Sie nickte unauffällig mit dem Kopf nach rechts und zwinkerte, bevor sie zurück in die Eisdiele ging. "Was?", fragte Avery. Ich sah kurz vorsichtig nach da, wo Laila hingenickt hatte. An dem Tisch saßen vier Jungs. Einer mit hellbraunen und wuscheligen Haaren sah immer wieder »unauffällig« (was zumindest er offensichtlich dachte) zu unserem Tisch rüber. Besser gesagt zu Avery. Er hatte braune Augen und die suchten offensichtlich andauernd Blickkontakt mit meiner besten Freundin. Ich lächelte Ave an. "Cute." "Was glaubst du, wie alt der ist?" "Ähm...", ich überlegte. "17? 18? Keine Ahnung. Warum willst du das denn wissen?" Rhetorische Frage. Ich meine, erstens war ich ja auch ein Mädchen, zweitens nicht doof und drittens kannte ich meine BFF. Die beiden waren verknallt. Oder zumindest anverknallt. Aber das total. Vielleicht wussten sie es nur noch nicht. Aber das ließ sich ja ändern... Ein anderer Junge, der auch am Tisch saß, hatte blonde Haare, die an den Seiten kürzer waren als oben, wo sie mit Gel gestylt waren. Seine hellblauen Augen blickten genau in meine, als er sich kurz umdrehte um zu sehen, wo sein Kumpel durchgehend hinsah. Ein anderer Typ mit dunkelbraunen Haaren, die ebenfalls oben länger waren als an den Seiten, sah, dass der blonde Typ mich ansah und ich bildete mir ein, für ganz kurze Zeit einen Hauch Wut in seinen dunkelbraunen Augen aufblitzen zu sehen. Als der Kerl mit den hellbraunen Haaren zum ungefähr hundertsten Mal zu Avery sah, verdrehte der Blondschopf genervt die Augen und stand auf.
Zielstrebig ging er auf unseren Tisch zu. Für kurze Zeit hatte ich Angst, dass er Ave und mir jetzt sagen würde, wir sollten von hier abhauen, damit sein Kumpel nicht alle zwei Sekunden abgelenkt wurde. Lächerlicher Gedanke, ich weiß. Stattdessen lehnte er sich mit seinen Armen auf den dritten (und freien) Stuhl an unserem Tisch und lächelte. Irgendwie war er schon echt süß. "Hi, wie geht's?" Oke, Amber, das kann jetzt nicht wahr sein, du träumst nur. Oder? "Ähm, gut und dir?", sagte ich irritiert und ziemlich überfordert. "Auch, danke. Cool, wie ihr vermutlich schon gesehen habt, hat Marc...", er deutete auf den hellbraunen Wuschelkopf, "euch auch schon bemerkt. Vor allem dich.", sagte er und zwinkerte Avery zu. Sie lächelte schüchtern. Wann war Ave bitte mal schüchtern? Sie war das Selbstbewusstsein, die Stärke, der Mut in Person. Offensichtlich hatte »Marc« es ihr echt angetan. "Wollt ihr euch nicht zu uns setzen?" Ich sah zu Avery. Sie nickte. "Ja, klar, gern. Schieben wir die Tische zusammen?" "Super! Ja, klar. Charlie, Marc? Rutscht mal zur Seite und holt den Tisch hier, wir haben jetzt zwei Chicks am Tisch!" Der braunhaarige Typ und Marc erhoben sich und holten unseren Tisch zu ihrem. Avery und ich trugen unsere Stühle zu den Jungs.
Nachdem wir alle wieder saßen, kamen Laila und eine andere Bedienung auch schon aus dem Inneren der Eisdiele; beladen mit Tabletts, auf denen sie insgesamt sechs Eisbecher balancierten. Laila brauchte zwei Sekunden, bis sie gemerkt hatte, was anders war und kam dann lächelnd auf uns zu. Als wir alle mit Eis versorgt waren, wünschten sie und das andere Mädchen uns noch viel Spaß und verschwanden dann wieder zu neuen Kunden. "Also, wie heißt ihr eigentlich?" Avery hob ihre Hand, in der sie auch ihren Eislöffel hielt. "Avery." "Hübscher Name.", sagte Marc und lächelte Ave an, die daraufhin leicht rosa im Gesicht wurde. Außer mir fiel das vermutlich aber niemandem auf. Schließlich kannte ich meine beste Freundin und wusste, wann sie nervös war. Wenn sie es überhaupt mal war. "Und du?", fragte der Blonde. "Amber. Ihr?" Ich blickte in die Runde. "Ich bin Liam. Das ist Marc. Der mit den dunklen Haaren, wo so genervt vor sich hinstarrt ist Charlie, und der nachdenkliche Braunhaarige da ist Jacob." Aha. Liam hieß der selbstbewusste Schönling also. "Wie alt seit ihr zwei?" "17.", sagte Avery nachdem wir einen Blick getauscht hatten. "Und ihr?", fragte sie nach kurzem Zögern. "18." "Alle?" Die Jungs nickten. "Was macht ihr heute noch so?", fragte Liam. "Ähm, wir wollten zusammen noch einen Film anschauen.", sagte ich zögerlich. "Hast du vielleicht Lust, mit mir davor noch spazieren zu gehen?", fragte er an mich gewandt. Charlie, der zuvor seinen Eislöffel schon fest umklammert hielt und mit vor Wut funkelnden Augen grimmig zu Liam gesehen hatte, schob nun seinen Stuhl zurück und joggte aus der Eisdiele. Ich drehte mich Richtung Ausgang und sah Charlie nach. Liam wendete sich wieder von dem davonlaufenden Jogger ab und sah mich an. "Und, was sagst du?" "Was?", ich drehte mich wieder zu Liam. "Ich... äh..." Es war unfair und sehr merkwürdig zugleich, dass es Liam so gleichgültig schien, dass Charlie weg war. Jacob war es anscheinend zwar nicht egal, aber er hatte nicht den Mut etwas zu sagen, also blieb er sitzen und Marc und Avery unterhielten sich miteinander und schenkten dem Rest der Welt sowieso keine Aufmerksamkeit mehr. Ich stand auf und sprintete aus der Eisdiele und Charlie nach. Er lief in den Park zum Weiher. Ich raste hinterher. "Hey, warte!", schrie ich. Vorne am Weiher hielt er endlich an und setzte sich ins Gras. Wütend schmiss er Steine ins Wasser. Ich stellte mich vor ihn. "Hör auf damit! Da sind Enten drin! Und Fische!" Er hielt inne und sah mich an. Ich setzte mich vor ihn. "Was ist los?" Er sah von mir weg und wollte gerade wieder aufstehen um vermutlich weiter zu laufen, da legte ich meine Hand auf sein Knie. Charlie sah kurz auf sein Knie und dann in meine Augen. "Bitte rede mit mir.", sagte ich sanft. "Ich kann nicht." "Du tust es aber gerade." Ich lächelte, woraufhin auch er ertappt lachte. "Wieso kannst du denn nicht mit mir reden? Ist es, weil ich so aussehe?" Ich schnitt eine Grimasse. Er lachte. "Nein, du redest ja auch mit mir, obwohl ich so aussehe." Jetzt schnitt er eine Grimasse. Ich musste lachen. Er sah mir wieder in die Augen. "Hör zu: ich weiß, ich kann dir nichts verbieten -ich kenne dich ja nicht mal- und das will ich auch nicht, aber ich bitte und warne dich: geh heute nicht mit Liam spazieren." "Warum? Ich dachte ihr seid Freunde? Magst du ihn nicht?" "Ich... Traue ihm nicht, denn ich weiß, was er vorhat..." "Oh, wenn du von seiner dämlichen Anmache vorher geredet hast, dann kann ich dich beruhigen. Da muss er sich schon mehr anstrengen." Charlie zog einen Mundwinkel nach oben und rang sich ein Lächeln ab. "Wenn das schon alles wäre, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt." "Was dann? Weißt du, ich hab in den letzten Tagen viele komische Dinge gehört und erlebt. Da kommt es jetzt auf das auch nicht mehr an." Er sah auf das Armband von Leon an meinem Handgelenk und nickte wissend. Dann blickte er sich kurz um und zog vorsichtig und nur für den Bruchteil einer Sekunde seinen grauen Jack&Jones-Hoodie an einem Handgelenk ein wenig hoch. Doch ich sah es. Ein schwarzes Lederarmband mit einer goldenen Schlange.
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Verbotene Augenblicke
Fantasy*pausiert* Was wäre, wenn deine Vergangenheit aus Lügen bestehen würde? Wenn deine Existenz in einer verbotenen Liebe ihren Ursprung gefunden hätte? Wenn du nach 17 Jahren erfahren würdest, dass es deine Familie -so wie sie ist- gar nicht geben dür...