Kapitel 23

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Seit ich zum Avengers Tower zurückgekehrt bin, haben sich meine Angstzustände nicht gerade gebessert. Nachdem Bruce meine Wunde genäht und mich entlassen hatte bin ich auf mein Zimmer gegangen und habe es seither nicht verlassen. Ich verbringe die meiste Zeit damit die Decke anzustarren und mich mit den Ereignissen der vergangenen Tage zu konfrontieren. Die anderen bringen mir immer abwechselnd etwas zu Essen. Mein Fluchtinsinkt, sobald mir jemand zu nahe kommt, beweist, dass es mir sicher noch nicht besser geht. Auch rede ich mit niemandem, denn ich befürchte, dass meine Panik dann steigt. Sogar bis ich mich traue mein Bett zu verlassen, um ins Badezimmer zu gehen, brauche ich meine besten Überredungskünste, denn die Angst, dass jemand ohne zu klopfen reinkommt, bringt mein Herz zum Rasen.
Zwei Tage sind mittlerweile vergangen, seit ich angekommen bin. Draußen beginnt die Sonne gerade unterzugehen und ich liege in meinem Bett, die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Ich versuchte einzuschlafen, aber sobald ich meine Augen schloss, sah ich das Grinsen von Thanos. Plötzlich klopfte es an der Tür. Ich zuckte zusammen, bewegte mich aber sonst kein Stück. Die Tür wurde geöffnet und ich erkannte sofort langes schwarzes Haar. Loki. Er stellte sich mit etwa drei Meter Abstand von mir an die Wand und sah mich an. In den ersten Augenblicken erkannte ich nur seine Maske, aber sie bröckelte mit der Zeit. Besorgnis, Verzweiflung und Sehnsucht machten sich auf seinem Gesicht breit. Er tat mir leid. Ich wusste, dass er das alles wegen meines Verhaltens fühlte und ich wünschte ich könnte ihm helfen, aber seine Nähe würde mich umbringen. Seine Augen beobachteten jede kleinste Bewegung meines Körpers, als ich mich langsam aufsetzt. Ich sah ihn fragend an. „Ich kann verstehen, dass du deine Zeit brauchst und die Nähe anderer scheust, und das respektiere ich. Aber lass mich wenigstens für dich da sein und deine Stimme hören. Es bringt mich um, dass du mich ansiehst als wäre ich ein Fremder.“ Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus und ich wusste, dass jedes einzelne davon ernst gemeint war. Automatisch beruhigte sich mein Atem. Ich wusste nicht, ob es an seiner Anwesenheit, seiner Stimme oder ihm allgemein lag, aber er tat mir gut. Also entschied ich mich seinem Wunsch nachzukommen. „Lenk mich irgendwie von meinen Gedanken ab.“, sagte ich dann und ein kurzes kaum merkliches Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann setzte er sich auf den Boden ohne den Blick von mir zu nehmen. „Wie wärs damit. Wir stellen einander abwechselnd eine Frage, die jeder so präziese und ehrlich wie möglich beantworten muss.“, schlug er vor. Ich schmunzelte. Loki, Thor und ich hatten dieses Spiel einmal gespielt, als wir jünger waren. Damals waren wir allein im Thronsaal, weil wir dort auf Odin warten mussten und so haben wir unsere Langeweile vertrieben. Ich mochte diesen Spiel. Es erlaubte mir meinen Mitspieler so gut kennenzulernen wie ich es wollte. Mit Loki konnte das besonders interessant werden.
„Gut. Ich fange an.“, sagte ich schnell und er sah mich abwartend an. „Welchen Planeten würdest du wählen, wenn Asgard nicht existieren würde?“ Eigentlich war mir seine Antwort ziemlich bewusst, aber dennoch wollte ich eine Bestätigung. „Jotunheim.“, ant wortete er schlicht. Aha, ich hatte also richtig vermutet. „Midgard.“, entgegnete ich, woraufhin ich nur einen skeptischen Blick erntete. „Nun gut. Welchen der Avengers magst du am liebsten und welchen am wenigsten.“, fragte er. Ich verdrehte die Augen. „Thor und...“, ich brauchte einen Moment um nachzudenken. „wahrscheinlich Hulk.“ Nun war es an ihm die Augen zu verdrehen. Er hatte genau gewusst, dass ich keinen richtigen Namen nennen würde. „Thor und Tony.“, sagte er dennoch ohne meine Aussage zu kritisieren. Ich grinste. Er und Tony waren wirklich nicht gut zusammen. Ständig provozierten sie einander und wollten praktisch immer, wenn sie einander sahen auf sich losgehen. „Nächste Frage. Welche Fähigkeit würdest du zusätzlich zu deiner jetzigen noch gerne besitzen.“, fragte ich. Diesmal brauchte er länger, um zu antworten. Aber auch ich musste länger überlegen. „Macht über die Elemente.“, sagte er schließlich. „Gedankenkontrolle.“, warf ich direkt hinter her und er hob eine Augenbraue. „Was?“, fragte ich grinsend. „Wessen Gedanken willst du denn gerne kontrollieren?“, hakte er nach. „Niemand bestimmtes, aber hier und da die Leute einfach in ihrem Kopf sehen zu lassen, was ich will, hat schon was.“ Er lachte. Wie ich dieses Lachen liebte. Es war nicht sein kaltes arrogantes Lachen, es war offen und völlig ehrlich.
Eine Weile spielten wir das Spiel noch weiter und stellten uns immer anspruchsvollere Aufgaben, bis es draußen komplett dunkel war und meine Augen langsam schwer wurden. Loki stand nicht auf, als ich mich in meine Kissen kuschelte. Stattdessen blieb er einfach an der Wand sitzen und ich spürte weiterhin seinen Blick auf mir. Es war kein unangenehmer Blick, viel eher fühlte ich mich dadurch sicher und geborgen. Ein Gefühl, was nur er im Moment auslösen konnte. So schlief ich beruhigt ein und tatsächlich waren die Bilder von dem dunklen Ort für einige Zeit verschwunden.

Ich ging über einen schmalen Steinpfad direkt auf eine verhüllt Gestalt zu. Hinter mir hörte ich verzweifelte Rufe, die mich zurückholen wollten, aber ich hörte nicht auf sie. Ich ging immer weiter und ignorierte auch die Stimme in meinem Kopf, die mir immer wieder Befahl umzudrehen. Schließlich stand ich direkt vor der verhüllten Gestalt, die sich daraufhin offenbarte. Erschrocken wich ich zurück, als ich lilane Haut erblickte und mich seine stechenden Augen trafen. Thanos! Ich wollte umdrehen und wegrennen, aber meine Schritte waren wie in Zeitlupe. Ich wurde gepackt und gegen die Lehne des Throns geworfen. Ich glaubte alle meine Knochen würden brechen und dann spürte ich erneut eine Hand an meinem Körper, die mich nahm und in dem Abgrund warf. Ich schrie, schrie so laut ich konnte, aber es half nicht. Ich fiel immer weiter und plötzlich konnte ich spitze Gegenstände am Boden erkennen. Das ist nicht real, komm zurück zu mir. Ich kannte diese Stimme. Meine Schreie verklungen.

Ich fuhr hoch und erkannte grün-blaue Augen in der Dunkelheit. Hörbar stieß ich Luft aus. Es war nur ein Traum. Loki hatte mich zurückgeholt, nur mit seiner Stimme. Ich spürte Schweißperlen auf meiner Stirn und meine Hände waren eiskalt. Ich rieb mir die müden Augen. Ich brauchte ganz dringend Wasser. Mit zitternden Händen schmiss ich die Decke von meinen Beinen und stand auf. Dann tapste ich schnell in das angrenzende Bad. Die schimmernden Augen verfolgten mich, bis ich hinter der Ecke verschwand. Ich drehte den Wasserhahn auf und wusch mir mein Gesicht mit eiskaltem Wasser. Dann betrachtete ich mich im Spiegel. Mein Haut was blass, was meine Haare viel dunkler wirken ließ, beides lag wahrscheinlich an der fehlenden Sonne. Ich seufzte ehe ich mich umdrehte und zurück in mein Bett ging. Von dort aus sah ich wieder zu Loki, der mich immer noch wachsam aber schweigen ansah. „Danke.“, flüsterte ich und konnte ein leises Schnauben wahrnehmen. In dem schwachen Licht konnte ich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht ausmachen. Mehr oder weniger unfreiwillig hatte ich seinen Wunsch mit meinem Alptraum erfüllt. Er fühlte sich nützlich, denn er konnte mir helfen. Und ich war ihm so unendlich dankbar.

Loki Laufeyson - GoddessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt