Kapitel 3: Die Wahrheit des Waldes ✅

912 57 30
                                    

Hexe.

Kreatur des blauen Waldes.

Ich konnte nicht wirklich begreifen was ich da eben gehört hatte. Das war doch alles nur ein Traum, oder? Ich versuchte gerade wirklich bei Verstand zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Aber dann trat Lucius nur wenige Augenblicke nach mir aus der Hütte.

"Luana..." erklang seine sanfte, männliche Stimme zu meinen Ohren vor und am Liebsten würde ich mich jetzt in seine Arme werfen und mich fest an ihn schmiegen. Aber warum hatte ich diesen Wunsch? Was war nur mit mir los? Ich kannte ihn doch erst seit gestern und ich hatte immer noch keine Ahnung wie ich hier gelandet war und was hier eigentlich vor ging. Ein Rätsel folgte dem Nächsten und ich hatte irgendwie das Gefühl, keine Lösungen zu finden.

Wenn man es genau nahm, dann müsste ich eigentlich auf Lucius sauer sein. Als er mich gestern fand, und mir seine Hilfe anbot, hatte ich gedacht er würde mich aus dem Wald raus führen. Doch stattdessen hatte er mich zu dieser Hütte gebracht und ließ mich ohne jegliche Erklärung bei einer fremden Frau zurück. Aber er war mir ebenso fremd. Und dann dieses geheimnisvolle Gerede eben. Was sollte das? Wieso sagten sie mir nicht was Sache war? Es war schon schlimm genug dass ich all meine Erinnerungen verloren hatte, aber das hier machte es gerade noch schlimmer und ich war so verwirrt.

"Ihr habt euch da drin doch eben einen Scherz erlaubt, oder? Marita ist doch nicht ernsthaft eine Hexe? Und was soll die Wahrheit über dich sein? Haltet mich nicht für dumm..." forderte ich Lucius auf endlich Klartext zu reden und verschränkte demonstrativ meine Arme vor der Brust. Dabei sah ich ihn mit einem prüfenden Blick an, aber er würdigte mich keines Blickes und starrte zu Boden.

"Meine Antwort hängt davon ab was du hören möchtest." sprach Lucius dann leise. Worauf wollte er hinaus? Ich wollte das er ehrlich war, was sonst?

"Natürlich will ich die Wahrheit." antwortete ich ihm also direkt, woraufhin Lucius nickte. Doch er schien ein wenig mit sich zu kämpfen und während ich wartete dass er mir endlich eine Erklärung lieferte, wurde ich etwas ungeduldig. Doch er schien das zu merken und dann ergriff er plötzlich meine Hand. Wieder spürte ich die Kälte seiner Haut und das irritierte mich. Wieso war er immer nur so kalt? Die Luft um uns herum war doch wirklich angenehm, aber von seinem Körper schien nicht die geringste Wärme auszugehen.

Jedoch aber war seine Berührung voller Zärtlichkeit und ich hatte den Wunsch dass er mich nicht mehr los lassen sollte. Langsam hob er wieder seinen Blick und sah mir mit seinen dunklen Augen tief in meine und ich musste kurz inne halten. Zwischen uns war irgendwas, ich konnte es deutlich fühlen. Es war, als würde er mir direkt in meine Seele blicken. Dann begann Lucius zu sprechen und ich hörte ihm aufmerksam zu.

"Du befindest dich hier im blauen Wald. Er exestiert vernab der Zivilastion und niemals verirrt sich ein Mensch hierher. Man muss mindestens vier Tage laufen um zu einer Strasse zu kommen. Wenn man der Strasse folgt, braucht man ungefähr weitere zwei Tage zu Fuß, um in eine Kleinstadt zu kommen. Und es fährt auch kaum ein Fahrzeug auf dieser Strasse entlang. Als ich dich gestern gefunden habe, war mein Plan dich zu Marita zu bringen, zu warten bis du wieder bei Kräften bist und dich dann in die Stadt zu bringen. Wir hätten uns dann vermutlich nie wieder gesehen.

Aber mir kamen Zweifel, ob dieses Vorhaben richtig gewesen wäre. Denn wenn du eine Kreatur bist, gehörst du hierher, und dann wäre auch klar warum du hier gelandet bist. Hexen sind eines der Kreaturen. Manche leben zurückgezogen wie Marita, und andere leben unter Menschen und verbergen ihr wahres Wesen. Aber die Kreaturen die hier im Wald leben, müssen sich nicht verstecken. Sie können leben, frei sein. Aber nicht immer läuft alles friedlich ab. Manche Kreaturen verfeinden sich. Es gibt Kämpfe um Reviere, Streiterein und sogar Kriege. Werwölfe, Feen, Vampire, und noch viele andere. Und immer wieder tauchen neue Wesen auf. Auch wenn es meist friedlich scheint, so birgt dieser Ort viele Gefahren mit sich."

Was er mir da erzählte, war einfach nicht zu glauben. Aber Lucius sprach mit so einer Ernsthaftigkeit und Intensität, dass es mir beinahe unmöglich war ihm nicht zu glauben. Das alles hörte sich wie eine Geschichte aus einem Buch an, oder als wäre ich in einem Fantasie-Film geraten. Ich musste das erstmal auf mich wirken lassen.

Ich war wie unter einem Schock. Aber dennoch ließ ich Lucius Hand los und ging erstmal auf Abstand. Ich war mir nicht sicher ob ich das alles auch richtig verstanden hatte. Lucius aber ließ mich diesmal im Gegensatz zu vorher nicht aus den Augen während ich zwiegespalten und ohne zu wissen wie ich reagieren sollte, einige Male vor ihm hin und her lief.

"Du meinst also... übernatürliche Wesen leben hier. Hinter jedem Baum könnte ein anderes lauern? Welches Wesen bist du? Ein Zwerg ja wohl kaum." sagte ich zu ihm als ich endlich wieder meine Stimme fand und stehen blieb. Doch bei meinen letzten Worten entlockte ich ihm ein leichtes Schmunzeln und er schüttelte seinen Kopf.

"Ein Vampir." antwortete er mir und ich schluckte schwer, während ich ihn erstaunt anblickte. Er war wirklich ein Vampir? Deswegen war er tagsüber weg gewesen? Auch wenn ich meine Erinnerungen verloren hatte, so wusste ich noch einige Dinge, wie zum Beispiel dass Vampire kein Tageslicht mochten. War also wirklich alles Übernatürliche wahr? Diese Frage und noch viele weitere spukten mir in meinen Kopf herum.

Wenn es wahr wäre, und Lucius wirklich ein Vampir war, dürstete es ihm nach meinen Blut? Die nette Frau Marita, die anscheinend wirklich eine Hexe war, schien jedoch mit ihm befreundet zu sein. Und ich hatte auch das Gefühl, dass ich ihnen trauen konnte. Ja, Lucius zog mich irgendwie vom ersten Augenblick an magisch an, doch vielleicht gehörte das zu seinem Wesen? Aber wenn das so war, waren meine Gefühle echt? Konnte ich meinen eigenen Urteilsvermögen trauen?

Ich würde wohl Zeit brauchen um das alles zu verdauen, aber mich beschäftigte auch was dieser Vampir über mich gesagt hatte.
"Und... ich könnte auch so ein Wesen sein? Eine Kreatur? Was denn für eine?" fragte ich ihn nun völlig unsicher. Doch er näherte sich mir und ergriff meine Hand, wobei mir der Atem stockte.

Wusste Lucius welche Wirkung er auf mich hatte? Vielleicht aber war das alles auch nur ein ziemlich verrückter Traum. Das hier musste Fantasie sein, das war unmöglich wahr, aber was wenn doch? Aber wenn es real wäre, müsste ich Angst vor Lucius haben, aber die hatte ich keineswegs.

"Wir werden es heraus finden. Kreaturen haben Fähigkeiten. Gute sowie schlechte. Und selbst wenn du keine hast, scheint es so dass du jetzt Teil unserer Welt bist. Du bist auf jeden Fall ein Teil von meiner Welt geworden, Luana." hauchte dieser mystische Mann mir zu und mehr brauchte es auch nicht, denn ich war ihm bereits völlig ausgeliefert.

Ein Vampir hatte mir gerade gestanden dass ich Teil seiner Welt war und eigentlich sollte ich jetzte auf Abstand zu ihm gehen, aber ich wollte das Gegenteil. Es war mir egal, wenn er sich auf mich stürzen würde und meine Blut trinken würde und wenn ich ehrlich war, wollte ich das zum Teil auch. Ich wollte Lucius völlig nahe sein. Ich wollte ihm gehören. Klang das verrückt? Ja, vielleicht war ich das, aber es spielte keine Rolle. Egal ob es echt war oder nicht, für mich war dieser Moment so real wie es nur sein konnte.

Ich wollte gegen meine Sehnsucht, gegen meine Gefühle nicht ankämpfen und ließ sie einfach zu. Also fiel ich in seine Arme und es fühlte sich an als würde ich genau hier her gehören. Ich war zu Hause. Wie am Tag zuvor hob Lucius mein Gesicht mit seinen Fingern an, die mein Kinn so unglaublich sanft berührten. Einen Augenblick sahen wir uns einfach nur in unsere Augen und dann legte er seine Lippen auf meine. Er küsste mich und ich wollte dass dieser Augenblick nie wieder endete.

Luana, Gefangene des ÜbernatürlichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt