Kapitel 2

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Der Abend verlief ohne weitere Zwischenfälle. Sie aßen gemeinsam an dem kleinen Küchentisch, schauten sich in Iwaizumis Zimmer noch ein paar Folgen ihrer aktuelle Lieblingsserie an und anschließend verabschiedete sich der Braunhaarige in sein Zimmer. Nachdenklich durchblätterte er seinen Terminkalender für die nächsten Tage. Dienstags und donnerstags hatte er immer die Spätschicht im Supermarkt, was bedeutete, dass er diesen beiden Tagen nicht zum Abendtraining konnte. Morgen war Freitag, das hieß um halb sieben Morgentraining, danach eine Vorlesung und zwei Seminare, drei Stunden in denen er noch nichts geplant hatte, dann Abendtraining ... Er seufzte und streckte die Arme über den Kopf. Seine Wirbel knackten unzufrieden. Er sollte schlafen gehen. Das frühe Aufstehen lag ihm sowieso schon nicht und wenn er jetzt auch noch bis in die Puppen wach blieb würde er morgen gar nicht aus den Federn kommen. Nach einem letzten prüfenden Blick auf seinen Handywecker glitt Oikawa in einen unruhigen Schlaf.

Was war das für ein nerviges Geräusch? Tropf, tropf, tropf ... Als ob ein Wasserhahn nicht richtig zugedreht wäre. Vielleicht im Bad? Aber dann würde er das Tropfen doch nicht so laut hören. Hatte es angefangen zu regnen und er hatte sein Fenster nicht geschlossen? Vielleicht hatte sich eine Wasserlache auf dem Fensterbrett gebildet und es tropfte auf den Boden. Er sollte das besser überprüfen, nicht, dass der Holzboden aufquoll. Er schaute sich im Zimmer um. Nein, die Fensterbank war trocken. Aber irgendwas stimmte doch hier nicht. Er starrte in die Schwärze. Tropf, tropf, tropf. Er konnte durch die Dunkelheit nur Schemen erkennen, doch er hätte schwören können vor dem Schlafen noch mehr Möbel in seinem Zimmer stehen gehabt zu haben. Tropf, tropf, tropf. Verdammt war das nervig! So könnte er auf gar keinen Fall wieder einschlafen. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend tastete er sich durch den Raum, durchschritt die Zimmertür und schlug den Weg in Richtung Bad ein. Tropf, tropf, tropf. War der Flur schon immer so lang gewesen? Normalerweise konnte er ihn mit zwei großen Schritten durchqueren, doch jetzt hatte er bestimmt schon fünf gemacht. Ein Ziehen breitete sich in seiner Magengegend aus und seine Kopfhaut fing an zu kribbeln. Tropf, tropf, tropf. Das Geräusch wurde unverkennbar lauter. Er schluckte trocken und ging weiter auf die vermutete Quelle des Tropfens zu. Nach einigen weiteren Schritten erkannte er einen dumpfen Lichtfleck. Tropf, tropf, tropf. Das Geräusch kam eindeutig von der Lichtquelle. Er steuerte darauf zu und erkannte eine Lampe, die einen schummrigen Lichtkegel auf den Boden warf. Tropf, tropf, tropf. In der Mitte des Lichtkegels stand ein Glas fast bis an den Rand gefüllt mit Wasser. Aus einem nicht ersichtlichen Ursprung an der vermuteten Decke tropfte es stetig in das Glas hinein. Es fehlte nur noch wenig Flüssigkeit und das Wasser würde über den Rand des Glases laufen. Tropf, tropf, tropf. Eine abgrundtiefe Panik erfasste ihn. Das Ziehen in seinem Magen wuchs sich zu Krämpfen aus, seine Augen weiteten und starrten angsterfüllt auf die sich bereits spannende Wasseroberfläche. "Nein!", schrie er krächzend auf und stolperte hektisch nach vorne. Mit den Händen versuchte er die herab perlende Flüssigkeit aufzufangen. Das Glas durfte auf gar keinen Fall überlaufen! Doch seine zu einer Schale geformten Hände waren schon nach kurzer Zeit ebenfalls komplett gefüllt. Tränen rannen über seine Wangen. "Nein..." Seine Stimme versagte. Und dann fiel der Tropfen, der die Flüssigkeit zum Überlaufen brachte.

Keuchend und schweißgebadet schreckte der Braunhaarige auf. Panisch und verwirrt glitten seine Augen hektisch über die Einrichtung seines Zimmers. Alles wieder da. Der Schreibtisch, der Kleiderschrank, das Bücherregal... Seine Atmung flachte langsam ab. Ein Albtraum? Erleichtert lachte er auf. Das war ihm ja schon ewig nicht mehr passiert. War das überhaupt schon mal vorgekommen? Vielleicht als er noch ganz klein war. Er schloss die Augen und ließ sich zurück in sein Kissen sinken. Tief ein- und ausatmend versuchte er seine Gedanken zu ordnen. Was war das für ein Mist gewesen? Immer noch irritiert schlug er die Augen wieder auf und warf einen Blick auf sein Handy. Beinahe zeitlich schnellte sein Puls erneut in die Höhe und er sprang aus dem Bett. "Scheiße, scheiße, scheiße!" Er hatte seinen Wecker überhört. Jetzt war er eine halbe Stunde zu spät dran. Frühstücken konnte er sich damit abschminken. Wie von der Tarantel gestochen hechtete er ins Bad um sich die Zähne zu putzen. Dabei wäre er fast über eine am Boden kauernde Person gefallen. "Iwa-chan, du Mistkerl! Warum hast du mich nicht geweckt?" Der Dunkelhaarige blickte desinteressiert auf während er sich seine Schuhe zuband. "Ich habe dich fünf Mal gerufen. Was kann ich dafür, wenn die Prinzessin auf der Erbse so tief und fest schlummert?" Als Antwort erhielt er ein verärgertes Schnauben. Mit Zahnbürste im Mund und Schaum auf den Lippen steckte der braunhaarige Zuspieler den Kopf aus dem Bad. "Dann warfe gefällift kurf auf mif", kam es unverständlich von ihm. "Ja, ja, mach hin Shittykawa." Iwaizumi hatte sich den Strohhalm eines Trinkpäckchens zwischen die Zähne gesteckt und saugte gelangweilt daran. 

Can I stay with you? (IwaOi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt