4. „normale" Erfahrungen

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„Guten Morgen!", rief Lukas durch meine Tür und riss mich damit unsanft aus dem Schlaf. Murrend drehte ich mich auf die Seite und zog mir die Decke über den Kopf. Heute war Samstag. Ein Blick auf mein Handy zeigte mir, dass es erst acht Uhr morgens war.

Normalerweise schlief ich an Samstagen aus, aber Lukas, oder besser gesagt mein Vater, hatten da wohl andere Pläne.

Er klopfte noch einmal nachdrücklich, „In einer halben Stunde gibt es Frühstück"

„Ich bin so gut wie auf dem Weg!", rief ich mit Nachdruck zu meiner Tür und unterdrückte den Drang, ein Kissen in die Richtung zu werfen.

Langsam richtete ich mich auf und streckte mich. Meine Wirbelsäule knackte laut, als ich meinen Rücken kurz eindrehte. Bei dem Geräusch musste ich leicht schmunzeln. Man könnte meinen, ich wäre sechzig und nicht erst sechzehn Jahre alt.

Widerwillig schlug ich meine Decke zurück und schwang meine Beine aus dem Bett. Warmes Sonnenlicht schien in mein Zimmer und ließ meine pastell-lilafarbene Tapete leuchten. Durch mein geöffnetes Fenster hörte ich die Vögel zwitschern.

Ich streckte mich und schlüpfte in meine kuscheligen Hausschuhe, welche ich direkt neben meinem Bett abgestellt hatte. Langsam schlurfte ich in mein Badezimmer und griff nach meiner Haarbürste, die neben dem Waschbecken auf der holzfarbenen Unterlage lag.

Als ich in den Spiegel sah, zog ich genervt die Augenbrauen hoch. Meine Haare sahen aus, als hätte ich sie erst durch einen Fleischwolf gedreht und dann als Spielzeug für eine wilde Katze verwendet. Ihr Volumen hatte ungefähr das Dreifache meines Kopfes erreicht.

„Wie zur Hölle ist so etwas möglich?", fragte ich mich selber leise und begann, meinen Haaren Stück für Stück wieder eine Form zu verleihen. Als ich endlich fertig war, wusch ich mir mein Gesicht und schaute noch ein letztes Mal prüfend in den Spiegel. Endlich sah ich wieder aus wie ein Mensch, was im Hinblick auf die Party heute Abend besonders wichtig war. Heute Abend würde ich auf meine erste Party gehen!

Bei der Vorstellung begann mein Herz Luftsprünge zu machen. Endlich würde ich normale jugendliche Erfahrungen sammeln können, wie ein ganz normaler Teenager. Und es gab Alkohol!

Außerhalb der offiziellen Empfänge hatte ich noch nie wirklich Alkohol getrunken, mal abgesehen von einem kleinen Cocktail oder einem Glas Sekt. Mein Vater hieß es nicht gut, wenn ich Alkohol trank. Umso mehr würde ich also dafür sorgen müssen, dass Lukas ihm keine heiklen Einzelheiten von der Feier heute Abend verriet, komme was wolle.

Beschwingt von meinem Vorhaben und der guten Aussicht auf den heutigen Abend verließ ich mein Badezimmer und ging schnellen Schrittes zu meinem Kleiderschrank. Ohne groß nachzudenken, griff ich nach einer schwarzen Leggings und einem bauchfreien blauen Oberteil.

Keine fünf Minuten später befand ich mich auf dem Weg nach unten.

In der Eingangshalle herrschte reges Treiben, was für diese Uhrzeit an einem Samstag nicht weiter verwunderlich war. Ein Dienstmädchen putzte die Scheiben, einige Bodyguards unterhielten sich in der rechten Ecke der Halle, direkt vor dem Gang, der zu dem Büro meines Vaters führte. Sie alle trugen eine Schutzweste und waren mindestens doppelt so breit wie ich. Eine Frau in einem edlen Anzug saß in einem der vielen schwarzen Sessel, sah geschäftig in eine schwarze Mappe und machte sich angeregt Notizen. Ihren zusammengezogenen Augenbrauen und dem verkniffenen Ausdruck um ihre Lippen herum nach zu urteilen, gefiel ihr nicht was sie sah. Das Wippen ihres rechten Fußes ließ darauf schließen, dass sie gestresst war. Was auch immer sie stresste, meinem Vater würde es nicht gefallen. Sie schien eine Beraterin zu sein, würde also wahrscheinlich nach dem Frühstück einen Termin bei meinem Vater haben. Ihre Vorfreude schien nicht sehr groß zu sein, aber das war verständlich. Niemand wollte Dominico Ciudan schlechte Nachrichten überbringen. Niemand.

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