nachrichten vorgestern nicht mehr gesehen, weil ich im Wald ja keinen Empfang hatte, und danach war einfach zu viel losgewesen, sodass ich nicht daran gedacht hatte, mein Handy zu checken. Ich sah, dass ich auch einige Nachrichten und verpasste Anrufe von Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden hatte. Die meisten davon würde ich ja sowieso bei unserem Neujahrsball sehen, also fand ich es nicht so schlimm, die Anrufe verpasst zu haben.
   Ich antwortete auf die ganzen Geburtstags- und Glückwünsche, dann wandte ich mich den Nachrichten von Troy zu.

Schneeball: Wann hast du mal Zeit? 

   Das hatte er am dreiundzwanzigsten Dezember geschrieben, danach folgten noch ein paar Nachrichten von gestern, in denen er sich erkunigte, ob ich noch existieren würde, und schließlich eine von heute, vor zehn Minuten.

Schneeball: Merry Christmas!

   Als ich seine Nachrichten gelesen hatte, beschloss ich, ihm sofort zu antworten und mich auch dafür zu entschuldigen, dass er in den letzten Tagen vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte,

Ich: Merry Christmas!
Ich: Tut mir echt leid, dass ich nicht geantwortet habe, ich hätte morgen Nachmittag Zeit, wollen wir uns treffen?

   Sobald ich die letzte Nachricht abgeschickt hatte, nagte das Ungewissen an mir. Vielleicht wollte er sich ja gar nicht mehr mit mir treffen?
   Aber das war Unsinn, warum sonst sollte er noch mit mir schreiben? Er hätte ja auch einfach den Kontakt abbrechen können oder so. Bevor ich mir noch mehr darüber den Kopf zerbrechen konnte, kam auch schon seine Antwort bei mir an.

Schneeball: Du lebst ja noch, find ich gut 👍
Schneeball: Ja, morgen Nachmittag hab ich auch Zeit. Auf dem Hügel???

   Ich antwortete mit einem "Ja" und wir verabredeten uns noch für eine bestimmte Uhrzeit, dann legte ich mein Handy auf den Bauch, verschrenkte die Arme hinter dem Kopf und starrte verträumt an die Decke. Troy war schon irgendwie süß, oder?
   Als mein Handy plötzlich noch einmal vibrierte und ein lautes Geräusch von sich gab, erschrak ich so sehr, dass ich vor Schreck mit meiner Hand auf den Nachttisch rutschte und alles, was darauf stand, herunterfegte.
   "Verflucht!", rief ich aus und grapschte nach meinem Handy, das ebenfalls einen Abgang auf den Boden gemacht hatte, um nachzusehen, wer mich so dermaßen aus dem Konzept bringen musste. Und wer hätte das sonst sein sollen, wenn nicht Troy?

Schneeball: Ich freue mich.
Ich: Du hast mich erschreckt!
Schneeball: ???
Ich: Alles auf meinem Nachttisch ist heruntergefallen und das Glas Wasser ist zu einer Pfütze geworden ...
Schneeball: Du hast doch einen Diener, der kann das ja wegmachen ...
Ich: Sehr witzig.

   Er musste ja nicht wissen, dass in diesem Moment tatsächlich Mary in mein Zimmer kam, um das Wasser wegzuwischen, denn sie hatte das Scheppern bis ins Bad gehört, wo sie gerade gearbeitet hatte.
   Nachdem sie das Wasser aufgewischt hatte, hob ich die Bücher, die glücklicherweise nicht in der Pfütze gelandet waren, auf und legte sie zurück auf den Nachttisch. Das eine davon nahm ich mir und begann, es zu lesen.

   Punkt um zwölf Uhr klingelte es an der Haustür, ich wusste, dass es meine Großeltern Regina und Harold, die Eltern meines Vaters, waren, denn sie kamen immer auf die Minute genau.
   Widerwillig legte ich also das Buch zur Seite und stand auf. Ich lief schnell zum Spiegel, um meine Frisur und mein Outfit zu überprüfen. Ich hatte den dunkelblauen Pulli mit dem Rentier drauf an, den mir Grandma Regina letztes Weihnachten gestrickt hatte, und trug dazu eine weiße Jeans. Ich legte mir den geflochtenen Zopf über die Schulter und machte mich auf den Weg nach unten, um die Gäste zu empfangen.
   "Da ist ja Alison, das Geburtstagskind!", rief meine Großmutter, sobald ich auch nur einen Fuß auf die Treppe gesetzt hatte. Nachdem ich unten angekommen war, zog sie mich in eine ihrer berüchtigten Umarmungen, bei denen sie die Opfer immer fast zerquetschte.
   "Hallo, Grandma", krächzte ich und versuchte verzweifelt, mich aus der Umarmung zu befreien, bevor sie mir alle Knochen brechen konnte.
   "Ich wünsche dir alles, alles Gute nachträglich zu deinem Geburtstag!", trällerte sie in mein Ohr und zog mich noch näher an sich heran. Versteht mich nicht falsch, ich mochte meine Grandma sehr gern, ich mochte alle meine Großeltern sehr gern, aber wenn sie mich umarmte, fühlte ich mich trotzdem wie in einem Schraubstock  eingequetscht. Deshalb war ich auch heilfroh, als mein Grandpa sagte:
   "Lass mich auch mal ran, Regina!"
   Ich atmete erleichtert erst einmal ein paar Mal ein und aus, dann wandte ich mich Grandpa Harold zu, der lächelnd auf mich zu kam.
   "Ich wünsche dir auch alles Gute nachträglich! Bleib schön gesund." Seine Umarmung war wesentlich angenehmer als die von Grandma, darum erwiederte ich sie auch weniger gezwungen.
   "Dankeschön." Als er mich freiließ, sagte ich noch: "Fohe Weihnachten!"
   "Frohe Weihnachten", antworteten die beiden im Chor und begannen angesichts dessen, zu lachen.
   Meine Eltern kamen aus dem Salon und begrüßten die beiden, dann kam auch noch Sam dazu. Als es wieder an der Tür klingelte, öffnete ich und davor standen Grandma Helen, Grandpa David und Mums Schwester Celine mit ihrer Tochter.
   "Frohe Weihnachten!", begrüßte ich sie alle und bat die vier herein.
   Wir umarmten uns alle, wünschten uns frohe Weihnachten und gingen ins Esszimmer, nachdem sich unsere Gäste ausgezogen hatten.
   Als wir alle am Tisch saßen und den Truthahn mit Gemüse aßen, war es still, bis Grandma Helen diese Stille brach.
   "Sammy, sag mal, wie geht es eigentlich dem Champagner?", fragte sie und ich konnte ihr deutlich ansehen, wie viel Kraft es sie kostete, nicht zu lachen.
   "Es geht ihm super", antwortete meine Schwester und musste ein bisschen grinsen. Bei jedem Familientreffen wurde ihr Pferd angesprochen, da meine Großmutter den Namen einfach so lustig fand. Und wahrscheinlich auch, weil das der einzige Witz von ihr war, bei dem die meisten Leute immer lachten. Sie suchte darin vermutlich die Bestätigung, dass sie doch so witzig war, wie sie dachte, denn bei ihren anderen Sprüchen lachte meistens keiner. Es war irgendwie süß, wie sie immer wieder ihr Bestes gab und wie es jedes Mal aufs Neue misslang.
   Als ich meine Schwester so grinsen sah, musste ich auch lachen und dann stieg auch der Rest meiner Familie mit ein. Als Grandma Helen sich sicher war, das auch wirklich jeder lachte oder zumindest so tat, fiel sie auch mit ein, sichtlich stolz auf sich selbst.
   "Mum, der Witz war wieder mal superlustig", sagte meine Mum zu ihrer und schüttelte belustigt den Kopf.
   "Hey, wenn irgendwer ein Problem mit meiner Lustigkeit hat, kann er es behalten, es ist ja schließlich seins", rief Grandma laut in die Runde und lachte los, aber keiner stimmte mit ein, wir lächelten nur über ihr Verhalten und aßen weiter.

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Hey Leute!
Wie findet ihr Alis Familie so bis jetzt?
LG

Forbidden LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt