Three

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"Auch endlich wach, mhm?"

Yoongi blinzelte angestrengt gegen das helle Licht. Ein fremder Mann stand mit in die Hüften gestemmten Armen neben seinem - so wie es aussah - Krankenbett und sah ihn vorwurfsvoll an.

Yoongi grummelte und versuchte angestrengt, sich an das Vergangene zu erinnern.

"Das ist jetzt das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass ich dich zusammenflicken muss. Ich rate dir, dich dafür dankbar zu erweisen!"

Als Yoongi endlich fähig war, sich den Mann richtig anzusehen, klappte ihm die Kinnlade herunter.

Er war offensichtlich ein Omega, ein blumiger Geruch umhüllte ihn. Er war allerdings großgewachsen, sicherlich um einiges größer als Yoongi selbst, mit breiten Schultern und einer Statur, die eher einem Beta geglichen hätte. Eine Bissspur prange an der Seite seines Halses, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er wohl zu einem Alpha gehörte.

"Namjoonie meinte schon, es wäre wohl schwer, dich zum Reden zu bringen, aber naja."

Namjoon? Yoongi runzelte dir Stirn.

"Namjoon ist dein Alpha?", fragte er also kurz, ohne auf das Statement des Omegas einzugehen.

"Ich weiß zwar nicht, was das zur Sache tut, aber ja."

Yoongi wollte Stöhnen, so frustriert war er. Langsam sickerten die Informationen in sein Gehirn und er erinnerte sich an sein Gespräch mit Namjoon, Hoseok und diesem Knirps namens Jeongguk. Seine Eltern...

Wut erfasste ihn, aber er kam nicht dazu, sie herauszuschreien, denn da redete der Omega schon weiter.

"Ich bin sicher Namjoonie wird dich in den nächsten Tagen nochmal zu einem Gespräch einladen. Bis dahin bleibst du hier in unserer Klinik und kurierst deine Gehirnerschütterung aus. Taehyung wird dich heute Abend besuchen und den Verband um deine Wunde an der Schläfe wechseln. Irgendjemand bringt dir dann auch noch eine warme Mahlzeit. Ich würde es begrüßen, wenn du im Bett bleiben würdest. Ansonsten stürzt du wieder und meine Arbeit dich zusammenzuflicken ist wieder dahin."

...Taehyung...

War das nicht der Typ, bei dessen Erwähnung Jeongguk so rot angelaufen war?

"Mhm...", brummte er nur zustimmend. Er fühlte sich sowieso nicht so danach, das Bett zu verlassen. Es war warm und gemütlich - und sein Kopf tat noch immer weh - wieso sollte er da auch herumlaufen wollen?

"Mein Name ist übrigens Seokjin. Wir sehen uns morgen wieder, wenn ich meine Besorgungen erledigt habe."

Yoongi sah den großgewachsenen Omega wieder kurz an, bevor er den Blick erneut abwendete und sich tiefer in die Bettdecke vergrub.

Er hörte Seokjin's Kichern, kurz darauf viel eine Tür ins Schloss und er war allein.

Die nächsten Stunden verbrachte Yoongi damit, vor sich hin zu dösen und die Regale voller medizinischer Instrumente anzustarren. Er vergoss ein paar Tränen an den Gedanken seiner Eltern, aber wischte sie energisch davon und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Wenn er überleben wollte, musste er taktisch vorgehen, und das bedeutete, keine Aufmerksamkeit zu erregen und unter dem Radar zu bleiben. Vielleicht konnte er so von hier fliehen, er musste nur herrausfinden, wie genau Dinge in dieser Siedling zugange gingen.

Ein kleines Fenster, schräg gegenüber seines Bettes, erkannte er, dass die Sonne dabei war, unterzugehen. Seokjin hatte gemeint, jemand würde kommen-

Wie auf Knopfdruck flog die Tür der kleinen Krankenstation auf.
Ein Junge kam herein, eindeutig jünger als Yoongi, mit einem regelrechten Vogelnest auf dem Kopf. Die dunkelbraunen Locken vielen ihm halb ins Gesicht. Er trug zwei schwere Kisten, die ihm aus den Fingern zu rutschen drohten.
Yoongi setzte sich langsam auf.

Der Junge war ebenfalls ein Omega, kleiner als Seokjin, sah aber dennoch größer als Yoongi aus. Er schenkte Yoongi keine Beachtung, solange, bis er die Kisten auf einem der freien Betten neben seinem sicher abgestellt hatte.
Dann stemmte er die Arme in die Hüften und sah auf, ihn Yoongi's Gesicht.

Er grinste breit.
Yoongi zog eine Augenbraue in die Höhe.

"Du bist Yoongi, richtig? Mein Name ist Taehyung! Ich kümmere ich, wenn Seokjin nicht da ist, um die Krankenstation. Ich hab alles, was ich weiß, von ihm gelernt, also brauchst du kein Angst haben, das ich dich irgendwie verletze oder so."

Er lachte herzhaft.

Yoongi fand es eher weniger amüsant.

"Ich wechsle deinen Verband. Danach kommt bestimmt auch jemand mit deinem Essen!"

Essen klang himmlisch. Yoongi hatte schon die ganze Zeit über einen grummelnden Magen. Aber zu erst musste er Taehyung's unglaublich nervige gute Laune überleben.

Das Wechseln des Verbands ging schnell. Der Junge hatte tatsächlich geübte Hände und schien zu wissen, was er tat.
Taehyung reichte ihm noch ein Glas, in das er ein paar Tropfen aus einem Fläschchen geträufelt hatte, Schmerz-Absud, wie er es genannt hatte. So etwas hatte Yoongi in den Bergen nie kennen gelernt - da ertrug man sein Leid still.

"Ich muss wieder los. Jeongguk wird sonst sauer, wenn ich nicht pünktlich zum Abendessen komme. Wir sehen uns morgen früh!", trällerte Taehyung und winkte zum Abschied, bevor er zur Tür hinaus verschwand.

Yoongi hatte nur ein paar Minuten für sich, bevor die Tür erneut aufging, aber dieses Mal leiser und bedachter.
Zuerst betrat niemand den Raum und Yoongi nahm schon eine Abwehrhaltung ein, bevor eine kleine Gestalt eintrat.

Es war der Omega, den Yoongi an seinem ersten Tag hier gesehen hatte und der direkt vor ihm geflohen war. Sofort setzte er sich erneut auf, dieses Mal gerader, in der Hoffnung, den Omega nicht erneut in die Flucht zu schlagen.

Er trug ein Tablett, ähnlich wie das, das er in Yoongi's Zelle gebracht hatte. Dampf stieg von einer Tasse und dem Teller auf. Das Wasser lief in seinem Mund zusammen.

Der Omega schaute scheu auf.

Yoongi hatte keine Ahnung wieso, aber er versuchte, zu lächeln. Es gelang ihm wohl nicht richtig, sein Gegenüber zu beruhigen, denn ein rotton stieg in die Wangen des Jungen.

Mit plötzlicher Eile lief er zu Yoongi, schob den Bettisch näher an sein Krankenbett heran und stellte das Tablett darauf ab.

Bevor Yoongi richtig begriff, was gerade passiert war, trat der Junge auch schon den Rückzug an. Mit schnellen, übereilten Schritten kam er der Tür näher.

"Hey! Warte doch!", rief Yoongi, überrascht von sich selbst.

Der Junge blieb stehen, wohl aber eher widerwillig, drehte sich nur halb zu ihm um und schien seinem Blick ausweichen zu wollen.

"Wie heißt du?", fragte Yoongi. Er wusste nicht, wieso, aber er war neugierig. Der Junge war so...geheimnisvoll.

Er erhielt keine Antwort, stattdessen einen Ausdruck, der fast traurig aussah. Ohne, dass Yoongi noch etwas tun konnte, floh der Omega förmlich aus der Krankenstation, ließ ihn zurück.

Plötzlich fühlte sich der Raum viel kälter und einsamer an. Yoongi starrte noch für ein paar Minuten die Tür an, in der Hoffnung, der Junge würde zurückkehren.

Er kam nicht wieder.

Ihm verging der Appetit.

ICED HEARTSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt