Kapitel 1

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Stöhnend wache ich auf.
Mein Kopf dröhnt immernoch höllisch von letzter Nacht.

Hätten Anne und ich wohl letzte Nacht wieder so übertreiben müssen, denke ich mir. Wir haben bloß gestern ein bisschen zu tief, aus einem besonderen Anlass ins Glas geschaut. Eigentlich kann man das doch noch nicht einmal ein bisschen nennen, meinem Kater nach zu urteilen.

Schließlich hatten wir ja auch einen Anlass. Mehr oder weniger. Wir sind zusammen nach unserem relativ gut abgeschlossenen Abitur in eine belebtere Stadt gezogen. In eine gemütliche, kleine Wohnung für 2 Personen, über die man sich nicht beklagen konnte. Wir hatten einfach genug von dieser öden Landschaftsatmosphäre, von der wir in unserer Heimatstadt reichlich bedient wurden. Tausende von alten Omas, rund um die Uhr sitzend in ihren Schaukelstühlen und alle bestückt von einem langen Wollschal, den sie sich sicherlich 10 Mal um den Hals wickeln können, hängend an ihren Stricknadeln. Manchmal bekam einen dann das Gefühl von Verfolgungsängsten, wenn einen die Stilaugen von deinen Nachbarn auf Schritt und Tritt verfolgten. Für mich war das dann so ungefähr der Zeitpunkt, an dem ich beschlossen habe, mit meiner einzigen normalen besten Freundin abzuhauen. Nach Las Vegas durchbrennen, würde es eher beschreiben, aber da dass hier nicht Las Vegas ist.. Jedenfalls war der Rest aus unserer ehemaligen Klasse nämlich alles solche Spießer, die jeden morgen mit ihrer Hornbrille und ihrem Rollkragen bereits 20 Minuten vor Schulbeginn auf ihren Plätzen saßen und sich schon mal auf den kommenden Unterricht vorbereiteten, also fiel mir die Auswahl nicht ganz so schwer, mir einen auszusuchen, mit dem ich dann anschließend abhauen würde. Mich würde es sogar ganz und gar nicht wirklich wundern, wenn meine Schulkollegen diesem kompletten Gegenteil von Las Vegas, treu bleiben und mit einer spießigen Lebenseinstellung dort bis an ihr Lebensende leben würden.

Da hatten wir also einziges zum Nachholen, was Partys und sonstige Sachen, die wir bis jetzt alles verpasst haben, angeht. Und da das unsere erste Nacht in dieser Stadt war, wollten wir uns sicherlich nicht entgehen lassen, diese Nacht zu etwas besonderem zu machen. Dagegen mein heutiger Kater war dann wohl auch ein unvergesslicher, bei dem es wohl auch nichts helfen würde, wenn ich alle Kopfschmerztabletten aus unserem Medizinschrank klauen würde. Vielleicht würde da auch einfach mal ein starker Kaffee was helfen. Man kann ja mal an Wunder glauben.

Mit schweren Schritten schlurfe ich in die Küche. Mein Magen grummelt und verdaut wahrscheinlich noch den ganzen Alkohol und anderen Mist, den ich gestern abend noch hochmunter in mich hereingeschüttet habe. Mein Kopf pocht, wie verrückt und findet wahrscheinlich auch kein Ende. Meine Körperteile sind schwer wie blei und ich stinke nach einer wilden Partynacht. Man kann wahrscheinlich noch die einelnen Körper, die sich gestern im Club an meinen gerieben haben, einzeln riechen. Fazit also: Es könnte mir nicht besser gehen. Und auch wie jeder, der am vorherigen Tag all zu übertrieben hat mit dem Feiern, denkt sich wie auch ich mir, nie wieder Alkohol.

Als ich nach gefühlten Stunden ganz ermattet und mit noch langsameren Schritten, als davor, endlich in der Küche ankomme, schmeiße ich mich erst einmal auf einen unserer schwarzen Stühle mit meinen ganzen Körpergewicht, wodurch ich einen kurzen Moment dachte, der Stuhl würde darunter zusammenbrechen, aber er hielt, was er verspricht. Ein hoch auf IKEA! Meine Augen schließen sich durch die Müdigkeit, die schon die ganze Zeit in meinem Körper gefangen ist, wie von alleine und ich atme erst einmal tief ein und wieder aus. So, wie ich hier auf dem Stuhl und halb auf dem Boden liege, biete ich mit meinen zerzausten Haaren und dem verwischten Make-Up von gestern höchstwahrscheinlich einen sehr erotischen Anblick, bei dem so gut wie jeder schmelzen wird.

An letzte Nacht kann ich mich auch nicht mehr wirklich erinnern. Es scheint als hätte mir jemand eine Gehirnwäsche unterzugen. Lediglich kleine einzelne Bruchteile schwirren durch meine Gedanken, doch Bock auf ein Puzzle am Morgen habe ich nicht. 

Do you remember me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt