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I keep staring at that little white number 

You left here in the summer 

Hanging in my wardrobe

Niall war wie festgefroren. Er könnte versuchen einen Finger zu rühren, doch es würde nicht passieren. Sein eigener Körper war gegen ihn. Wollte ihm nicht mehr gehorchen.

„Niall? Kommst du? Wir sind schon spät dran?", Thereses Stimme drang zu ihm durch wie durch eine Wand aus Watte. Dumpf und weit entfernt klang sie in seinen Ohren. Sie kam aus einer anderen Realität, in der er jetzt so viel lieber sein wollte, als in diesem selbstgebauten Gefängnis. 

Dabei hatte er doch eigentlich nur seinen Schal aus dem Schrank holen wollen, weil Therese beschlossen hatte, dass seiner besser zu ihrem Outfit passte, als ihr eigener. Sie war eben auch nervös, weil er ihre Familie kennen lernen sollte.

Um nicht zu frieren, wollte er doch nur seinen verdammten Schal aus der letzten Ecke seines Schrankes holen.

Und dann war es da. 

Es hing ganz hinten in seinem Schrank an einem Haken und man hätte es wahrscheinlich gar nicht gesehen, wenn er nicht schon die Hälfte seiner Sachen aussortiert hätte für den anstehenden Auszug. Doch da war es und starrte zurück mit einem ewigen Verlangen nach Aufmerksamkeit.

Schön wie eh und je. Das Kleid, das Niall schon so oft gesehen hatte und doch so lange nicht mehr. Keine Faser war ihm fremd. Es war, als wäre ihm nichts vertrauter als dieses Kleid. Dieses verdammte Kleid.

Der weiße Tüllrock, bestickt mit den Millionen kleinen Gänseblümchen schien noch genauso auszusehen wie am ersten Tag. Als wäre er ungetragen. Dabei war Niall sich fast sicher, dass kein Kleidungsstück in seinem Kleiderschrank häufiger getragen wurde, als dieses Kleid vor ihm. Er würde immer noch einen so atemberaubenden Kontrast geben zu den braunen Beinen, die in seiner Vorstellung darunter hervorsahen. Sein Blick glitt vom Rock nach oben zum Oberteil des Kleides, das sich immer an ihren Körper geschmiegt hatte, als wäre ihr Körper für das Kleid gemacht worden. Unwillkürlich tauchte vor ihm die goldene Kette mit dem kleinen Kleeblatt auf, die im V-Ausschnitt zwischen ihren Brüsten baumelte, wenn sie tanzte.

Gott, hatte er sie oft angestarrt. Jedes noch so kleine Detail war so genau vor seinem inneren Auge, dass er nicht glauben konnte, schon eine solche, lange Zeit nicht mehr an dieses Kleid gedacht zu haben. An sie in diesem Kleid gedacht zu haben.

Sie hatte immer so schön darin ausgesehen.

Niall konnte sich gar nicht vorstellen, dass irgendjemand jemals schöner ausgesehen hatte.

Er wusste, dass das Kleid noch in seinem Schrank hing. Dass sie es hier vergessen hatte, als sie gegangen war. Oder ganz bewusst hier gelassen hatte, weil sie es nicht mitnehmen wollte. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein hatte er die Information fest verschlossen gehalten, damit sie ihn jetzt traf. Das war der einzige Grund dafür.

„Niall", er hätte Thereses Stimme vermutlich nicht wahrgenommen, wenn sie nicht mit der Hand seine Schulter berührt hätte. Leicht schreckte er zusammen.

Mit einer Leichtigkeit zerstörte sie die Mauer aus Watte in seinem inneren, so dass er sich selbst daran erinnern musste, dass sie nicht existent gewesen war. 

Er sah zu Therese, die ihn freundlich anlächelte. Die Sommersprossen bildeten Muster auf ihrer blassen Haut, die er gern mit einem Stift verbunden hätte. Obwohl Winter war, waren sie stärker denn je. Ihr Lächeln war warm und leise und wollte zeigen, dass sie es nicht jedem schenkte und ließ Niall in diesem Moment durchatmen.  

Es hatte seit dem ersten Augenblick beruhigend auf ihn gewirkt. 

„Oh! Das ist ja wunderschön", sie log schlecht, so wie sie immer log.  

Das Kleid war nicht Thereses Stil. Es würde ihrer blassen Haut nicht stehen. Sie würde darin aussehen wie eine Puppe, die man verkleidet hatte. Wie aus Porzellan. In dem Kleid würde man sie auf ein Regal stellen wollen und sie sich einfach nur stundenlang anschauen wollen. Doch das war nicht das, was das Kleid wollte. Es brauchte Leben. Freude. Lachen.

„War das als Überraschung für mich gedacht? Hab ich gerade was kaputt gemacht? Verdammt, das tut mir leid, Niall", sie schlug sich die Hände vor den Mund und hatte die blauen Augen, die ihn manchmal so sehr an seine eigenen erinnerten, weit aufgerissen. Ihre rot lackierten Fingernägel würden sich mit dem Kleid beißen, stellte Niall fest.

Es war nicht weit hergeholt, dass das Kleid vielleicht als Geschenk für sie gedacht war. Immerhin war ihr Geburtstag in zwei Wochen und in seiner Schreibtischschublade hatte er bereits ein paar silberne Kreolen, die ihr deutlich besser zusagen würden, als das Kleid vor ihnen. Sie hatte ihm tausend mal die Bilder gezeigt, während sie vor dem Fernseher gesessen hatten und so getan, als könnte sie sich gar nicht entscheiden, welches Paar ihr am besten gefiele. Nur, um dann am nächsten Tag ausführlich zu erklären, was sie an Schmuck überhaupt nicht mochte, so dass Niall nur noch das Paar übrig blieb, das nun in seiner Schublade schlummerte. Natürlich ganz aus dem Kontext gerissen.

„Ist schon gut", sagte er und strich ihr durch die roten Haare. Sie waren in einem strengen Zopf zusammengebunden, der ihr über den Rücken fiel. Nur einzelne Strähnen hingen in ihrem Gesicht und wüsste Niall es nicht besser, würden sie zufällig aussehen. Doch er hatte selbst dabei zugesehen, wie sie sie sorgfältig ausgesucht hatte und herauszog, damit Therese ihr Lächeln, dass immer noch die geraden Lippen zierte, mit ihnen perfekt einrahmen konnte. 

Sie war sehr hübsch. 

„Ich verspreche dir, ich tue so als wäre ich überrascht, wenn du es mir schenkst", flötete Therese und Niall musste Lachen, auch wenn ihm gerade nicht nach Lachen Zumute war. Er ergriff ihre Hand und wollte sie von dem Schrank wegziehen, wollte seine Kleidung wieder davor hängen und so tun, als hätte Therese es nie gesehen. Als hätte er es nie wieder gesehen.

„Hier ist doch dein Schal", sie löste ihre Hand aus seinem Griff und zog ihn aus dem oberen Fach, das er überhaupt nicht beachtet hatte, als er nach ihm gesucht hatte. Mit flinken Fingern band sie ihn ihm um den Hals. Er war grün kariert mit einigen gelben Linien und unglaublich hässlich. Niall konnte sich nicht erinnern ihn sich jemals gekauft zu haben. Musste wohl ein Geschenk gewesen sein.

„Na komm! Mein Onkel ist bestimmt schon grummelig, weil wir zu spät sind", grinste sie und ließ ihre Hand wieder in Seine gleiten. Er verspannte sich ein wenig, als sie ihren Onkel erwähnte. Eigentlich hatte er sich darauf gefreut Thereses ganze Familie kennen zu lernen. Aber gerade drehte sich sein Magen um, wenn er daran dachte, mit irgendwelchen anderen Leuten, als Therese zu interagieren zu müssen. Das war einfach nicht möglich.

„Ich erzähl' schon Keinem von deinem Geburtstagsgeschenk für mich", Therese drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor sie ihn aus dem Chaos zog, das er sein Zimmer nannte.

Nie im Leben würde er es ihr schenken. Egal, welche Lüge er sich aus dem Ärmel ziehen musste.

In seinem Inneren hoffte Niall einfach, dass seine Freundin es bis zu seinem Geburtstag wieder vergessen hatte. Es war ja nur ein kleiner, unbedeutender Moment. Für sie.

Ein Kleid aus Gänseblümchen // n. h.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt