Kapitel 6: Neuanfang

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ALLY

Ihr Knöchel heilte schneller, als sie erwartet hatte, laut dem Professor, war das eine Nebenwirkung der Verwandlungen. Alle Wunden heilten bei Ally und den anderen schneller als bei normalen Menschen. Ein weiterer Punkt, den Ally auf die Liste der positiven Dinge dieser ganzen Sache setzte.

Schon vier Tage nach ihrem Ausraster, konnte sie wieder normal gehen. Ash behauptete steif und fest, dass sie das unter anderem auch ihrer hervorragenden Pflege zu verdanken hatte. Caleb, der überraschender Weise ebenfalls kaum von Allys Seite wich, hatte für Ash bloß ein amüsierte Grinsen übrig. Für so einen riesen Kerl, war Caleb überraschend sanft, er war sehr ruhig und irgendwie ein Gegenpol zu der ewig quasselnden Ash. Mit seinen dunklen Augen, den dunklen Haaren und der hellen Haut, kam er Ally manchmal vor wie ein Geist, vor allem, wenn er sich in den Erker setzte und völlig vertieft in ein Buch, stundenlang so dahockte. Sie hatte nie wirklich vorgehabt hier groß Freundschaften zu knüpfen und war mit Ashley eigentlich schon vollauf zufrieden, sie wusste ja noch nicht einmal, wie lange sie hier bleiben wollte. Oder durfte. Denn laut James, der wegen Caleb ab und zu hereingeschneit war, gab es diverse Gerüchte, die besagten, dass Nate sich beim Professor dafür einsetzte Ally so schnell wie möglich vor die Tür zu setzten.

Obwohl sie das nicht weiter überraschte, hatte es ihr doch einen Stich versetzt. Nate war ihr nie besonders zugetan, er war nicht direkt unfreundlich oder gemein, immerhin war es das zweite Mal gewesen, dass er sie zurückgebracht hatte, aber Ally merkte es an der Art wie er sie ansah oder mit ihr sprach. Er mochte sie nicht und in gewisser Weise misstraute er ihr.

Spätestens nach dem letzten Gespräch mit dem Professor, konnte er seine Antipathie nicht mehr leugnen. Nate war bei der Schilderung ihrer Eskapade nicht gerade zimperlich gewesen. Ohne Rücksicht auf Allys Anwesenheit hatte er dem Professor schonungslos jedes Detail über Allys Zustand berichtet und dabei waren seine Beschreibungen für Ally meistens nicht sehr schmeichelhaft gewesen, unkontrolliert und verrückt, waren noch die harmlosesten. Doch Ally hatte sich nicht beschwert, er hatte sie immerhin zurückgeholt und sie hatte ihn dabei verletzt, daher schien ihr seine Reaktion durchaus angemessen. Auch weil er ja eigentlich nur die Wahrheit sagte. Es traf sie trotzdem tiefer, als sie zugeben wollte, sie sah sich in ihren Zweifeln und Ängsten bestätigt und fühlte sich mehr denn je wie ein Freak. Dass ihr Wolf beim Anblick seines neuen Feindes, der ihn nun zum zweiten Mal in seine Schranken gewiesen hatte, und dem Professor, gegenüber dem er einfach eine grundlegende Abneigung empfand, beinahe wieder durchdrehte, machte die Sache auch nicht besser.

Der alte Mann war aber, wie schon beim ersten Mal, erstaunlich ruhig geblieben. Er verordnete Nate und Ally Bettruhe und schickte sie beide wieder auf ihre Zimmer. Er bat sie sobald es ihr wieder gut ging, zu ihm zu kommen und gab Ally einige Übungen zur Entspannung mit, damit die Chance für eine weitere unkontrollierte Verwandlung verringert wurde, zumindest so lange, bis die beiden dazu in der Lage waren den Unterricht zu Selbstkontrolle, wie es der Professor nannte, zu beginnen. Damit war das Thema für ihn erledigt und er hatte sich wieder dem Papierkram auf seinem Schreibtisch gewidmet.

Kaum waren sie aus dem Büro des Professors getreten, packte Nate sie schon am Arm. „Ich schwöre dir, wenn du irgendjemanden hier angreifst, wirst du das bereuen, verstanden?", zischte er, seine Wut unterdrückend. Allys Wolf hatte ebenso wütend gekläfft und drängte an die Oberfläche um Ally zu beschützen. Doch bevor sie auch nur ansatzweise die Kontrolle verlor hatte sie sich energisch von Nate losgemacht und war in ihr Zimmer stolziert. Seit daher hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, worüber sie aber, wenn sie ehrlich war, auch nicht wirklich traurig war. Sie war dankbar, für das was er für sie getan hatte und dass er ihr helfen würde, mehr empfand sie nicht für ihn. Diesen Gedanken überdrüssig, schüttelte sie sie ab, wie eine lästige Fliege. Sie würde früh genug wieder mit Nate konfrontiert sein, also brauchte sie ihm nicht mehr Zeit widmen als nötig.

TWO SOULS-Fremde StimmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt