Es war Samstag und einer seiner wenigen freien Tage. Normalerweise wären gegen Mittag Trainingsspiele mit Teams anderer Universitäten angesagt, doch heute hatten sie eine Pause. Die Sonne brannte erbarmungslos in das kleine Zimmer und obwohl die Jalousien zugezogen waren und ein kleiner Ventilator brummend seinen Dienst verrichtete hätte der Raum einer Sauna ohne Weiteres Konkurrenz machen können. Er lag rücklings auf dem Bett, das dünne Laken hatte er achtlos auf den Boden gestrampelt, alle vier Gliedmaße von sich gestreckt. Seine dünne kurze Hose und das Shirt hatte er sich am Abend noch vom verschwitzten Körper geschält, sodass er nun nur in Boxershorts bekleidet versuchte, jedem noch so kleinen Luftzug möglichst viel Angriffsfläche zu bieten. Die normalerweise immer akkurat gestylten Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht. Seine Augen hielt er geschlossen. Es war eine furchtbare Nacht gewesen. Die sommerlichen Höchsttemperaturen hatten sich wie eine tonnenschwere Decke auf ihn gelegt und ihm beinahe die Luft zum Atmen genommen. Unruhig hatte er sich hin und her gewälzt und immer, wenn es sich anfühlte, als würde er, wenn schon nicht einschlafen, dann doch vor Erschöpfung das Bewusstsein verlieren, kamen ihm die Geräusche des vergangenen Abends in Erinnerung. In diesem Augenblick war er wieder hellwach und die Tortur begann von neuem. Seine Lider fühlten sich schwer an und seinen Muskeln schien jede Energie zu fehlen, sich auch nur wenige Millimeter zu bewegen. Ein Klopfen an seiner Zimmertür ließ ihn doch noch die Augen aufschlagen und matt brummen. Sie wurde aufgeschoben und ein Gesicht mit heute herabhängender Stachelfrisur schob sich in den Raum. „Bei dir ist es ja genauso heiß." Iwaizumi hatte eine kurze, locker sitzende Sporthose angezogen und ein Tanktop, was mehr Haut freigab, als es verdeckte. In seinen Haaren hatten sich kleine Wassertropfen angesammelt und sein Nacken und Schulterbereich glänzte feucht. Anscheinend hatte er sich Wasser über den Kopf laufen lassen zur Abkühlung. Schnell schloss der Braunhaarige die Lider wieder und gab erneut ein zustimmendes Brummen von sich. „Hier drinnen gehen wir ein. Hast du Lust in den Park zu gehen? Den mit dem kleinen See, vielleicht haben wir Glück und es ist nicht ganz so viel los. Dann können wir eine Runde schwimmen gehen." Oikawa blinzelte durch die langen Wimpern, die Aussicht auf das kühle Nass waren zu verlockend, als Iwas Vorschlag abzulehnen. Er richtete seinen Oberkörper auf und einige Schweißtropfen, die sich in der Kuhle seines Schlüsselbeins angesammelt hatten, rannen über seine Brust. Ein schwaches, aber freches Grinsen umspielte seine Lippen. „Spendierst du mir dann auch ein Eis Iwa-Chan?" Der Kleinere zog die Augenbrauen zusammen und grummelte. „Nur wenn wir an einer Eisdiele vorbeikommen und auch nur zwei Kugeln." Der Zuspieler stutzte, er hatte mit einer Abfuhr gerechnet. Nun ja, gut für ihn. „Danke Iwa-Chaaaan", flötete er zuckersüß und schwang die Beine aus dem Bett. „Ich pack schnell meine Sachen zusammen."
Etwa eine dreiviertel Stunde später schlenderten die beiden Freunde durch den großen Stadtpark in Richtung See. Die Wege waren gesäumt von großen Kirschbäumen, die zwar nicht mehr ihre fluffigen rosa Blüten trugen, dafür aber ein dichtes grünes Blattwerk, was ausreichend Schatten für die Spaziergänger spendete. Die Grünanlage war voll von Familien mit Kindern, die der städtischen Betonwüste entkommen und wenigstens etwas Natur schnuppern wollten. Hier und da saßen Gruppen von Schülern und Studenten auf den Wiesen und picknickten oder ließen sich einfach faul die Sonne auf den Bauch scheinen. Vor ein paar Wochen war der dunkelhaarige Außenangreifer hier joggen gegangen und hatte per Zufall eine schwer erreichbare Stelle an dem kleinen Badesee gefunden, die weniger überlaufen war als die künstlich aufgeschütteten Sandstrände. Die beiden Teamkollegen bogen von dem Hauptweg ab auf einen Trampelpfad, schlugen sich durch etwas Gestrüpp und erreichten den etwa zehn Meter langen Rasenstreifen direkt am Ufer. Links und rechts wurde er eingerahmt durch dichtes Schilfrohr, welches in das dichte Geäst auf der Rückseite nahtlos überging. Mit einem Kinderwagen wäre man stecken geblieben bei dem Versuch durch das Unterholz zu gelangen, sodass sich neben den beiden Freunden nur noch eine kleine Gruppe von fünf Schülern an dem Uferabschnitt befand. Diese hatte sich an das linke Ende verzogen und spielten hitzig ein Kartenspiel. Iwaizumi breitete am gegenüberliegenden Ende eine mitgebrachte Picknickdecke aus und ließ sich darauf fallen. Der Braunhaarige tat es ihm gleich. „Puh, von der Lauferei bin ich ganz verschwitzt. Gehen wir direkt ins Wasser?" Er blinzelte zu seinem Mitbewohner, der sich bereits das Shirt über den Kopf zog. Ihre Badehosen hatten beide bereits in der Wohnung angezogen und Ersatzhosen eingesteckt. Ohne zu zögern riss er sich ebenfalls sein Oberteil vom Leib und stürzte übereilt auf das Nass zu. „Ich bin Erster!", brüllte er, den Kopf dabei dem Angreifer zudrehend. Dabei übersah er eine aus dem Boden ragende Wurzel, blieb mit der Fußspitze hängen und geriet ins Straucheln. Wild mit den Armen rudernd stolperte er vorwärts, konnte sich letztendlich jedoch nicht mehr abfangen und landete bäuchlings im Wasser. Die Uferböschung fiel an dieser Seite des Sees steil ab, sodass ihn das er zumindest nicht mit der Haut über die am Grund liegenden Steine schrappte und direkt von der kalten Flüssigkeit umschlossen wurde. Als er verdattert seinen Kopf aus dem See herausstreckte vernahm er ein ungezügeltes Lachen und Schnauben. Der Dunkelhaarige war anscheinend ebenfalls auf halben Weg zum Wasser gewesen, hatte sich bei der Aktion jedoch in die Hocke begeben und hielt sich nun schnaufend den Bauch. „Was zur... Hölle... Shittykawa!" Die Worte wurden immer wieder durch einen Lachanfall unterbrochen. Beleidigt blies der Ausgelachte seine Wangen auf, bevor sich ein heimtückisches Grinsen auf sein Gesicht schlich. Er schwamm näher an die Uferböschung heran, bildete mit seinen Händen eine Schale und schaufelte mit einem Schlachtruf Wasser in Richtung seines Freundes. Dieser sprang erschrocken auf, erfasste die Situation in Sekundenschnelle und rannte auf den Übeltäter zu. Kurz vor dem Uferrand drückte er sich vom Boden ab, glitt eine kurze Strecke im Sprung über den Kopf des Zuspielers hinweg, bevor er seine Beine anzog, diese mit den Armen umschloss und sich mit einem lauten Platschen ins Wasser fallen ließ. Der dadurch entstandenen Minitsunami überrollte den Braunhaarigen und ließ ihn wie einen begossenen Pudel zurück. Der Außenangreifer tauchte einige Meter entfernt wieder auf und grinste hämisch. „Iwa-Chan, du bist gemein", quengelte der Größere. „Und das mit dem Nassspritzen war reine Nächstenliebe?", kam es spöttisch zurück. „Naja...", kleinlaut lugte Oikawa unter den nassen Haarsträhnen zu seinem Freund. Dessen Gesichtsausdruck wechselte von belustigt zu sanft lächelnd. „Lass uns eine Runde drehen", lud er ihn versöhnlich ein und schwamm mit ausholenden Armbewegungen los. Der Braunhaarige nickte fröhlich und schloss sich ihm an.
Eine ganze Weile später lagen die Beiden mit noch feucht glänzender Haut auf der Decke und ließen sich von der warmen Sommerluft trockenen. Es war später Nachmittag geworden. Langsam verschwanden die Familien aus der Parkanlage und das Kinderlachen wurde weniger. Auch die Gruppe von Schülern hatte sich vor einiger Zeit auf den Heimweg begeben, sodass die beiden Freunde allein an dem Uferabschnitt lagen. Jetzt, wo er so entspannt da lag, merkte der Zuspieler seine Erschöpfung wieder. Er lag auf dem Rücken und hatte die Arme als Kissenersatz hinter seinem Kopf überkreuzt. Immer wieder sackte dieser zur Seite und nach einigen Malen brachte er ihn nicht mehr in eine gerade Position, sondern ließ ihn auf seinem linken Oberarm ruhen. Eine monotone Geräuschkulisse aus Wasserplätschern, Zikaden Zirpen und dem gleichmäßigen Atmen seines Freundes lullten ihn langsam ein. Ohne es zu merken driftete er in einen angenehm ruhigen Schlaf. Eine eisige Kälte an seinem Hals ließ ihn erschrocken aus diesem wieder aufschrecken. Abrupt richtete er seinen Oberkörper auf und sah sich irritiert um. Wie lange hatte er geschlafen. Vor ihm hockte Iwa, jetzt wieder bekleidet mit kurzen Shorts und dem Tanktop und hielt ihm ein noch verpacktes Eis am Stiel vor die Nase. Der Braunhaarige blinzelte irritiert. „Guten Morgen du Schnarchnase. Ich dachte du wolltest ein Eis von mir ausgegeben bekommen?" Er griff erfreut über die angenehme Überraschung nach der klebrigen Abkühlung und riss die Verpackung auf. „Wo hast du das denn plötzlich her?" Der Angesprochene schnaubte. „Plötzlich ist wohl etwas übertrieben. Du hast fast eineinhalb Stunden geschlafen", er öffnete sich ebenfalls ein Eis, „und anscheinend das Klingeln vom Eiswagen nicht gehört. Da kam gerade einer auf dem Hauptweg entlanggefahren." Oikawa zog eine Schnute. „Und du hast mich hier ganz allein liegen lassen? Es hätte sich jemand an mir vergreifen können, während ich geschlafen habe." Der Dunkelhaarige zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. „Als ob sich jemand an einem Gorilla wie dir vergreifen wollte." „Iwa-Chan!" Der Zuspieler meckerte leise vor sich hin. Sein Freund hatte sein eigenes Eis mit wenigen Bissen runtergeschlungen. Wie machte er das? Ihm taten immer sofort die Zähne weh, wenn er in etwas so Kaltes biss. Mit dem Gedanken beschäftigt merkte er nicht, wie sich seine Kaltspeise in Wasser auflöste. „Hey, dein Eis schmilzt." „Hm?" Verwundert blickte er seinen Unterarm entlang, an dem sich klebrige Schlieren bildeten. „Du bist hoffnungslos." Der Dunkelhaarige beugte sich so schnell vor, dass er keine Zeit mehr hatte zu reagieren. Er schnappte sich sein Handgelenk, zog es nach oben und leckte mit spitzer Zunge die süße Flüssigkeit von Oikawas Arm. Dessen Herz setzte einige Schläge aus. Er riss seine Augen auf und lief tiefrot an. Als der Außenangreifer mit seiner Reinigungsaktion fertig war hob er den Kopf und blickte unmittelbar in die erschrockenen Gesichtszüge seines Freundes. Er stutzte und auch seine Wangen nahmen eine rosarote Färbung an. Ohne sich zu bewegen murmelte er: „Oh, sorry..." Dem Größeren stockte der Atem, was sollte er tun? Panik breitete sich in ihm aus. Das war eine Situation, die er sich nicht mal in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Ihm fehlte jeglicher Handlungsplan. Und plötzlich war da wieder die Erinnerung an den letzten Abend. Wie von der Tarantel gestochen zuckte sein Arm zurück und er ruckte mit dem Oberkörper von seinem Freund weg. Sein Mund klappte auf, doch es kamen keine Worte heraus. Iwaizumi hatte die nun leere Hand an seinen Hinterkopf gelegt und blickte verschämt zur Seite. „Tut mir leid", nuschelte er. „Ist so über mich gekommen." Der Zuspieler schluckte trocken und setzte ein falsches Grinsen auf. „Iwa-Chan, du P-Perversling! Das h-hat mich ganz schön überrascht." Einige Sekunden setzte eine unangenehme Stille ein. „Oikawa, ich muss..." „Wir sollten gehen, oder? Es wird ja schon dunkel." Seine Stimme hatte viel schriller geklungen als das geplant gewesen war. Er wollte es nicht hören. Nach der Aktion gerade musste Iwa etwas gemerkt haben. Vermutlich wollte er ihn darauf ansprechen und dann würde er merken, dass er lügt und angeekelt sein und dann ... Hastig zog der Zuspieler sich sein Shirt über den Kopf und stopfte die Mitbringsel in eine Tasche. Der Dunkelhaarige hatte geschwiegen und begann nun ebenfalls mit dem Einräumen. Sie kämpften sich erneut durch das Gestrüpp und schlugen den Weg in Richtung Bushaltestelle ein. Um die unangenehme Stille zu durchbrechen begann Oikawa ein vermeintlich harmloses Gespräch über das nächste Turnier. Nach einer Weile stellte er erleichtert fest, dass sein Teamkollege sich auf den Themenwechsel einzulassen schien und nicht mehr auf die vorangegangene Situation zu sprechen kam. Der Größere seufzte innerlich. Es würde wieder eine lange Nacht werden.
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Can I stay with you? (IwaOi)
FanfictionNach Abschluss der Oberschule entscheiden sich Oikawa und Iwaizumi gemeinsam für ein Studium in Tokio. Aufgrund der hohen Mietpreise ziehen sie gemeinsam in eine kleine Wohnung. Das Leben könnte so friedlich weitergehen, doch Oikawa hat ein Geheimni...