Der nächste Tag war die reinste Katastrophe gewesen. Natürlich hatte er nicht schlafen können und das machte sich nicht nur bei seiner Stimmung bemerkbar, die einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte, sondern auch bei seiner Leistung im Training. So viele Bälle hatte er schon lange nicht mehr verhauen. Frustriert stopfte er das abgebaute Netz in die dafür vorgesehene Kiste. Dunkle Ringe zierten die Haut unter seinen Augen und er erwischte sich immer wieder dabei, wie er verkrampft die Augenbrauen zusammenzog, um seinen Blick zu fokussieren. Die Außentemperaturen waren zwar nicht mehr weiter angestiegen, aber es war eine drückende Schwüle entstanden. Vor einer halben Stunde hatte es in der Ferne gefährlich angefangen zu grollen, vermutlich zog ein Gewitter heran. „Lass mal gut sein Oikawa, wir machen den Rest." Takahashi und Yamamoto schleppten gerade die beiden Pfeiler in den Geräteraum, an denen das Netz befestigt wurde und warfen ihm mitleidige Blicke zu. Seine Teamkollegen hatten natürlich bemerkt, dass dem sonst immer so motivierten Zuspieler jegliche Energie zu fehlen schien und er wurde während des gesamten Trainings darauf angesprochen. Ironischerweise hatte Iwa dem ein Ende gesetzt, indem er die anderen angeschnauzt hatte ‚Jeder kann ja wohl mal einen Scheißtag haben! Konzentriert euch lieber auf euer eigenes Spiel. Oikawa ist selbst in dem Zustand noch hundert Mal besser als ihr.'. Bei den Worten hatte sich seine Brust zusammengezogen und vor lauter Erleichterung, gepaart mit unendlicher Freude über die lobenden Worte und gleichzeitig verzweifelter Sehnsucht hätte er beinahe angefangen zu weinen. Unter aller Kraftaufbringung hatte er ein schiefes Grinsen aufsetzen und die schlechte Konstitution auf das Wetter schieben können. Dankbar nickte er dem unzertrennlichen Duo zu und schlurfte in die Umkleidekabine. Lustlos wechselte er die Kleidung. Sein Freund war noch dabei mit einigen anderen Spielern die Halle zu wischen. Wenn er sich beeilte könnte er vielleicht allein nach Hause gehen. Doch der Hoffnungsschimmer verglomm so schnell wie er entzündet wurde, denn in dem Augenblick flog die Kabinentür auf und der Außenangreifer begleitet von dem Teamkapitän kam sich unterhaltend in den Raum gestapft. Der Braunhaarige seufzte innerlich. Wenn er jetzt einfach vorlaufen würde hätte er keine Ausrede dafür. Also zog er sich seine Straßenschuhe an, setzte sich auf eine Bank und wartete geduldig an seiner Trinkflasche nuckelnd auf den Dunkelhaarigen. Dieser hatte sich rasch umgezogen und sie schlenderten beide samt erschöpft vom Training in Richtung Heimweg. Der Himmel hatte sich zugezogen und dunkle Wolken hingen gefährlich tief über den Dächern der Stadt. Das Grollen war lauter geworden und ab und zu wurde die graue Kulisse durch ein Wetterleuchten erhellt. Der Kleinere blickte immer wieder besorgt nach oben. „Hoffentlich schaffen wir es noch nach Hause bevor es richtig anfängt zu gewittern." Der Zuspieler gab ein undefiniertes Brummen von sich. Er hoffte eigentlich, dass es regnete, dann würde es vielleicht etwas abkühlen. Wie, als ob sein Wunsch erhört worden wäre, klatschten die ersten Tropfen auf den warmen Asphalt. Bei diesen blieb es jedoch nicht. Plötzlich frischte der Wind auf, heulte durch die engen Straßenschluchten und schien damit die Himmelsschleusen zu öffnen. Es setzte ein Platzregen ein, der die beiden Freunde innerhalb von wenigen Sekunden von oben bis unten durchnässte. „Scheiße!" Laut fluchend sprintete der Außenangreifer los, dicht gefolgt von seinem Teamkollegen. Nach wenigen Metern erreichten sie den Unterstand einer Bushaltestelle und drückten sich an dessen Rückwand. Missmutig schaute der Dunkelhaarige an sich herab. Seine Kleidung klebte an ihm und die Schuhe gaben bei jeder Bewegung schmatzende Geräusche von sich. „Das musste jetzt sein, oder?", brummte er vor sich hin. Auch Oikawa sah an seinem durchnässten