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Mittlerweile war eine ganze Woche vergangen, in der ich Joko gemieden hatte. Wir sprachen weder in der Schule, noch schrieben wie über WhatsApp. Die letzte Nachricht die ich von ihm bekam war am Dienstag, kurz nach meinem Verschwinden, die mir den Rest gab:

Man sucht Liebe nicht, man wird durch Zufall zusammengeführt.

Danach hatte ich mein Handy ausgeschaltet und auf den Tisch geknallt, ehe ich mich entrüstet aufs Bett schmiss und an die Decke starrte. Dabei kullerte mir tatsächlich eine Träne aus dem Auge, die ich aber instinktiv wegwischte. Weinen war keine Option. Ich musste mich wohl einfach damit abfinden, dass ich mit Joko's mir von Anfang an suspektem Verhalten doch nicht klarkam. Auch wenn ich es mir so sehr gewünscht hatte.

Die unzähligen Nachrichten, die mir Mark am Dienstag schrieb, warum ich denn nicht in der Schule war und mich nicht bei ihm meldete, las ich somit dann erst am Mittwoch Morgen. Doch ich ignorierte sie, denn ich hatte ja Mark sowieso in der Schule gesehen. Einen weiteren Fehltag konnte ich mir nicht erlauben, auch wenn ich entschuldigt war. Warum meine Mutter so schnell aus dem Haus geflohen war, hatte sie mir auch nicht gesagt. Sie meinte nur, sie würde es mir bald sagen, aber sie brauchte noch Zeit, um sich sicher zu werden. Es war zum verrückt werden. Natürlich kämpfte ich mit der Angst, dass es ihr nicht gut ging, dass sie krank war, denn sie war Krankenpflegerin und war somit ins Krankenhaus gestürmt. Also teilte ich ihr meine Sorge mit, die sie mir sofort unbegründet machte und mir bestätigte, sie sei Kerngesund. Richtig glauben wollte ich das jedoch nicht.

Mittlerweile war eine Woche später, Mittwoch Morgen. Ich stand vor meinem Kleiderschrank, wie immer unschlüssig was ich anziehen sollte und durchstöberte die Kleiderhaufen. Alles was ich fand war ein grauer Kapuzenpullover und eine dunkelblaue Stoffhose. Seufzend ging ich damit ins Badezimmer, unterzog mich einer kurzen, kalten Dusche um mein kleines Morgenproblem zu beseitigen und verließ anschließend angezogen mit Rucksack das Haus. Auf Frühstücken hatte ich keine Lust, ich würde mir einfach in der Cafeteria etwas stibitzen. Mark machte sich große Sorgen um mich, das wusste ich. Ich redete selten und wenn dann auch nur wenig, ich war unkonzentriert im Unterricht und Nachmittags unternahm ich auch nichts mehr. Ich tat dies damit ab, dass ich viel Lernen müsste, doch eigentlich lag ich den ganzen Nachmittag auf der Couch und ließ mich von den nervigen Stimmen Deutschlands belabern. Ihm mitgeteilt, dass ich die Wette gewonnen hatte, hab ich immer noch nicht und hab somit mit ihm über das Geschehene am Dienstag auch nicht geredet. Ich wollte das ganze so gut wie es geht vergessen, mich machte der Gedanke an Joko einfach nur traurig.

Mir wollte beim besten Willen nicht klar werden, warum er sich so komisch verhielt. Warum er Sachen vergaß, wenn er nur ein bisschen Alkohol trank. Oder vergaß er gar nichts und nutzte diese Ausrede einfach, um das zwischen uns unverbindlicher zu machen, damit er auch andere flachlegen konnte? Fuck, war er überhaupt schwul? Oder nutzte er mich einfach nur aus, um sich alle Optionen freizuhalten? Bei dem Gedanken verdrehte sich mir der Magen und ich hätte mich am liebsten ins nächste Gebüsch übergeben, wenn ich nicht auf dem Schulhof stünde. Ich musste mich wohl oder übel zusammen reißen, auch wenn das gleich umso schwerer werden würde, wenn ich Joko ansehen müsste. Er beobachtete mich, wie am ersten Tag. Vielleicht hatte er die Hoffnung, dass es mich so nervös machte, dass ich wieder auf ihn zukam, doch das konnte er sich abschminken. Er müsste schon eine sehr gute Entschuldigung für sein arschlöchiges Verhalten haben. Da halfen keine dutzend Rosen und keine Schachtel Pralinen, ich wollte eine Erklärung haben. Aber selbst auf ihn zugehen und sie aus ihm herausquetschen, war für mich auch keine Möglichkeit. Ich war nicht der jenige, der es verbockt hatte, das hatte sich der Winterscheidt ganz alleine zuzuschreiben.

Es klingelte und erleichtert seufzte ich auf, da dieser schier endlose Schultag nun doch ein Ende nahm. Ich schnappte also nach meiner Tasche, warf sie mir über die Schulter und war gerade im Begriff aus dem Raum zu stürmen, als mich ein lautes »Halt!«, daran hinderte und ich abrupt zum stehen kam. »Klaas, ich möchte dich gerne sprechen. Nimm' dir doch bitte eine Minute, die anderen dürfen gehen.« Die rothaarige Erdkundelehrerin wies auf den Stuhl neben ihrem Pult, zu dem ich den Kopf hängen lassend schlenderte und mich darauf setzte. Mark nickte mir einmal entschuldigend zu und auch die anderen schauten mich fragend an, woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte und meine Hände knetete. Auch Joko sah mich irritiert an, doch ich reagierte nicht darauf und ignorierte ihn. Als schlussendlich alle aus dem Raum verschwunden waren, lief Frau Schröder zur Tür, um diese zu schließen und dann laut zu seufzen.

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