Pech

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Ein leichtes Rütteln an der Schulter holte mich wieder einmal aus meinen geliebten Traumland zurück. Ich öffnete die Augen und 'oh jeh, war
das hell'; ich schloss sie schnell wieder und versuchte es erneut mit Blinzeln.

Ja, jetzt ging es. Ich richtete mich auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Wer hatte es eigentlich gewagt, mich zu wecken? Irritiert blickte ich mich um und meine Augen trafen direkt in Tom's.

Leicht verlegen lächelte er mich an. "Entschuldigung, ich wollt dich nicht wecken.
Ich wollt dir nur sagen, dass die Dreharbeiten für heute beendet sind."

Verschlafen und immer noch unfassbar müde fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht und nickte kaum merklich. Erholsam war der Schlaf auf der Theke nicht gerade gewesen, mein Arm war eingeschlafen und anscheinend hatte ich so blöd gelegen, dass ich meinen Kopf keinen Zentimeter nach links bewegen konnte. Aber was hatte ich auch erwartet? Dass dieses alte wackelige Holzgerüst auch nur annähernd so bequem wäre wie mein geliebtes Bett? 'Verdacht bestätigt', das Ding war die reinste Hölle, ich fühlte mich als hätte ich mir einen Nerv eingeklemmt.

Ich ließ meinen Blick kurz umher schweifen, tatsächlich alles leer hier. Nur noch vereinzelt liefen Leute an mir vorbei, einer der beiden
großen Scheinwerfer wurde bereits ausgeschaltet und der Raum verdunkelte sich.

Ich bleib mit meinen Blicken an Tom kleben, sein Lächeln war immer noch da, obwohl auch er sehr erschöpft wirkte. Seine Haare waren
zerzaust und leichte Augenringe waren zu sehen.

'Stop, halt! Müde UND dunkel UND beendete Dreharbeiten = Feierabend UND Schlafenszeit'.
Apropos Zeit, ich griff nach meinem Handy und betätigte den Homebutton. Keine Reaktion, ein weiterer Versuch und noch ein weiterer blieben auch ohne Erfolg, was mich darauf schließen ließ, dass das Scheißding wieder einmal leer war.
Immer dann, wenn man es brauchte. Dann schaute ich zurück zu Tom.

"Hey, wieviel Uhr haben wir eigentlich ?", fragte ich ihn.

Er kramte sein Handy aus der Tasche und schaltete es ein. War ja klar, dass seins funktionierte; auf mein Handy wären nicht einmal die Steinzeit- Menschen neidisch gewesen, an Modern war da noch nicht zu denken!

"Es ist 22:58", sagte er und steckte das Handy wieder zurück in die Hosentasche.

'Shit, Shit, Shit. Das darf doch wohl nicht war sein!'  Ich sage doch, das Glück ist nicht gerade ein enger Freund von mir, ach was sag ich da, eigentlich ist er nicht einmal ein entfernter Bekannter'.

Ich griff meine Tasche und mein Jacke und sprintete los. "Danke" rief ich einem völlig verdutzten Tom zu als ich davonlief und ihn allein und völlig verwirrt zurückließ.

'Bitte bitte bitte sei noch da'. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel und rannte weiter, durch das große Tor raus auf die Straße. Meine
Lungen brannten und ich hatte das Gefühl als hätte mir jemand ein Messer in die Seite gerammt. Ja, ich gebe zu, mit Sport habe ich es auch nicht so. Also schwimmen und Ball-Sportarten sind ja noch okay, aber mal ehrlich, welcher Mensch rennt freiwillig um die 3 Kilometer täglich? Ich meine, ich würde es auch machen, aber nur wenn einer mit einem Donut oder einem Kaffee vor mir herlaufen würde. Ich verstehe solche Menschen nicht.

Der Bus stand schon an der Haltestelle, ich rannte schneller. War gerade am Bus angekommen, als dieser die Tür schloss und abfuhr. Von einem schadenfroh grinsenden Busfahrer gesteuert,  fuhr der Bus tatsächlich an mir vorbei.

Damit fuhr sie davon, meine einzige Chance auf mein Bett in nächster Zeit. Jetzt hieß es laufen. Genervt und auch ein wenig verzweifelt ließ ich meinen Kopf in den Nacken fallen und stöhnte laut auf.

Etwas Nasses traf mich ins Gesicht... da nochmal. Genau jetzt zeigte London seine typisch Eigenschaft, immer dann, wenn ich es am wenigsten brauchen konnte. Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit war oder wie jetzt mal wieder den Bus verpasst hatte. Ich mochte die Stadt und das Feeling. Eigentlich mochte ich ja auch Regen, er konnte toll sein; ich genoss ihn allerdings lieber von drinnen, wenn ich den direkten Kontakt
mit ihm vermeiden konnte.

Und leider blieb es auch nicht bei den zwei einzelnen Regentropfen, binnen weniger Sekunden hatte es von Null auf Hundert angefangen zu regnen - natürlich wie aus Eimern.

Das konnte ja super werden,  jetzt nach Hause zu laufen. Oh Mann, ich hätte den Anruf heute morgen einfach ignorieren sollen, hätte ich das gemacht, wäre ich jetzt nicht hier, sondern in meinem Bett mit einem heißen Tee und würde entspannt die wichtigsten Merkmale der Improvisation auswendig lernen.

Half ja alles nichts, also Augen zu und durch, ich schlang meine Jacke enger um meinen Körper und verließ die Bushaltestelle.

Ich lief ein Stück bis neben mir ein Auto erst langsamer fuhr und schließlich direkt neben mir ganz zum Stehen kam. Oh Gott, alle meine Alarmglocken begannen zu schrillen. Einfach weiter gehen, in meinem Kopf malte ich mir die schlimmsten Szenarien aus und blickte mich hilfesuchend um.

Kein Mensch weit und breit, Panik kam über mich und mein Herz hämmerte von innen gegen meine Rippen. Mist, was mach ich denn jetzt ?

Der Fahrer des Autos fuhr neben mir her und  machte schließlich das Fenster runter.

Unverhofft kommt oft (DEUTSCH)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt