Kapitel 3

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Er lächelte mich an. "Was ist los?" "Du Irre hast das Buch des Vergessens gelesen." "Bitte was?" Als ich begriff, dass er von dem schwarzen Buch mit der goldenen Aufschrift redete, lächelte ich triumphierend. "Aha. Dann hatte ich mit meiner Theorie ja doch Recht." "Ja." "Moment mal, woher weißt du von meiner Theorie?" "Ich hab deinen Brief gelesen. Schöne Handschrift." Er lachte. "Danke." Auf einmal wurde er ernst. "Amber, du musst mir versprechen, dass du das nie wieder machst, denn du wärst aus der Trance in der du warst nie wieder rausgekommen." "Aber ich wollte doch bloß überprüfen, ob Avery wegen dem Buch alles vergessen hat." "Ja, hat sie und deine Theorie war richtig. Du bist ein sehr cleveres Mädchen." Er sagte das mit ernster Stimme und ich spürte den ironischen Unterton. Zuerst blieb mein Gesicht ausdruckslos, doch dann verfinsterte es sich und ich setzte mich auf. "Warum bist du hier?" "Um dich zu beschützen." "Und warum willst du mich beschützen?" "Weil du in Gefahr bist." "Nein, das ist mir egal. Warum willst DU mich beschützen? Wir haben doch nichts miteinander zu tun." Er schwieg. Ich drehte mich zu ihm um, setzte mich in den Schneidersitz und sah ihn forschend an. "Wer bist du?" "Ich bin dein Halbbruder, Amber." 

Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Also ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber damit wirklich nicht. Er lehnte mit seinem Kopf an der Wand und sah mich entschuldigend an. "Die Antwort hab ich jetzt weniger erwartet." Er legte seine Hand auf mein Bein. "Aber... Aber warum musst du nur mich beschützen? Was ist mit Elaine?" "Elaine und ich sind nur deine Halbgeschwister. Unser Vater ist derselbe, aber wir haben eine andere Mutter als du, Amber." "Aber warum habt ihr mir das nie gesagt? Ich hätte doch..." Meine Stimme brach ab und ich begann zu weinen. Leon hob mich sanft zu sich und ich lehnte mich an ihn und ließ meinen Tränen freien Lauf. Er umarmte mich und strich mir durchs Haar. Als ich mich wieder ein bisschen beruhigt hatte, fragte ich: "Und warum musst du mich dann beschützen?" "Weil Elaine und ich zu der Gruppe gehören, um die es in dem schwarzen Buch geht. Unsere Mutter ist Victoria. Und James, also dein und mein Vater, hat sich in deine Mutter verliebt. Wir waren sauer, enttäuscht und verletzt. Dabei hatte er unsere Mutter nicht aus Liebe geheiratet, sondern weil die »Schwarze Schlange« jedes Mitglied an seinem 18. Geburtstag verheiratet. Danach altern wir nicht mehr, wenn wir genug der verbotenen Augenblicke sammeln. Denn die geben uns Kraft und machen uns unsterblich. Damals hab ich das nicht verstanden, weswegen auch ich James gebannt habe. Er ist in deinem Wecker. Und da er jetzt nicht mehr für dich da sein kann, bin ich es jetzt. Es tut mir so leid." "Nein, nein. James und meine Mutter haben sich bloß getrennt." Leon schüttelte traurig den Kopf. "Nein, haben sie nicht. Das war bloß die Lüge, mit der ihr verdammt wart zu leben." Ich schluchzte. Noch gestern war mein Leben perfekt. Ich hatte eine normale Schwester, meine Eltern waren nur geschieden, ich nicht verdammt und einen Mann in meiner Familie gab es nicht. Leon drückte mich fester an sich. Es klopfte und Elaine streckte ihren Kopf zur Tür herein. "Hi, Amber." "Hallo..." Elaine setzte sich auf die Bettkante und strich mitleidig über mein Bein. "Was ist eigentlich mit dem Unterricht und Avery?", schluchzte ich. "Mach dir keine Gedanken.", sagte Elaine ruhig. "Ich hab deiner Lehrerin gesagt, dir geht es nicht gut und du brauchst ein bisschen Ruhe." "Und Ave?" "Die steht draußen vor der Tür. Soll sie reinkommen?" "Ja, bitte." Elaine stand auf und öffnete die Tür. Avery sah geschockt und besorgt in mein verheultes Gesicht. Ich stand auf und sie rannte auf mich zu. Sie schloss mich in die Arme. "Elaine hat mir alles erzählt. Wenn du was brauchst, gib Bescheid." Ich nickte. Sie begleitete mich vorsichtig erneut zum Bett, denn ich hatte schon wieder keine Kraft in den Beinen. Leon hob mich zu sich und hielt mich fest. Elaine setzte sich erneut auf die Bettkante, nachdem sie die Tür geschlossen hatte und Avery rutschte auf die andere Seite von mir. Ich spürte, dass es Leon und Elaine von ganzem Herzen leid tat und das Averys Mitgefühl echt war. Ich lächelte leicht und schlief wieder ein.

Als ich aufwachte, war ich allein. Niemand war da. Alles war schwarz. Nicht einmal der Mond schien durch das offene Fenster herein, kein Stern strahlte am Himmel. Ich lief ans Fenster. Die kalte Nachtluft kitzelte in meinen Nase. Plötzlich verspürte ich einen Schmerz an meinem Handgelenk. Als ich hinsah, sah ich eine goldene Schlange, die sich um mein Handgelenk wand und mir tief ins Fleisch biss. Ich schrie auf.

Verbotene AugenblickeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt