NATHANIEL
„Wieso ausgerechnet du? Und wieso ausgerechnet sie?“, zischte Judy und stützte die Arme in die Hüften. Ihr Kiefer war angespannt und sie blähte die Nasenflügel, das und die wütend funkelnden Augen, ließen Nathaniel bereuen, dass er es ihr schon heute Abend mitgeteilt hatte. Damit hatte er sich selbst um einen ruhigen Abend gebracht. Andererseits, war es vielleicht besser wenn sie jetzt gleich eine Nacht darüber schlafen konnte. Es war wohl egal, wann und wie er ihr die frohe Kunde mitteilte, eine Szenen hätte sie in beiden Fällen gemacht.
„Der Professor meinte, dass ich der Einzige wäre der für den Job in Frage käme. Er meinte, dass sie mir vertraut und-“.
„Ach! Sie vertraut dir, ja? Wie schön dass ihr zwei euch gefunden habt!“, rief sie zynisch und sprang von dem kleinen Sofa in der Bibliothek. „Judy!“, seufzte er genervt und stützte den Kopf auf seine Hände. Er liebte seine Freundin, sie war klug und konnte ihn zum Lachen bringen, wie kaum jemand anderes, doch wenn sie so drauf war wie jetzt, vergaß er manchmal warum er mit ihr zusammen war. „Was? Glaubst du ich weiß nicht was alle über sie reden? Glaubst du ich sehe nicht wie alle männlichen Wesen ihr nachgaffen? Ich bin nicht blöd!“, schrie sie ihn an. Sie hatte sich vor Nathaniel aufgebaut, sodass er zu ihr aufschauen musste. „Das habe ich auch nie behauptet! Ich verstehe bloß nicht was dein verdammtes Problem ist!“, er hatte nicht schreien wollen, doch dieser Tag war schon beschissen genug, irgendwann platzte jedem der Kragen. Und dieser Streit hatte ihm gerade noch gefehlt. „Mein Problem? Ich habe doch kein Problem!“, keifte Judy und warf ihre Hände in die Luft. „Mein Freund gibt einer fremden Schnalle mit Beinen bis zu Hals, die er im Übrigen schon zwei Mal nackt gesehen hat, Privatunterricht, das ist doch kein Problem für mich!“ Sie starrte ihn vernichtend an, wenn Blicke töten könnten, wäre Nathaniel vermutlich zu Asche zerfallen. Er erhob sich jetzt ebenfalls und überragte seine Freundin um einen Kopf, trotzdem änderte sich nichts an ihrer Haltung. Judy war niemand der so schnell klein bei geben würde. „Darum geht es? Du bist eifersüchtig?“ Nathaniel lachte und wandte sich von Judy ab. Er konnte nicht glauben wie wenig sie ihm vertraute. Sie waren seit knapp zwei Jahren zusammen, er hatte sie noch nie angelogen, geschweige denn betrogen und trotzdem misstraute sie ihm. „Ich bin nicht eifersüchtig.“, sie ging ihm hinter her und schlug ihm auf die Schulter. „Ich kann sie nicht leiden und will nicht, dass du Zeit mit ihr verbringst! Du hast selbst gesagt, dass etwas mit ihr nicht stimmt! Du hat mir selbst erzählt wie sie ausgerastet ist!“ Schnaubend schüttelte Nathaniel den Kopf: „Ja das habe ich und ich glaube immer noch, dass sie anders ist. Aber gerade deshalb muss ich ihr helfen. Außerdem ist es sowieso schon zu spät. Ich habe Peter bereits zugesagt. Ich werde Ally dabei helfen sich selbst zu kontrollieren, ob du das willst oder nicht. Und wenn du deshalb eifersüchtig bist, glaube ich nicht das diese Beziehung überhaupt noch Sinn macht.“ Judy wich zurück als hätte er sie geschlagen. Fassungslos sah sie ihn an. „Du willst dich von mir trennen? Wegen ihr?“
„Ich will gar nichts! Aber so funktioniert eine Beziehung nicht! Du vertraust mir nicht und das hat rein gar nichts mit Ally zu tun.“, wütend trat auch er ein paar Schritte zurück und atmete tief durch. Sein Wolf war völlig durch den Wind, er konnte mit Gefühlen sowieso schon nicht gut umgehen, aber wenn er so aufgewühlt war wie jetzt, kam es schon mal vor, dass er durchdrehte. Jeden falls früher. Judy schien ebenfalls mit ihrem Wolf zu kämpfen. Sich gegenüberstehend und schwer atmend versuchten sie beide sowohl ihre Gefühle, wie auch ihre Wölfe wieder unter Kontrolle zu bringen. „Also war es das?“, Judys Stimme zitterte. Nathaniel biss die Zähne zusammen. Er wollte sich eigentlich nicht von Judy trennen. Im Großen und Ganzen war er glücklich mit ihr, aber in letzter Zeit gab es viel das zwischen ihnen stand, auch schon vor Ally, die alles noch komplizierter gemacht hatte. „Nate, ich liebe dich.”, Judy kam langsam auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm. Sie war wie ausgewechselt. Nicht mehr die keifende Schreckschraube, die er loswerden wollte, sondern die liebenswürdige Judith, die er nach wie vor liebte. „Von mir aus kannst du diese Ally unterrichten, aber bitte, triff jetzt keine übereilte Entscheidung, nur weil wir einmal streiten.“ Sie untertrieb maßlos, im Grunde stritten sie ziemlich oft, aber nicht so oft, als dass Nathaniel alles hinschmeißen würde. Schon gar nicht, wenn sie ihn so ansah. Er lächelte und küsste sie. „Ich liebe dich auch.“, murmelte er und drückte sie fest an sich. „Auch wenn du die größte Zicke unter diesem Dach bist.“ Jetzt lachte auch Judy, spielerisch schlug sie ihm vor die Brust. „Zweit größte.“, sie zwinkerte ihm zu und nahm seine Hand. „Kommst du mit zum Abendessen?“ Nathaniel schüttelte den Kopf, kurz verrutschte ihr Lächeln, doch sie fing sich schnell wieder, gab ihm einen kleinen Kuss und verschwand in Richtung Speisesaal. Erschöpft ließ sich Nathaniel auf das Sofa sinken. Es war verrückt, wie schnell er und Judith von einem Streit zu Friede, Freude, Eierkuchen wechselten. Er konnte ihr nie lange böse sein. Vielleicht war das ganz gut so, doch es blieb auch vieles ungesagt und früher oder später würde es sie vermutlich einholen. Aber im Augenblick war er einfach nur froh, alles mehr oder weniger geklärt zu haben. Morgen würde er Ally mitteilen was Peter beschlossen hatte. Irgendwie war er gespannt auf ihre Reaktion. Mit einem letzten abgrundtiefen Seufzer stemmte er sich vom Sofa hoch und verließ die Bibliothek.
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TWO SOULS-Fremde Stimmen
FantasyZwei Seelen, zerrissen zwischen zwei Körpern. Ein Mädchen und ein Wolf, die zusammen gehören und doch nicht eins sind. Und der Ruf fremder Stimmen, die sie in den Wald locken. Ally ist niemals allein, denn da ist dieses Wesen, das in ihrer Brust wo...