Am Morgen sitzen wir alle um halb 8 an dem langen Tisch im Essraum und nehmen unser Frühstück zu uns. Alle außer einer, Marco. Er ist bisher noch nicht aufgetaucht und ich mache mir langsam Gedanken. Um 8 wollen wir aufbrechen, da für heute eine längere Wanderung geplant ist. Ich hoffe er hat einfach nur verschlafen und ist nicht abwesend wegen gestern Abend. Ich weiß nicht wie er reagieren wird, und auch nicht was da jetzt eigentlich zwischen uns ist. Ist er immer noch sauer, oder hat er mir verziehen, ohne, dass er bisher eine Erklärung für mein Verhalten bekommen hat. Ich muss unbedingt einen Zeitpunkt finden um mit ihm zu reden.
Bisher scheint aber noch niemand seine Abwesenheit bemerkt zu haben. Erst als er aus seiner Hütte tritt und in unsere Richtung läuft. Als er näher kommt schauen alle in seine Richtung, mir eingeschlossen, und man kann auch schwer nicht hinschauen. Es ist offensichtlich, dass er verschlafen hat, denn seine Haare stehen in alle Richtungen ab und er wirkt immer noch leicht schlaftrunken. Ich muss mich zusammenreißen nicht loszulachen bei dem Anblick. Und da bin ich nicht die einzige, auch schräg gegenüber von mir höre ich Mara leicht kichern.
"Sorry, habe verschlafen", murmelt er in die Richtung in der Frau Mahr sitzt.
"Ja, das ist offensichtlich", entgegnet sie mit einem Grinsen. Verwirrt über die Bemerkung schaut er sie kurz an, setzt seinen Weg zu dem kleinen Frühstücksbuffet aber fort. Er hat wohl heute noch nicht in den Spiegel geschaut. Um ihn nicht weiter anzustarren konzentriere ich mich wieder auf mein Frühstück, bis Sarah mich anstößt.
"Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen er hatte viel Spaß heute Nacht. Aber hier im Nirgendwo wird er ja keine Waldfrau aufgerissen haben", flüstert sie mir zu und lacht laut über ihren eigenen Witz. Um nicht aufzufallen, lache ich auch ein bisschen mit. "Aber wer weiß, vielleicht geht ja auch was zwischen Frau Mahr und ihm und er ist deswegen mit auf Klassenfahrt", spekuliert sie weiter, schüttelt dann aber den Kopf und isst weiter. Zum Glück ist das Gespräch damit beendet.
Während der gesamten Wanderung passiert nichts besonderes. Wir sehen viel von der Natur in Schweden, und es ist einfach wunderschön hier. Ich muss unbedingt nochmal hier her, am liebsten mit Marco. Ich stelle mir vor, wie wir ganz alleine nur mit Rucksack und Zelt hier herum wandern. Ohne Handy und ohne Sorgen von irgendjemandem erwischt zu werden. Wir würden morgens aufwachen, mit Aussicht auf die Natur, den Tag gemütlich beginnen und dann so weit laufen wie wir wollen und dort bleiben wo es uns gefällt. Aber ich weiß ja nicht mal, ob er uns wirklich noch eine Chance gibt oder die letzte Nacht eine einmalige Sache war.
Vor lauter Träumerei vergesse ich auf den Weg zu achten und stolpere beinahe über eine, aus dem Boden ragende, Wurzel. Ich kann mich gerade noch an Sarah festhalten, die mich danach fragt, was eigentlich mit mir los sei. Ich beteuere, dass Garnichts mit mir los ist und wir laufen einfach weiter.
Ich kann nicht anders als immer wieder möglichst unauffällig einen Blick nach hinten zu werfen, wo Marco das Schlusslicht der Gruppe bildet. Oft treffen sich unsere Blicke und er lächelt mich unsicher an. Genauso oft schaut er aber auch nachdenklich in die Landschaft. Ob er wohl gerade über heute Nacht nachdenkt.
Gegen Nachmittag kommen wir wieder im "Camp" an und freuen uns alle über ein verfrühtes Abendessen. Das Laufen macht ziemlich hungrig. Den restlichen Abend haben wir zur freien Verfügung. Ein paar spielen Karten oder reden einfach nur und ein paar von den Jungs gehen in den See schwimmen. Sarah und ich entscheiden uns dazu uns ein bisschen die Umgebung anzuschauen. Ein Stück im Wald finden wir einen großen Stein, auf den wir uns beide niederlassen. Von hier aus können wir die kleinen Hütten nicht mehr sehen, sondern nur ein Stück des Sees, an dem aber niemand zu sehen ist.
Wir reden über Gott und die Welt, als Sarah auf etwas vor uns zeigt. Auch ich schaue jetzt in die Richtung und sehe, dass dort jemand mit dem Rücken zu uns steht. Oberkörperfrei und nur mit Badehose. Alleine an dem unverkennbaren Tattoo, das beinahe seinen gesamten oberen Rücken bedeckt und das ich erst heute Nacht wieder bewundert habe, erkenne ich, dass es Marco ist.
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Wenn aus Hass Liebe wird [Lehrer×Schülerin]
RomanceEs muss ein verdammt komisches Gefühl sein, wenn man herausfindet, dass man jemanden, den man Jahre lang gehasst, oder zumindest sehr wenig mochte, vielleicht doch nicht mehr so abstoßend findet. Dass man denjenigen sogar in sein Herz schließt und s...