Die letzten Tage waren die schönsten meines Lebens. Marco und ich haben uns so oft wie nur irgendwie möglich getroffen. Und mit jeder Minute spüre ich wie ich mich mehr in ihn verliebe. Wie aus meiner Abscheu gegen den gutaussehenden, von allen angehimmelten Lehrer solch tiefe Gefühle entstehen konnten, die alles andere als Hass sind weiß ich nicht so genau. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ihn so kennenlernen darf wie er wirklich ist, und nicht als eingebildeten Typen, der es genießt von seinen Schülerinnen angehimmelt zu werden. So ist er nämlich gar nicht.
Jedenfalls verlasse ich an einem Samstag Nachmittag seine Wohnung, da er bis Montag zu seinen Eltern will. Als ich an der nächsten Kreuzung um die Ecke biege höre ich eine Stimme: "Hey!". Da niemand sonst unterwegs ist und gemeint sein kann drehe ich mich um und stehe einer Frau gegenüber. Voller Schrecken erkenne ich sofort wen ich da vor mir habe. Ich erkenne die braunen leicht gewellten Haare und die schlanke Figur der Frau, die vor drei Wochen Marcos Wohnung verwüstet und ihm eine schallende Ohrfeige verpasst hat.
"Ja?", frage ich bemüht ruhig und unwissend.
"Du bist die Neue von Marco. Bist du nicht ein bisschen jung für ihn?" Es klingt mehr nach einer Aussage als nach einer Frage. Außerdem höre ich jetzt schon in ihrer Stimme, dass sie noch mehr weiß. Scheiße, das darf nicht sein.
"Ich weiß nicht wovon Sie reden", antworte ich höflich, in der Hoffnung sie noch irgendwie abwimmeln zu können, auch wenn es aussichtslos erscheint.
"Oh doch das weißt du ganz genau. Und ICH weiß noch viel mehr. Ich hab dich beobachtet und herausgefunden, dass du eine scheiß Schülerin bist. Wie tief muss man sinken um mit seinem Lehrer ins Bett zu gehen? Was bekommst du dafür? Bessere Noten?", zischt sie. Da es zwecklos ist zu leugnen muss ich wohl mit offenen Karten spielen.
"Ich bekomme gar nichts dafür. Er hat sich in mich verliebt und nur weil du nicht damit leben kannst abgewiesen zu werden musst du hier keine Psycho-Nummer abziehen." Nach diesen Worten lacht sie nur laut und gehässig auf, was sich anfühlt als würde sie mir ins Gesicht spucken.
"Hör mir mal zu Kleine, Marco gehört mir und wenn er erstmal im Gefängnis sitzt, weil er mit einer Schülerin gebumst hat dann wird er seine "Gefühle" für dich ganz schnell vergessen", sagt sie so nah an meinem Gesicht, dass ich ihren Atem auf meiner Haut spüre.
"Das würdest du...", beginne ich, doch werde von ihr unterbrochen.
"Oh doch das würde ich. Du kannst es ja drauf ankommen lassen wenn du willst. Und wenn du auf Nummer sicher gehen willst, wirst du ihn wohl abservieren müssen."
"Damit er dann mit gebrochenem Herzen zu dir zurück kommt? Ist das dein Plan? Glaub mir, das wird sicher nicht funktionieren." Jetzt bin auch ich wütend und kann mich nur schwer zurück halten. Hat sie nichts anderes zu tun als mir hinterher zu spionieren? Und wie krank ist das bitte?
"Ich würde es nicht drauf ankommen lassen, wenn dir etwas an ihm liegt. Du wirst ihn abservieren oder euer beider Leben zerstören. Es ist deine Entscheidung und glaub mir, ich bekomme alles mit." Mit diesen Worten verschwindet sie ohne sich noch ein einziges Mal zu mir umzudrehen. Was zum Teufel war das denn? Ein bisschen Angst macht mir das ganze ja schon, aber ich glaube einfach nicht, dass sie so sehr von Rache besessen ist, dass sie Marco verraten wird.
Die Unterhaltung geht mir dennoch den gesamten restlichen Tag nicht aus dem Kopf. Was soll ich nur tun? Und auch am Sonntag spukt mir diese Frage dauerhaft durch den Kopf. Auch ein Telefonat mit Marco kann mich nicht auf andere Gedanken bringen. Ganz im Gegenteil, seine Stimme zu hören verstärkt das Gedankenkarusell nur noch.
Sowohl das Wochenende als auch die ersten Stunden Unterricht am Montag gingen vorüber wie im Flug. Jetzt sitze ich im Klassenraum und schaue nach vorne und versuche dem zu lauschen, was Marco uns allen gerade zu erklären versucht. Das klappt nur mehr schlecht als recht. Und, dass Marcos Blick ständig an mir hängen bleibt und ich die Vorfreude mich zu begrüßen in seinen Augen sehe, macht es nicht viel besser.
Wie ich erwartet habe zitiert er mich nach dem Unterricht nach vorne um mit mir etwas wegen den Hausaufgaben zu "besprechen". Als endlich alle aus dem Raum sind, schließt er lautlos die Tür ab und kommt grinsend auf mich zu. Als er sich gerade zu mir herunter beugen will um mich zu küssen, ertönt eine kratzige Stimme aus dem Lautsprecher an der Wand. Sofort schrecken wir auseinander.
"Herr Wagner bitte ins Sekretariat." Mir läuft es sofort eiskalt den Rücken herunter und auch Marco wird ganz blass vor Schreck. Hektisch packt er seine Unterlagen in die Tasche und verlässt den Raum. Immer noch ganz starr vor Schock stehe ich noch einige Sekunden alleine im Klassenraum, bevor ich ihm folge.
Als ich den Bereich vor dem Sekretariat betrete ist dieser voller Menschen, wie jede Pause. Am anderen Ende des Hallen ähnlichen Raumes fällt mein Blick aber sofort auf ein bekanntes Gesicht. Laura steht dort lässig an der Wand lehnend und grinst mich triumphierend an. Ich kann den Schock nicht ganz verbergen, was ihr einiges an Genugtuung zu verschaffen scheint. Sie winkt mir lässig zu und verschwindet.
Ich spüre wie mir schwindlig wird und taumele rückwärts gegen die Wand, die mich zum Glück vor einem Sturz bewahrt. Ich sehe verschwommen wie Marco aus dem Sekretariat kommt und sofort auf mich zu läuft als er mich erblickt. Es sieht nicht so aus als würde ihn jemand aufhalten oder zur Polizei bringen wollen. Sie hat also nichts verraten, aber jetzt bin ich mir sicher, dass sie es tun wird wenn ich nichts tue.
"Sinah? Alles gut bei dir? Ist dir schwindelig?" Marcos Stimme dringt durch den Nebel in meinem Kopf hindurch. Irgendetwas löst sie in mir aus, denn der Schwindel ist schlagartig vorüber. Stattdessen macht sich anderweitige Überforderung breit. Ich muss hier weg, und zwar so schnell wie möglich.
"Es ist alles bestens. Ich muss los", nuschele ich und stürme davon. Auf dem Weg über den Schulhof werde ich von vielen komisch angeschaut, das ist mir aber egal und ich laufe einfach immer weiter. Ich komme erst wieder richtig zu mir als ich schluchzend in meiner Wohnung auf dem Sofa liege. Das ist einfach alles zu viel auf einmal. Und das schlimmste von allem ist das Wissen darüber, dass ich Marco verlieren werde. Dass ich ihn verlieren muss, um ihn und auch mich vor dieser Psycho-Tante zu schützen.
Ich werde Marco klar machen müssen, dass ich doch nichts für ihn empfinde und er mich in Frieden lassen soll. Es wird ihm das Herz brechen, und mir erst recht. Aber wenn ich ihm die Wahrheit sage, dann wird alles nur noch schlimmer. Er wird sich Laura vorknöpfen und damit ihren Zorn noch vertiefen. Und das ist das schlimmste was uns passieren kann.
Ich weiß nicht wie ich es schaffen soll ihn zu überzeugen, dass da keine Gefühle von meiner Seite aus sind. Alleine beim Gedanken ihn nicht mehr berühren und küssen zu können steigen mir die Tränen in die Augen. Und das ist nicht sehr überzeugend. Ich muss es aber irgendwie schaffen. Und er wird sicherlich darüber hinweg kommen.
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Wie man wohl erahnen kann geht es mit ein bisschen Drama weiter. Zur Entschädigung kommen heute mal gleich mehrere Kapitel, weil es mich beim Lesen selbst immer stört ständig unterbrechen zu müssen^^
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Wenn aus Hass Liebe wird [Lehrer×Schülerin]
RomanceEs muss ein verdammt komisches Gefühl sein, wenn man herausfindet, dass man jemanden, den man Jahre lang gehasst, oder zumindest sehr wenig mochte, vielleicht doch nicht mehr so abstoßend findet. Dass man denjenigen sogar in sein Herz schließt und s...