Als ich aufwache brauche ich einen Moment, bis ich merke, dass ich im Krankenhaus liege. Ich schlage die Decke zurück, um nach meinen Beinen zu sehen. Sie sind bis zu den Zehenspitzen mit Verbänden eingewickelt. Wohl wegen den Verbrennungen. Sie fühlen sich angenehm kühl an.
Ich bin nur mit einem dünnen Hemdchen bekleidet, weshalb mir schnell kalt wird und ich mich wieder zudecke. Ich sehe mich im Zimmer um und entdecke die eingeschaltete Klimaanlage und auch meinen Freund. Felix liegt im Nachbarbett. Er hat den Blick zur Zimmerdecke gerichtet.
„Felix?" Er reagiert nicht. „Felix, was ist?" Er stiert weiter ausdruckslos an die Decke. Plötzlich merke ich, dass ein krasser Geruch von ihm ausgeht. Ich weiß sofort, was los ist und drucke den Klingelknopf über mir. „Gleich, Felix.", versichere ich ihm.
Dann kommt eine junge Schwester ins Zimmer und stoppt den Alarm.
„Schönen Guten Abend, Sie beide. Wer von Ihnen hat denn geläutet?"
Ich hebe meine Hand. „Ich. Aber eigentlich wegen meinem Freund. Ich glaube, er hat einen Wechsel nötig."
„Ich habe ihm..." Sie kommt näher an Felix' Bett heran. „Oje. Ich glaube, da liegt ein anderes Problem vor." Ich nicke anerkennend. Dann ist die Schwester wieder draußen und bringt anschließend eine Kollegin mit in unser Zimmer.
„Hilf mir mal.", bittet sie. „Der junge Mann muss umgezogen werden. Ich glaube wir können auch gleich ein frisches Laken holen." Die neue ist wieder weg und kommt mit einem frischen Laken und einem neuen Hemd zurück.
„Sie müssen ihn doch nicht gleich ganz umziehen.", bemerke ich. „Er trägt doch nur eine Windel."
Die beiden halten inne und gucken mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
„Was ist?", frage ich.
„Er trägt keine Windel.", sagen sie.
„Wie? Das muss aber sein. Felix ist von Geburt an inkontinent."
„Er kam nackt hier an. Wie Sie auch. Wir wussten davon nichts.", verteidigen sich die Schwestern.
„Und mein Nachbar, der uns Sachen vorbeibringen sollte? War er noch nicht da?"
„Doch. Aber Inkontinenzschutz hat er nicht mitgebracht. Nur Sachen für die Zahnhygiene und Klamotten für Sie beide."
Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich hatte ich Ebrahim nie von den Windeln erzählt. Wie sollte er dann auch davon wissen. Als er im Bad war, hat er wahrscheinlich nur schnell nach dem Zahnputzzeug gegrapscht. Felix' Windeln hatte ich immer im Schrank unter dem Waschbecken verstaut.
„Egal, ich hol ihm jetzt eine.", sagt die eine Schwester und geht los.
Als sie wieder da ist, bekommt Felix von den beiden sein Laken gewechselt, er wird neu angezogen und bekommt eine Windel an. Bei dieser Gelegenheit wechseln die Schwestern meine Verbände und ich bekomme neue Brandsalben.
Als die Schwestern draußen sind, beobachte ich Felix. Dass man ihn frischgemacht hat, scheint ihn nicht weniger unglücklich zu machen. Ich sehe sogar, dass er weint. Ich rede auf ihn ein, doch er reagiert wieder nicht auf mich. Er hört mich, aber schaut mich nicht an. Sein Sprachcomputer liegt auf dem Nachttisch, den kann er nicht erreichen.
Es bricht mir das Herz, ihn so unglücklich zu sehen. Ich bin mir sicher, dass ich nichts falsch gemacht habe. Das würde Felix mir sofort vermitteln und versuchen eine Lösung zu finden. Ihm ist wichtig, dass zwischen uns immer möglichst Harmonie herrscht. Aber nichts kommt. Ich nehme mir vor, sobald ich aus dem Bett darf, zu Felix rüber zu gehen, ihn zu umarmen, dass er es bei mir warm hat und sich so seine Blockade vielleicht löst.
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Keine Nachricht bis XY
Mystery / ThrillerAls der Kölner Neonazi Karl einen jüdischen Friseursalon überfällt, geschieht ihm unvorhergesehenes: Die gerade anwesende Kundin Laura überwältigt ihn und verspricht ihm, nicht die Polizei zu rufen, wenn er mit ihr geht. Karl wird gegen seinen Wille...