Körper herab und schüttelte den Kopf. Er hatte ja unbedingt Regen gewollt. Innerhalb von wenigen Minuten kühlte es deutlich ab und die Wolken machten keine Anstalten, ihre Tore wieder zu schließen. Hinzu kam, dass das Gewitter nun unmittelbar über der Stadt zu sein schien, denn das Wetterleuchten war ausgewachsenen Blitzen gewichen, die sich in kurzer Abfolge mit lautem Krachen eine Darbietung gaben. Immer wenn es eine Böe an der Seitenverkleidung des Unterstandes vorbei schaffte erzitterte der Zuspieler. Eine feine Gänsehaut hatte sich auf seinen Armen ausgebreitet. „Frierst du?" Der Kleinere hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und sah ihn besorgt an. Er nickte knapp. Daraufhin schien sein Freund zu überlegen. Sein Blick huschte zwischen seinen Füßen und seiner Sporttasche hin und her. Nach einer Weile schien er einen Entschluss gefasst zu haben und seufzte. „Wir könnten uns zumindest mal die Trainings-Shirts anziehen. Die sind zwar verschwitzt, aber zumindest nicht pitschnass." Der Braunhaarige blickte auf seine feuchte Sporttasche. „Mal schauen, ob die Tasche das ausgehalten hat." Sie hatten Glück. Beide Sporttaschen waren zwar von außen nass, aber das Innere hatte die Feuchtigkeit nicht erreicht. Mit verschwitzten, aber immerhin einigermaßen trockenen Oberteilen, standen sie kurze Zeit später erneut an die Rückwand des Unterstandes gedrückt. Iwaizumi hatte wieder die Hände in seine Hosentaschen gesteckt, wohingegen sein Freund die Arme vor der Brust verschränkt hielt. Ihm war nur bedingt wärmer geworden durch den Kleidungstausch. Seine Muskeln fingen an zu zittern. „Ist es nicht besser?" Schaute der Kerl eigentlich die ganze Zeit zu ihm oder warum merkte er das immer direkt? „N-Nicht w-wirklich", bibberte der Größere und drückte die Arme noch etwas näher an den Körper. Sein Gegenüber schien erneut zu überlegen. Nach kurzer Zeit bildete sich ein rosa Schimmer auf seinen Wangen. „Ähm, Oikawa? Also ich glaube, wenn wir nicht wollen, dass unsere Taschen samt Inhalten wie unsere Handys komplett durchnässt werden müssen wir warten, bis es weniger regnet." Der Angesprochene hob eine Augenbraue als wolle er ausdrücken ‚Was du nicht sagst'. „Naja, aber du frierst ziemlich und...", der Dunkelhaarige schien tief Luft zu holen. „Also was ich sagen will, ist es in Ordnung, wenn ich dich in den Arm nehme." Dem Zuspieler klappte der Mund auf. Hatte Iwa das gerade wirklich gesagt? Mal abgesehen davon, dass es überhaupt nicht seine Art war Körperkontakt zu suchen hätte er normalerweise doch auch nicht deswegen gefragt, sondern es einfach gemacht. Als nächstes schoss ihm die Vorstellung von einer Umarmung von dem sonst so grummeligen Angreifer durch den Kopf und auch seine Wangen färbten sich rot. Er wollte gerade gespielt spöttisch ablehnen, als es erneut ein Windstoß in den Unterstand schaffte und ihn erzittern ließ. Wenn das so weiter ging würde er sich auf jeden Fall eine fette Erkältung zuziehen und es war ja auch nur eine Umarmung, er konnte sich gedanklich darauf vorbereiten. Er legte ein schiefes Grinsen auf. „Wie könnte ich denn eine Umarmung von meinem lieben Iwa-Chan ablehnen?", flötete er so gut es ging gegen den Lärm des Gewitters an. Der Dunkelhaarige zog kurz die Augenbrauen zusammen, seufzte dann aber und schloss die Arme um den Oberkörper seines Freundes. Sofort schien dessen Körper in Flammen zu stehen, keine Spur mehr von der noch gerade herrschenden Kälte. Oikawa wagte es nicht sich zu bewegen. Die Arme hatte er immer noch vor der Brust verschränkt, was zumindest ein wenig Abstand schaffte. Sein Herz tanzte Samba zwischen seinen Rippen und er hatte zunehmen Angst, das starke Klopfen würde ihn verraten. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen entlud sich plötzlich direkt über ihnen Energie in Form eines Donnergrollens. Das überraschend laute Geräusch ließ den Braunhaarigen heftig zusammenzucken und sich an das Nächstbeste klammern, was ihm zwischen die Finger kam. Dies stellte sich als das Oberteil seines Freundes heraus. Der Dunkelhaarige zog ihn reflexartig näher an sich und drückte mit einer Hand den Kopf des Zuspielers gegen seine Schulter. Nachdem der erste Schreck vergangen war, bemerkte der Braunhaarige seine Lage. Er spürte die Körperwärme des anderen, dessen Atem in seinem Nacken und den Geruch ... Tränen sammelten sich in seinen Augen. Er wollte hierbleiben, für immer. Einfach so dastehen, in der festen Umarmung seines Kindheitsfreundes, der Person, die er so sehr liebte. Die Erschöpfung der letzten Tage, so lange unterdrückte Gefühle und die Absurdität der Situation führten dazu, dass seine Abwehr in sich zusammenbrach. Ein Schluchzen verließ seine Kehle und erste feuchte Striemen bildeten sich auf seinen Wangen, sickerten in die Kleidung des Gegenübers. Als dieser das immer lauter werdende Wimmern bemerkte schob er den Größeren erschrocken eine halbe Armlänge von sich weg. „Was...?" Der Kleinere sah ihn mit geweiteten Augen an, anscheinend verzweifelt auf der Suche nach einem Grund für den Gefühlsausbruch. „Oikawa bitte! Was kann ich tun?", fragte er sichtlich gequält seinen Freund in diesem Zustand zu sehen. Der Zuspieler setzte den Tränen keinen Widerstand mehr entgegen. Er konnte nicht mehr. „I-Iwa... B-Bitte b-bleib bei mir... L-Lass mich n-nicht allein." Die Worte wurden immer wieder durch lautes Schluchzen unterbrochen. Zusätzliche Verwirrung schlich sich in den Blick des Angreifers. „Natürlich bleibe ich bei dir. Wann habe ich dich denn jemals allein gelassen? Wir waren doch immer zusammen. Ich liebe d...". Er brach abrupt ab und starrte zu Boden. Vor lauter Schreck hatte der Braunhaarige die Augen aufgerissen und das Schluchzen war in ein Schniefen übergegangen. „D-Du was?" Hatte er sich verhört? Sein Freund biss sich auf die Lippe und hielt den Blick weiterhin abwärtsgerichtet. „I-Iwa?" Etwas fing in seinem Inneren an auf sich aufmerksam zu machen. Erst ganz leise, nur ein Flüstern. Doch dann dachte er an die vergangenen Tage und das Flüstern wurde erst zu einem Rufen und dann zu einem Schreien, Hoffnung. „Iwa... D-Darf ich dich ... küssen?" Seine Stimme war nicht mehr als ein Wispern, aber der Dunkelhaarige riss den Kopf hoch als wäre er angeschrien worden. Mit weit aufgerissenen Liedern starrte er ihn zunächst einige Augenblicke an, bevor er zaghaft nickte. Zögerlich bewegten sie ihre Gesichter in die Richtung des jeweils anderen, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten. Einen Moment verharrten sie so, ängstlich, als ob doch noch etwas das Kommende verhindern könnte. Letztendlich überwand Iwaizumi die letzten Millimeter und legte seine Lippen auf die seines Freundes. Erst ganz sanft, als fürchtete er, durch seine Berührung den anderen zu verschrecken. In Oikawas Magen explodierte ein Kribbeln, was sich über seinen gesamten Körper ausbreitete und ihm jede Fähigkeit zum Denken zu nehmen schien. Übermannt schloss er die Augen und seufzte in den Kuss. Sein Mitbewohner schien dies als Erlaubnis zu verstehen, seine Berührung intensivieren zu dürfen. Immer noch sanft, aber nun deutlich zielstrebiger bewegte er seine Lippen und veranlasste den Geküssten damit es ihm nachzutun. Die Vorsicht verschwand zwischen den Beiden. Der Kuss wurde tiefer, heftiger und als der Zuspieler ein leises Keuchen nicht mehr unterdrücken konnte, schien sich bei dem Dunkelhaarigen jede Unsicherheit in Luft aufzulösen. Mit seiner Zunge strich er über die Lippen des anderen und forderte ihn dazu auf, seinen Mund zu öffnen. Die feuchte Berührung brachte den Braunhaarigen fast um den Verstand. Seine Beine wurden weich und wie ein Ertrinkender klammerte er sich an den Nacken des Freundes. Dieser hatte die Hände um sein Gesicht gelegt und presste ihn mit dem restlichen Körper gegen die Rückwand des Unterstandes. Ein unterdrücktes Stöhnen war zu vernehmen, von dem der Größere nicht hätte sagen können, ob es seiner oder der Kehle des anderen entsprang. Ein erneutes lautes Krachen der Wolken setzte dem leidenschaftlichen Kuss ein jähes Ende. Die beiden Teamkollegen trennten ihr Lippen abrupt, blieben jedoch aneinander geklammert stehen. Der Braunhaarige blickte in die Augen des Kleineren. Diese glänzten hitzig und er erkannte etwas in ihnen, was er bei seinem Freund noch nie gesehen hatte, Gier. Er schluckte trocken. „Iwa...", hauchte er leise, doch ein greller Blitz holte sie in das Hier und Jetzt zurück und der Dunkelhaarige wich einen Schritt zurück, um ihm Platz zu machen. Stille entstand zwischen den beiden, welche durch das nun leiser werdende Donnergrollen hier und da unterbrochen wurde. Der Regen hatte sich von einem Sturzbach in feines Nieseln verwandelt und in einiger Entfernung hatten sich die Wolken von einem tiefen Grau in ein Orangerot verwandet. „Ähm..." Der Zuspieler versuchte einen Anfang zu finden, einen Anfang für ein Gespräch, in dem gesagt werden konnte, was gerade passiert war. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Ein tiefes Seufzen entwich der Kehle seines Gegenübers. „Ich... ich glaube ich sollte dir was sagen", der Dunkelhaarige schluckte und schien dann all seinen Mut zusammenzunehmen. „Tooru... ich liebe dich. Schon seit ... ach scheiße, schon seit immer gefühlt. Kann ich ... ich meine ... darf ich trotzdem bei dir bleiben?" Mit der Frage hatte er den Blick von seinen Füßen auf seinen Teamkollegen gerichtet. Diesem hatte es kurzfristig die Sprache verschlagen. Nach dem Kuss hatte er natürlich vermutet, dass seine Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten, zumindest hatte er es stark gehofft, aber mit einer so direkten Liebesbekundung hatte er nicht gerechnet. Erneut traten im Tränen in die Augen, dieses Mal jedoch vor Freude. Mit einem schrillen Quietschen fiel er dem Dunkelhaarigen um den Hals. „Iwa-Chan! Ich liebe dich auch! Bleib immer bei mir!" Nach kurzem Zögern spürte er zwei starke Arme, die sich um seine Taille legten und vernahm ein Flüstern gegen seine Halsbeuge: „Gott sei Dank. Ich dachte ich würde dich verlieren." Sie verharrten einige Augenblicke in dieser Position, bis ein näherkommendes Brummen sie auseinanderfahren ließ. Mit dem Vorbeiziehen des Gewitters hatte auch der Straßenverkehr wieder eingesetzt und erste Autos tuckerten an ihrem Liebesnest vorbei. „Wir sollten wohl zu Hause weiterreden", brummte Iwaizumi verlegen und schnappte sich seine Tasche. Der Zuspieler nickte zustimmend und griff sich die eigene Sporttasche. Den mittlerweile warmen Sommerregen auf der Haut genießend schlenderten sie los. Nach einigen hundert Metern verspürte Oikawa eine Berührung an seiner rechten Hand. Er blickte herab und sah, wie sich die kräftigen Finger seines Freundes mit seinen eigenen verschränkten. Überrascht ruckte sein Kopf hoch und sein Herz machte einen Hüpfer. Der Dunkelhaarige hatte die Sporttasche über die rechte Schulter geworfen und den Blick starr geradeaus gerichtet. Seine Wangen hatten sich rosa verfärbt und etwas, was man bei ihm nicht häufig zu sehen bekam umspielte seine Lippen, ein Lächeln. Der Zuspieler erwiderte den Händedruck sanft und seufzte selig. Wer hätte gedacht, dass ein Sommergewitter so viel Gutes zurücklassen könnte.
________________________________
Vielen Dank, dass ihr bis zum Ende meiner zweiten FF gekommen seid :) Ich hoffe es hat euch gefallen.
Es wird noch ein Lemon-Extra geben, das hat euch ja schon bei der KageHina-FF so gut gefallen. Da dachte ich mir, das sollte ich beibehalten :D
DU LIEST GERADE
Can I stay with you? (IwaOi)
FanfictionNach Abschluss der Oberschule entscheiden sich Oikawa und Iwaizumi gemeinsam für ein Studium in Tokio. Aufgrund der hohen Mietpreise ziehen sie gemeinsam in eine kleine Wohnung. Das Leben könnte so friedlich weitergehen, doch Oikawa hat ein Geheimni...