Kapitel 9

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Der Speisesaal war leer, als ich an diesem Morgen eintrat. Es wunderte mich nicht, denn ich war extra früher gekommen, weil ich den anderen nicht über den Weg laufen wollte. Meine Augen waren geschwollen und meine Nase war gerötet. Außerdem hatte sich wieder dieses ermattende Gefühl in mir ausgebreitet und ergriff Besitz von jeder einzelnen Zelle meines Körpers. Ich hatte mir vorgenommen ins Dorf zu gehen und Kaldan aufzusuchen. Am Vortag war mir seine Arbeitskleidung aufgefallen, weshalb ich nun wusste, dass er in dem Wirtshaus arbeitete. Dort würde ich ihn finden und ihm erzählen, was geschehen war. Ich wusste nicht, wie seine Reaktion aussehen würde, denn immerhin hatte ich ihn enttäuscht und konnte nichts mehr für seinen Sohn tun.
Ich schlang das Frühstück herunter und eilte dann zu den Ställen. Ich sattelte den Schimmel, setzte mich in den Sattel und drückte meine Schenkel in ihre Flanken. Sofort galoppierte sie los und trug mich fort vom Palast in das belebte Dorf.
Ich ritt durch die Gassen und stoppte direkt vor dem Wirtshaus. Die Stute ließ ich einfach davor stehen. Ich wusste, dass sie nicht weglaufen würde. Dazu waren die Pferde des Palastes ausgebildet.
Ohne zu zögern erklomm ich die wenigen Stufen bis zur offenstehenden Tür. Das Glück war auf meiner Seite, denn sofort erblickte ich Kaldan auf der anderen Seite des Tresens. Er gab einem Gast gerade sein Frühstück, dann glitt sein Blick zu mir. Überrascht sah er mich an. Etwas wollte mich aufhalten, mich umdrehen lassen. Aber ich konnte der Intuition widerstehen. Ich wusste, dass es ein Fehler war, denn Odin hatte mir erklärt, dass diese unsichtbare Macht in mir die Gabe der Weisheit war.
„Skadi, was kann ich für Sie tun?“, fragte Kaldan freundlich. Ich sah zu dem Gast, der mich eindringlich anstarrte. Schnell wandte ich meinen Blick wieder ab. „Ich muss mit Ihnen reden. Es ist wichtig.“, gab ich zu.
Sofort war sein Blick besorgt und er führte mich in den Raum für Angestellte, in dem ansonsten niemand war. Es gab lediglich einen langen Tisch, ein paar Schürzen, die an der Wand hingen und ein paar klapprige Holzstühle.
„Es geht um meinen Sohn, richtig?“, fragte er nach. Er schien nervös und ängstlich. Ich brachte etwas Abstand zwischen uns, bevor ich begann zu reden.
„Ich habe ihn verprochen ihn zurückzuführen, aber... Ich habe ihn gesehen.“ Ich konnte nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen.
„Wie geht es ihm? Konnten Sie ihn befreien?“
Ich schluckte er war frei und wahrscheinlich ging es ihm auch besser, aber das war nicht das, was Kaldan hören wollte.
„Ich-ich war zu spät.“, murmelte ich.
„Was soll das heißen?“ Der Mann machte bedrohlich einen Schritt auf mich zu und jegliche Freundlichkeit und Wärme wich aus seinen Augen. Ich überlegte, ob ich umdrehen und gehen sollte, aber ich war ihm eine Erklärung schuldig. Ich spürte, dass die Macht in mir dagegen war, aber ich hatte einen Plan, weshalb sie mich nicht leiten konnte.
„Ich den Mann und ihren Sohn an einer Klippe.“, begann ich. „Sie unterhielten sich und anscheinend hatte der Junge einen Fehler gemacht, denn der Mann war wütend. Er beschuldigte ihn und schließlich...“ Mit wenigen Schritten stand der Mann vor mir seine Augenfrabe wechselte immer wieder von grau zu rot. Beide Personen, die in ihm steckten waren wütend.
Er legte eine Hand um meine Kehle und hob mich hoch. Meine Beine zappelten, das Blut rauschte in meinen Ohren. Verzweifelt rang ich nach Luft. „... Er ist von der Klippe geworfen worden.“, beendete ich den Satz. Im selben Moment bemerkte ich den Fehler. Der alte Mann warf mich gegen die Wand, dann traf mich eine Faust auf die Wange. Wieder und wieder, bis ich Blut spuckte und sich in meinem Kopf alles drehte.
Ich ließ mich zur Seite fallen und dann spürte ich eine stechenden Schmerz an meiner Taille. Hitze durchströmte meinen Körper, meine Atmung wurde flach und ich schrie. Der Schrei wurde zu einem ersticken Laut, der mich meine letzte Kraft kostete.
Mit verschwommener Sicht nahm ich den Mann war, seine Hand legte sich erneut um meinen Hals und er packte kräftig zu. Ich spuckte immer mehr Blut, dann ließ er ohne ein weiteres Wort von mir ab und ging. Seine Schritte halltebmn in meinem Kopf, die glühenden Augen hatten sich eingebrannt. Ich spürt wie Blut aus meinem Mund lief und ich presste meine Hand auf die Wunde an meiner Hüfte, um die Blutung zu stoppen. Alles tat weh und meine Lider wurden immer schwerer. Ich durfte nicht einschlafen, ich musste zurück zum Schloss, sonst würde ich sterben. Wenn ich jetzt die Augen schloss, war mein Schicksal besiegelt.
Ich konnte nicht nach Hilfe rufen, mein Hals war wie zugeschwollen. Also musste ich es allein zurück zu der Stute schaffen, die mich sicher nach Hause bringen würde. Mit meiner Hand klammerte ich mich an einen der Stühle und zog mich hoch. Meine Beine waren schwach, bei der Bewegung durchzuckte mich ein schrecklicher Schmerz, der von der Wunde ausging. Es fühlt sich an als würde ich von innen nach außen verbrennen.
Ich humpelte auf den Aufenthaltsraum zu. Ich nahm alles nur durch einen Schleier war, meine Augen waren trüb. Ein weiteres Zeichen, dass ich nicht mehr lange durchhalten würde. Zwar setzte die Heilung meiner Wunde recht schnell ein, aber ich war mir sicher, dass meine Niere getroffen worden war. Der Gast, der an der Theke saß sah mich erschrocken an und eilte sofort auf mich zu. Er legte meinen freien Arm um sich und sagte ein paar Worte, die wie durch Watte zu mir gelangten. Ich deutete bloß auf den Schimmel, den wir durch die offene Tür bereits sehen konnten. Die Stute schien aufgeregt zu sein.
„Sie sollten in ihrem Zustand nicht reiten, My Lady. Soll ich jemanden rufen?“, fragte der Mann.
Ich schüttelte den Kopf. „Dauert...zu...lange.“ Ich verschluckt mich an meinem eigenen Blut und musste Husten, was alles nur schlimmer machte. Meine Kehle schnürte sich immer weiter zu, mein Blick wurde immer trüber und die Hitze in mir wurde immer stärker.
„My lady, das ist keine gute Idee. Sie werden niemals bei ihrem zu Hause ankommen.“, versuchte er es wieder, abermals schüttelte ich den Kopf. „Ich...Pferd.“ waren die einzigen Worte die ich hervorbrachte und der Mann zögerte nicht. Er hielt mir seine Hand hin und half mir in den Sattel. Der Aufprall war hart und ich fühlte ihn in meinem Körper weiterhin vibrieren.
Die Stute zögerte keine Sekunde und preschte los. Ich lehnte nur kraftlos an ihrem Hals und klammerte meine Finger an ihrer Mähne fest. Jeder Galoppsprung war eine Qual, ich würde zerrissen. Ich würde sterben ehe ich an den Toren des Palastes ankam. Es wurde immer schwerer die Augen aufzuhalten. Ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.
Das einzige woran ich noch dachte waren die Wiesen vor dem Schloss, der blaue Himmel über mir, zwitschernde Vögel, die durch mein Blickfeld flogen. Meine Mutter hatte einmal gesagt, bevor man stirbt sähe man den Ort, den man am liebsten mochte, denn dort würde man nach dem Tod verweilen. Ein schöner Gedanke für immer dort zu sein.
Ich merkte kaum wie ich immer weiter zu einer Seite runter rutschte. Doch da blieb mein Pferd auch schon stehen. Ich versuchte meinen Blick zu heben, aber erkannte nur ein großes goldenes Tor. Ich löste meine verkrampften Finger aus der Mähne und versuchte mich aufsetzen. Irgendwie musste auf mich aufmerksam machen, denn sonst würde ich vor diesem Tor elendig verrecken. Ich könnte nich schreien oder sonst was, ich konnte bloß auf dem Pferd sitzen und warten.
Das erwies sich als anstrengender als gedacht. Meine Schmerzen wollten nicht nachlassen. Ich hatte Tränen in den Augen stehen, denn ich wusste, dass ich selbst an allem Schuld war.
Ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben und ließ mich langsam zur Seite gleiten, da flogen die Tore auf und drei Pferde preschte auf mich zu. Ich erkannte die Söhne Odins und Sif, die alle erschrocken anhielten, als sie mich sahen. Ich wusste nicht wo sie hinwollten, was gerade in ihren Köpfen vorging, aber ich hätte auch nichts tun können hätte ich es gewusst. Meine Kraft verließ mich und ich sackte zur Seite weg, während die drei auf mich zu eilten. Ich wusste nicht wer es war, aber irgendjemand fing mich auf und dumpfe Stimme drängen in mein Ohr. Ich konnte die Worte nicht aufnehmen, ich hörte nur wie besorgt sie waren. Das letzte, was ich wahrnahm war der Geruch von Leder, einem Hauch von Minze und Wein. Dann verließen mich meine Sinne.

Loki Laufeyson - GoddessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt