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´´Wo ist denn schon wieder dieses verdammte Buch?´´ fragte ich mich selber jetzt schon zum 1000sten Mal. Ich hatte es doch noch als ich am
Verkaufstresen stand - das blöde Ding kann sich doch nicht in Luft auflösen. Noch einmal durchwühlte ich meine Tasche und schüttete sie
auf dem Esstisch aus.

Wenn ich es nicht wieder finde, dann muss ich ein Neues kaufen und das könnte knapp werden. Klar bezahlte Joe mir schon mehr als eigentlich
üblich, doch es reichte trotzdem nicht. Mit dem Gehalt als Verkäuferin musste ich Miete, Essen und die Academy bezahlen.

Ich war damals so glücklich als ich die Zusage bekommen habe, doch meine Freude verschwand schlagartig als ich den Preis sah der unten links auf den Zusage-Unterlagen standen. Bei der Summe wurde mir fast schwarz vor Augen, ich hatte damals gedacht, ich komme mit dem Job im Cafe aus. Leider falsch gehofft, neben dem Job im Cafe arbeite ich
abends auch noch im St. Stephens Pub als Barkeeperin. Klar, auch da verdiene ich nicht sonderlich viel, aber mit dem Trinkgeld und dem
Gehalt von Joe reichte es, um über die Runden zu kommen.

Meine Vormieter hatten Gott sei Dank noch Möbel in der Wohnung gelassen und somit konnte ich das Geld, was ich eigentlich in neue Möbel investiert hätte, für ein gebrauchtes Fahrrad ausgegeben. Eine Bahnkarte war leider nicht drin.

Meine Wohnung war nicht gerade groß oder sonderlich pompös, aber es reichte, um sich wohl zu fühlen.

Mein Buch tauchte auch nach weiterer
20 minütiger Suche nicht auf - ZUR HÖLLE. Ich brauchte das Ding aber dringend. Wenn ich in einer Woche nicht improvisieren konnte, dann
könnte ich gleich wieder meine Sachen packen und gehen.

Schauspielern wollte ich schon immer. Ich hatte auch immer schon einen Sinn für Drama und auf Knopfdruck heulen konnte ich ebenfalls. Nein, jetzt mal ehrlich. Ich habe das Gefühl, dass mir die Schauspielerei irgendwie im Blut liegt, nur rausfinden, ob es wirklich so war, würde ich
nach jetzigem Stand der Dinge - ohne mein Buch - wahrscheinlich sowieso nie.

Oft hatte ich nachts wachgelegen und geträumt, wie es wohl wäre eine bekannte und beliebte Schauspielerin als Mutter zu haben.

Viele Nächte hatte ich damit verbracht mir eine Fantasiewelt aufzubauen, als Kind hatte es mir geholfen den nächsten Tag zu überstehen. Doch jetzt als Erwachsene fühlte es sich irgendwie
lächerlich an auch nur daran zu denken.

Ich gab die Suche nach meinem Buch schließlich auf. Morgen frage ich einfach Ana, ob sie mir Bilder von den betreffenden Seiten schicken kann.

Denn Improvisation lag mir gar nicht! Ich konnte noch so gut in meiner Rolle aufgehen, aber nur wenn ich ein Skript hatte, an das ich mich
halten konnte. Ich verstand den Sinn hinter Improvisation nicht wirklich, ich
meine, wenn ich doch ein Skript habe, warum halte ich mich nicht einfach daran?

Naja, jetzt war es auch egal, es war schon spät und ich war total müde vom Tag. Ich zog mich um und warf mich freudestrahlend in mein Bett, ach mein Bett, der einzige Ort, an dem ich mich schon immer behütet und sicher gefühlt habe.

Besonders wichtig dabei war meine Bettdecke, die mich als Kind schon vor den hässlichen Monstern unterm Bett beschützt hat. Ich kuschelte mich ein, stellte meinen Wecker für
den nächsten Morgen ganz früh, da ich Einsatz im Cafe hatte.

Morgen war mal wieder einer dieser Tage, auf die man eigentlich gut verzichten konnte, erst Einsatz im Cafe, danach zwei Stunden Unterricht
und dann abends noch in die Bar. Ich freute mich jetzt schon wie ein kleines Kind auf einen Zahnarztbesuch.

Mein Handy legte ich auf den kleinen Nachttisch neben mich, rollte mich in meine Decke ein wie ein Burrito und schloss die Augen.

Doch so leicht einschlafen lassen wollten meine Gedanken mich anscheinend nicht. Immer wieder kreisten sie um den heutigen Tag.

Wie gerne wäre ich nicht nur die Verkäuferin, die im Rand steht und zuschaute, so gerne wäre ich ein Teil des Cast und wie gerne würde ich selber vor der Kamera performen.

Als ich klein war, hatte mein Dad immer gesagt ich wäre die geborene Schauspielerin, klar als Vater sagt man so was. Doch ich habe ihm geglaubt und versprochen, alles zu tun, damit mein Traum war wird und er stolz auf mich sein kann.

Wie gerne würde ich das mal wieder hören, diese einfachen fünf Worte, die mir schon so lange niemand mehr gesagt hat. Ein einfaches ´´Ich bin stolz auf dich´´ oder ein ´´Ich liebe dich´´, das war alles, was ich ab und zu wollte.

Jemanden, der mich liebt wie ich bin und der mit mir kuschelt, auch wenn ich Blödsinn gemacht habe. Mein Vater hatte alles versucht, um mir eine schöne Kindheit zu verschaffen, es hat auch perfekt funktioniert zumindest bis ich in die Schule gekommen bin. Da fiel mir das erste Mal
erst richtig auf, das alle Kinder zwei Elternteile haben und nicht so wie ich, alleine sind mit einem Dad.

Er hat seine Sache sehr gut gemacht, finde ich, ein alleinerziehender Vater mit einer Tochter und einem Job. Meinen Respekt hat er, wenn ich
bedenke, wie anstrengend ich teilweise war oder auch was er sich manchmal von den
anderen Müttern oder Lehrerinnen hat anhören müssen, das ist bestimmt nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Doch gezeigt hat er es nie,
vielmehr hat er immer nur gelächelt und versucht, das Beste aus allem zu machen. Er war immer für mich da und ich konnte mit allem zu ihm kommen - so einen Vater verdient einfach jeder.

Nur bei einem Thema hat mein Vater immer wieder prompt abgeblockt ....
wenn es um meine Mutter ging. Bis heute weiß ich nicht, wo sie ist oder geschweige denn
wer sie ist oder wie sie sich kennenlernten und warum sie einfach aus unserem Leben verschwunden war.

Dabei hätte ich so viele Fragen zu ihr und vor allem auch an sie selber, doch die werde ich wohl oder übel mit ins Grab nehmen. Mein Vater sagte immer, wenn ich wieder mit dem Thema
anfing ´´Wenn du alt genug bist, werde ich dir alles erklären´´ naja, aber daraus wurde ja leider nichts mehr.

23 Jahre alt war ich und hatte immer noch keinen blassen Schimmer wer ich war. Es fühlt sich an als würde ein wichtiger Teil in mir fehlen,
mein Innnerstes schreit danach zu wissen, wo ich her komme.

Ich begann über alles nachzudenken. Am Ende flogen meine Gedanken auch zu Tom, auch er hatte hart gearbeitet, um seinen Traum zu
verwirklichen. Doch er hatte Leute, die ihn dabei unterstützten und ihm den Rücken stärkten, ich hatte nur Joe, der mit seiner eigenen Familie
schon reichlich zu tun hatte.

Nach einer ganzen Weile des Hinterfragens der Gerechtigkeit dieser Welt und der Vorstellung, wie es wohl ist berühmt zu sein, glitt ich endlich in meinen wohlverdienten Schlaf.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 10, 2021 ⏰

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Unverhofft kommt oft (DEUTSCH)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt