Ich grinste. "Ja?" "Meins bist du." Seine Wangen färbten sich rosa und er lief die Treppe weiter nach oben. "Komm, ich will dir was zeigen." Ich folgte ihm nach oben; immer noch fasziniert von dem unglaublichen Eingangsbereich. Oben führte der Teppich von der Treppe aus weiter durch den Flur. An den Wänden hingen Bilder von den Jungs. Diesmal ohne Ave oder mich. Also scheinbar normale Bilder... Bei dem Gedanken an Jacobs tiefstes Geheimnis auf den weniger normalen Bildern musste ich lachen. Aber kein normales Boah-wie-lustig-Lachen sondern die Art, die einen tief in einem drin unglaublich glücklich macht. Ich lief ihm durch den Flur hinterher, an dessen Seite gegenüber der Treppe zu meiner Überraschung bodentiefe Fenster waren, an deren Seiten schwarze Vorhänge hingen. Durch die Fenster sah man den Sternenhimmel. "Warum sieht man den Himmel?", fragte ich irritiert. "Wieso? Würdest du lieber die Erde sehen?" Er lächelte matt. Offenbar versuchte er glücklich oder zumindest unbekümmert und normal zu wirken, aber es misslang ihm total. "Nein, ich mein nur, weil wir doch unter der Erde sind..." Verlegen sah ich zu Boden. "Stimmt. Aber der Baum ist ja auch nicht ganz normal, oder? Unsere ganze Welt ist nicht ganz normal, um ehrlich zu sein. Aber das ist dir mittlerweile ja bestimmt selber auch schon aufgefallen." Jap, definitiv. Diesmal huschte ein echtes Lächeln über seine Lippen. Ich beschloss, ihm als Antwort weiter zu folgen. Aber er blieb stehen; in Gedanken verloren. Als ich ihn überholte, sagte ich: "Also. Was willst du mir zeigen?" Jacob sah auf, reagierte aber sonst überhaupt nicht. Ich verdrehte die Augen. Langsam nervte mich seine Wut oder Trauer oder was auch immer das sein sollte. Aber ich spürte immer mehr, dass ich ihn liebte und sagte darum nichts.
Also steuerte ich einfach auf die nächstbeste Türe zu und öffnete sie. Während ich eintrat - die Augen immer noch auf ihn gerichtet - war ich felsenfest davon überzeugt, dass mich nichts auf dieser Welt noch aus der Bahn werfen könnte. Was könnte bitte NOCH besser sein, als diese atemberaubende Eingangshalle? Da wäre selbst eine Prinzessin eifersüchtig geworden. Doch als ich mich wirklich auf das Zimmer fokussierte, musste ich schlucken. Die Decke war tiefblau und Sterne glitzerten und funkelten an ihr wie tausende kleine Diamanten. Ein riesiges schwarzes Himmelbett mit blauen Vorhängen und schwarzer Bettwäsche stand links. Am Boden lag ein unfassbar flauschig aussehender schwarzer Teppich und von rechts spendete ein Kamin Wärme. Zumindest für mich. Die Wände waren in einem Blau-grau-Ton gestrichen, der perfekt zu dem dunklen Holzboden passte. An der Wand, an der auch der Kamin war, standen Regale, die bis obenhin mit Büchern gefüllt waren und neben der Tür stand ein - selbstverständlich - schwarzer Kleiderschrank. Ich versuchte, etwas zu sagen, aber ich schaffte es nur, meinen Mund zu bewegen. Irgendwie hatte ich erwartet, dass er ein ganz normales Zimmer wie jeder andere Teenager auch haben würde. Aber nun stand ich unter diesem gigantischen Sternenhimmel und brachte meinen Mund nicht mehr zu.
Jacob stand hinter mir; die Hände in die Hosentaschen gesteckt. "DAS ist dein Zimmer?", brachte ich schließlich staunend hervor. "Ja. Gefällt's dir?" Ungläubig zog ich eine Augenbraue hoch. Ne, natürlich nicht. Er schlief wortwörtlich jede Nacht unter den Sternen. Und jetzt fragte er mich ernsthaft, ob mir das gefallen würde? Ich rannte auf das Bett zu, sprang hinein und drehte mich auf den Rücken, sodass ich die Sterne genau beobachten konnte. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Jacob näher kam. Er legte ich neben mich und schaute auch an die Decke. "Das da ist der große Wagen. Siehst du ihn?" Klar, ich bin Hobby-Sternenforscher, Jake. Er zeigte auf irgendeine Sternenkombination und ich kniff die Augen zusammen, aber erkennen konnte ich original gar nichts. Er lachte, als er das merkte. Vorsichtig nahm er meine Hand und versuchte mir das Sternenbild mit meinem eigenen Finger zu zeigen. Aber um ehrlich zu sein, ich konnte mich nicht auf den großen Wagen oder sonst eine Sternenanordnung konzentrieren, wenn er so nah bei mir lag und meine Hand hielt. Ich konnte nur an seine Nähe denken und an nichts anderes. "Ach so, da." Ich versuchte glaubwürdig zu klingen, aber er durchschaute mich sofort. "Du siehst ihn nicht, oder?" "Nein...", gestand ich kleinlaut. Er ließ meine Hand los und drehte sich zur Seite, wo er seinen Kopf auf eine Hand abstützte. Ich sah ihn an und lächelte, woraufhin er mir über die Wange strich. "Wegen vorher...", flüsterte er. "Im Riesenrad... Warst du wegen Violett so aufgebracht oder wegen... mir?" Er grinste. "An dir lag's nicht.", sagte ich. Sein Grinsen wurde breiter, er rutschte näher und beugte sich über mich. Mein Atem wurde schneller und mein Puls erhöhte sich. Ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht und sah, wie seine Augen sich immer wieder von meinen lösten und kurz auf meinen Mund blickten. Schließlich senkte er seinen Kopf noch weiter nach unten und küsste mich. Ich würde jede Wette eingehen, dass mein Herz kurz ganz aussetzte. Er schmeckte nach einer Mischung aus Kaffee und Pfefferminze. Als er sich wieder von mir löste, konnte ich nicht anders als zu grinsen und er lächelte zurück und zeichnete mit seinem Finger meinen Mund nach. Dieser Moment brauchte keine Worte, keine Erklärung, nicht mal eine Frage. Alles, was es gab, waren er und ich und mich interessierte nicht mal der schwarze Bilderbaum im Flur, der soeben wohl ein Bild geändert hatte...
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Verbotene Augenblicke
Fantasy*pausiert* Was wäre, wenn deine Vergangenheit aus Lügen bestehen würde? Wenn deine Existenz in einer verbotenen Liebe ihren Ursprung gefunden hätte? Wenn du nach 17 Jahren erfahren würdest, dass es deine Familie -so wie sie ist- gar nicht geben dür...