Kapitel 4: Lagerfeuer ✅

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Wusste Lucius welche Wirkung er auf mich hatte? Vielleicht aber war das alles auch nur ein ziemlich verrückter Traum. Das hier musste Fantasie sein, das war unmöglich wahr, aber was wenn doch? Aber wenn es real wäre, müsste ich Angst vor Lucius haben, aber die hatte ich keineswegs.

"Wir werden es heraus finden. Kreaturen haben Fähigkeiten. Gute sowie schlechte. Wenn du also eine Kreatur des blauen Waldes bist, werden wir es bald sehen." erklärte er mir, aber irgendwas stimmte hier doch nicht. Es war, als würde ich dieselbe Situation ein weiteres Mal erleben, aber mit einer anderen Wendung. Es war völlig anders als das, was ich eben erlebt hatte, oder dachte es erlebt zu haben.

Langsam ließ Lucius meine Hand wieder los und Marita kam lächelnd aus ihrer Hütte. Ich war verwirrt und kniff meine Augen nachdenklich zusammen. Was ging hier vor? Was passierte mit mir? Dieser Kuss eben, war er nicht real gewesen? Hatte der Vampir eben gesagt ich sei ein Teil seiner Welt oder war das ein Traum, während ich wach gewesen war? Realität und Fantasie schienen sich zu einem riesigen Wirrwarr zu entwickeln und ich wusste nicht mehr was ich glauben sollte. War mein Kopf so kaputt? War ich verrückt?

"Heute ist eine wundervolle Nacht für ein Lagerfeuer, meint ihr nicht?" holte Marita mich aus meinen Gedanken wieder heraus, doch die Rothaarige schenkte Lucius und mir dabei kaum Beachtung. Sie wartete nicht mal eine Antwort unsererseits ab, während sie bereits Zweige sammelte und auf eine Feuerstelle warf, ein paar Meter von der Hütte entfernt. Die nächsten Bäume standen etwas weiter weg, somit würde keine Gefahr vom Feuer ausgehen.

Lucius aber verzog ein wenig das Gesicht und schien wenig begeistert von der Idee zu sein, ließ Marita aber in ihrem Tun unbeirrt und setzte sich neben der Feuerstelle in das kühle Gras. Ich allerdings dachte immer noch über das nach, was eben passiert war, oder eben nicht passiert war. In dieser Realität hatte Lucius mich nicht geküsst. Aber dennoch sollte er ein Vampir sein, Marita eine Hexe und auch andere übernatürliche Wesen sollten in diesem Wald hier leben. Und ich war vielleicht eine von ihnen...

Aber ich konnte nicht weiter hier herum stehen, deshalb entschied ich mich Marita zu helfen und mich ein wenig abzulenken. Ich holte ebenfalls ein paar kleine Äste und legte sie ebenso auf die Feuerstelle, an der die angebliche Hexe kurz darauf ein Feuer entfachte. Zunächst war die Flamme ganz klein, aber je mehr Holz hinein geworfen wurde, umso größer wurde das Feuer. Als es groß genug war, setzte ich mich ebenfalls aber mit etwas Abstand zu Lucius, und beobachtete das glühende Rotorange.

Das Feuer war regelrecht hypnotisierend und zog mich in seinem Bann. Meine Gedanken sprangen wild umher, genauso wie die glühenden Funken vor mir. Ich dachte an das, was mir vorhin offenbart wurde. Auch wenn ich mich an mein früheres Leben nicht erinnern konnte, war es für mich unvorstellbar dass Wesen wie Vampire, Hexen und andere Gestalten wirklich der Realität entsprechen sollten. Und doch zweifelte ich kein Stück an der Glaubwürdigkeit von Lucian's Worten.

Aber als ob das alles nicht schon genug wäre, schien ich mir auch noch ein Erlebnis eingebildet zu haben, welches gar nicht statt gefunden hatte. Jedoch konnte ich mich noch genau an das Gefühl erinnern, als Lucian's kalte und weichen Lippen die meinen berührt hatten. Wie ich mich an ihn geschmiegt hatte und ich mich in seinen Armen geborgen gefühlt hatte. Der Kuss war so unglaublich intensiv und intim gewesen und die Gefühle die ich dabei gespürt hatte, ich konnte sie immer noch fühlen. Trotzdem war das alles nur in meinen Kopf gewesen. Irgendwas stimmte definitiv nicht mit mir.

Ich musste herausfinden, wer ich war. Was mit mir geschehen war und wie ich hier gelandet war. Darauf sollte ich mich konzentrieren und nicht auf irgendwas, was unerklärlich war.

Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich nicht mitbekommen hatte wie Marita das Kaninchen, was erstaunlicherweise bereits gehäutet war, über dem Feuer positionierte um es durch zu braten. Lucius bekam von ihr eine Tasse gereicht, dessen Inhalt ich nicht erkennen konnte. Niemand der beiden sagte etwas, wodurch eine Stille über uns hereinbrach, in der man nur dem Knistern des Feuers lauschen konnte. Irgendwie unheimlich.

So saßen wir eine ganze Weile da, bis eine mir unbekannte Stimme die Ruhe durch brach. "Ich wusste gar nicht dass ihr heute eine Party feiern wolltet. " sagte eine Frauenstimme und mein Blick ging sofort neugierig hoch zu der unbekannten Person. Sie war hübsch. Sie war noch relativ jung und schlank, ihre Haut wirkte hell, fast so wie die von Lucius. Ihre Haare trug sie in einem lockeren Knoten und konnten dunkelbraun oder schwarz sein, das war bei dem schwachen Licht nicht ganz klar zu erkennen. Ihre Kleidung war modern und sexy. Die Frau trug einen Jeansrock und ein etwas tief ausgeschnittenes Top und auch eine hübsche Kette und Ohrringe rundeten ihr Outfit ab.

"Die besten Partys entstehen spontan." antwortete ihr Marita gut gelaunt, welche irgendwie immer ein Lächeln auf ihrem Gesicht hatte. Ich fragte mich ob sie das extra machte oder ob sie wirklich immer so gut drauf war.

"Lene, das ist Luana. Luana, Lene." stellte Lucius die Dunkelhaarige und mich einander vor, aber irgendwie klang es richtig kaltherzig. So war er gestern nicht gewesen und auch nicht vorhin, als er mir die Wahrheit erzählt hatte. Lag das an Lene oder an mir? Ich zwang mich zu einem Lächeln und begrüßte Lene.

"Freut mich dich kennen zu lernen." sagte ich zu ihr, doch Lene nickte mir nur knapp zu und machte es sich neben Lucius gemütlich. Dann nahm sie auch noch wie selbstverständlich seine Tasse an sich um daraus zu trinken und er ließ es zu. Mir gefiel das ganze überhaupt nicht, vor allem als es den Anschein erweckte dass die beiden sich nahe standen. Deshalb versuchte ich meinen Blick von den beiden abzuwenden, was mir aber nur mäßig gelang.

Plötzlich stupste Marita mich an der Schulter an und überreichte mir einen Teller mit Fleisch. Das musste der Hase sein. Wieder hatte ich etwas nicht mitbekommen. Ich war so damit beschäftigt nicht zu Lucius und Lene zu sehen, dass ich nicht mitbekam wie Marita das Essen fertig gemacht hatte. Aber ich hatte überhaupt keinen Appetit.

Mir tat es schrecklich leid, dass dieses arme, wehrlose Tier sein Leben her geben musste, nur damit wir etwas zu essen hatten. Ich wusste so war die Natur, aber dennoch. Ich wollte aber nicht unhöflich erscheinen, deshalb nahm ich den Teller an mich und nahm einen Bissen.

Doch kaum hatte ich das erste Stück hinunter geschluckt, überkam mich eine so große Übelkeit, dass ich den Teller zu Boden fallen ließ, zum nächsten Gebüsch rannte und mein gesamter Mageninhalt wieder hoch kam.

"Luana, alles ok? Was ist mit dir?" hörte ich Lucius sagen, der von einer Sekunde auf die andere plötzlich neben mir stand und wirklich besorgt wirkte.

"Alles gut." antwortete ich ihm leise und wischte mir verlegen mit meinen Arm den Mund ab. Das war mir gerade wirklich peinlich, doch ich versuchte darüber zu stehen und richtete mich wieder auf.

"Komisch, ich finde das Fleisch ausgezeichnet. Daran kann es also nicht liegen." kommentierte Marita nachdenklich und ließ sich ihr Essen ohne Bedenken weiter schmecken. Lucius warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und begleitete mich wieder zurück zum Feuer. Anschließend brachte er mir ein Glas Wasser welches ich auch in einem Zug leerte. Allerdings schien Lene das alles eher zu langweilen.

Heute bekam ich wohl keinen Bissen mehr runter, aber ich fand es süß wie besorgt Lucius um mich war. Aber jetzt ging es mir wieder gut und wir genossen wieder die Wärme des Feuers. Allerdings verbrachte ich den restlichen Abend eher still und in mich gekehrt, während ich aber immer wieder Blicke auf mir spürte.

Luana, Gefangene des ÜbernatürlichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt