Das Ehepaar

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Die Haustür geht auf und die beiden stehen da. „War doch schön, nich'?", fragt sie, als sie sich Schuhe und Jacke abstreift.

Er nickt und tut es ihr gleich. „Ja. Super, dass man sowas jetzt wieder machen kann, nach Corona."

Sie nickt. Gemeinsam gehen sie ins Wohnzimmer. „Was jetzt?", fragt er.

Sie schaut auf ihre Uhr. „Bett ist noch ein bisschen früh, was? Ich schmeiß noch mal den Kasten an." Sie drückt den Knopf an der Fernbedienung.

ZDF. Sie schaut hin. Rudi Cerne moderiert: „Zum Abschluss dieser heutigen Sendung kommen wir zu einem Fall, bei dem eine junge Frau durch ihre schnelle Reaktion, ihre körperliche Stärke, aber vor allem durch ihren Mut Schlimmeres hat verhindern können..."

„Oh je.", sagt er. „Heute haben wir ja fast die ganze Sendung verpasst."

„Ja. Aber schau, heute verleihen sie wieder den XY-Preis."

Filmsequenz: Es wird von einem jüdischen Friseur berichtet, der in Köln ein Geschäft führt. Eines Nachmittags betritt die besagte Frau mit ihrem Freund im Rollstuhl den Salon. Ihr Freund soll bedient werden.

Plötzlich betritt ein grober Typ mit Springerstiefeln den Laden. Er schimpft über fehlendes Rückgeld und bedroht den Inhaber übel. Die junge Frau will den Typen zur Vernunft bringen, er lässt sich aber nicht bremsen.

Durch Kampftechniken bringt die Frau ihn schließlich zu Boden, er verliert sogar kurzzeitig das Bewusstsein. Im Film erfährt man, dass der behinderte Freund der Dame aufgrund einer Inkontinenz Windeln braucht. Dann wird gezeigt, wie die Frau den Eindringling ohne Zierde nackt auszieht, ihm den Hintern versohlt, dann in Windeln wickelt und ihn schließlich gefesselt mit zu sich nach Hause nimmt, ohne die Polizei zu verständigen.

Die Filmsequenz ist zu Ende. „Was war das denn?", fragt sie. „Es ist doch hoffentlich immer noch das ZDF und keine Hardcore-Porno-Plattform?"

„Du weißt schon, dass das nur nachgestellt ist?"

„Wenn es nachgestellt ist, muss diese Frau es so getan haben. Ok, der Überfall war auch nicht besser, aber man versohlt doch nicht einem Fremden in aller Öffentlichkeit den Hintern."

Im XY-Studio unterhält sich Rudi Cerne jetzt mit der Frau. Sie hat auch ihren Freund im Rollstuhl dabei.

„Wie hat der Täter sich gemacht, nachdem Sie ihn mitgenommen haben?"

„Eine Zeitlang ganz gut –ich meldete Karl sogar zwischendurch im Kindergarten an, doch dann ist er eines Tages abgehauen. Aber wir hatten ihn gut zwei Jahre bei uns."

„Karl heißt er?", fragt Cerne.

„Ja, richtig. Karl Steiner."

„Wo ist er denn jetzt?"

„Seit zwei Monaten sitzt er hinter Gittern."

Der Zuschauerin treten die Augen aus dem Kopf.

„Günter schau! Diese Frau hat unseren Karl in ihrer Gewalt!"

„Was?"

„Aber ja doch. Drum war er so lange weg. Ich ruf da an und sag, wir wollen ihn sehen."

Sie geht vor die Tür und wählt die Studio-Nummer.

Jemand meldet sich. „Hallo, ich möchte sofort die Dame sprechen, die sich mit Herrn Cerne im Interview befindet.", erklärt sie.

Kurz darauf ist die Frau am Apparat: „Hallo?"

„Lassen Sie Karl Steiner frei. Er ist mein Sohn."

Die Frau lacht nur. „Ich hab ihn nicht mehr. Da müssen Sie schon in der JVA Köln anrufen, wenn Sie ihn sehen wollen."

Keine Nachricht bis XYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt