20. Tutorenstunde

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pov: Harry

An diesem Nachmittag treffe ich mich mit Danielle. Ich hätte meine Tutorenstunden lieber mit Hannah gemacht, aber unsere Stundenpläne waren sehr inkompatibel. Mit Danielle hingegen habe ich direkt einen Zeitpunkt gefunden. Wir wollen uns vor der Bibliothek im vierten Stock treffen, nachdem sie für ihre Zauberkunst Hausaufgaben noch etwas recherchieren wollte. Ich stehe vor einem der Eingänge zur Bibliothek und warte. Einen Moment habe ich überlegt hineinzugehen und sie zu suchen, aber nachdem mir Madam Pince einen strengen Blick zugeworfen hat, weil ich ihr zu laut geatmet habe, habe ich mich doch für den Gang entschieden. Ich tigere im Gang hin und her. Irgendwie kann ich heute nicht still bleiben. Was ist, wenn zwischen uns ein unangenehmes Schweigen entsteht und ich nicht weiß was ich sagen soll? Bevor ich länger darüber nachdenken kann, stoße ich mit einer kleinen Gestalt zusammen. „Oops", stoße ich hervor als ein Stapel Bücher zu Boden fällt.

Gleichzeitig mit einer kleinen Hand greife ich nach einem der Bücher. Meine Hand streift die andere und ich sehe auf. Mein Blick trifft auf zwei strahlend blaue Augen. „Hi", sagt Louis zögernd. „Hi", stoße ich atemlos hervor. „Ich habe dich nicht gesehen", ergänze ich danach. Er wendet den Blick ab. „Also, ich habe dich länger nicht gesehen. Nicht richtig", rutscht es mir raus. Er zuckt zusammen und sammelt die Bücher ein, die zwischen uns auf dem Boden liegen. „Hallo Harry", ertönt da eine freundliche Stimme hinter uns. Ich drehe mich um und sehe Danielle, die gerade aus der Bibliothek gekommen ist. Unter ihrem Arm klemmt eine Rolle Pergament, mit ihrer freien Hand kämmt sie flüchtig durch ihre braunen Locken. Ihr Blick huscht kurz zwischen Louis und mir hin und her. „Bist du bereit die nächsten Stunden ganz allein mit mir auszuhalten?", fragt sie mich mit einem frechen Grinsen. Ich atme tief ein und will ihr gerade antworten als eine andere Stimme wieder ertönt: „Ich übernehme das!"

Überrascht schießt mein Kopf herum. Louis steht mittlerweile im Gang und hat alle Bücher wieder im Arm. „Wie bitte?", harkt Danielle nach. „Ich übernehme das!", wiederholt Louis. „Aber du hast noch nie jemanden aus einer der oberen Klassen gecoacht", setzt Danielle schwach an, aber eigentlich sieht sie nicht besonders traurig über Louis Angebot aus. „Machen wir uns nichts vor Danielle, wir wissen beide, dass du lieber mit den anderen Tee trinken möchtest." Ihr Grinsen wird breiter. Ich schaue zwischen den beiden hin und her und fühle mich so als wäre ich der Einzige, der gerade einen Insiderwitz nicht verstehen würde. „Harry, wäre das in Ordnung, wenn Louis die Stunde übernimmt? Ich weiß, er ist eigentlich kein richtiger Tutor, aber wenn es für dich okay wäre ...?" Ich nicke nur stumm. Mit dieser Wendung habe ich nicht gerechnet.

Nachdem Danielle in Richtung der großen Treppe verschwunden ist, stehen Louis und ich immer noch auf dem Gang. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich wollte zwar seit Wochen mit ihm sprechen, aber jetzt wo ich die Chance dazu habe, bekomme ich kein Wort heraus. Irgendwann räuspert er sich: „Wollen wir in einen freien Raum gehen?" Ich nicke. Bis wir einen freien Raum gefunden haben schweigen wir wieder. Louis lässt seine Bücher auf einen Tisch fallen und dreht sich schließlich zu mir herum. Ich vergrabe meine Hände tief in den Taschen meines Umhangs. Louis lehnt sich gegen eines der Pulte und beobachtet seine Schuhspitzen. „Wieso bist du einfach gegangen?", rutscht es mir schließlich heraus. Gleichzeitig sagt Louis: „Das hier war eine schlechte Idee." Fast gleichzeitig machen wir beide einen Schritt nach vorne. Er, um wieder zu gehen, ich, um ihn zu hindern.

Meine Hände umschließen seine Oberarme, bevor er sich an mir vorbei schieben kann. Der raue Stoff seines Pullovers kratzt sanft an meinen Handflächen. Einen Augenblick habe ich Angst, dass er sich einfach losreißt und trotzdem geht, aber zu meiner Überraschung weicht alle Spannung aus seinem Körper, als sich meine Hände sanft um seine Arme schließen. Einen Moment lang hebt er den Blick und wir sehen uns stumm an. Dann tritt er einen Schritt nach vorne und lässt stumm seine Kopf an meine Schulter fallen. Als er zischend ausatmet fällt alle Spannung aus seinem Körper und er lehnt sich schwer gegen mich.

Wir stehen einfach nur da. Sein Körper lehnt an meinem. Vorsichtig umschließe ich seinen Oberkörper mit meinen Armen. Sein sanfter Geruch dringt an meine Nase. Er riecht nach einer Mischung aus Waschmittel, frisch gemähtem Rasen, Kaminfeuer und ... einfach nach ihm. Ich halte ihn fest. Meine Finger graben sich in den Stoff seines Pullovers und ich gebe ihm Halt. Es ist ungewohnt, aber es fühlt sich richtig an. Meistens bin ich derjenige, der sich haltsuchend an jemanden lehnt. Aber es fühlt sich gut an einmal auf der anderen Seite zu stehen. Und ich halte ihn einfach nur fest.

Irgendwann löst er sich sanft von mir und räuspert sich wieder. „Wollen wir uns setzten?", frage ich vorsichtig. Louis nickt und wir lassen und auf einer der Fensterbänke nieder. Einen Augenblick lang schauen wir beide stumm hinaus. Der Himmel ist grau und es sieht nach Regen aus. Langsam ist es aber kalt genug, dass es auch schneien könnte. Ein paar Vögel kreisen über den Ländereien. In der Ferne ist der verbotene Wald zu sehen. „Ich war ein paar Tage bei meiner Mutter", unterbricht Louis plötzlich die Stille. Erstaunt schaue ich ihn an. Es ist nicht üblich, dass Schüler außerhalb der Ferien nach Hause fahren. „Sie hat gerade Saison Pause und meine Schwestern... wie auch immer. Ich musste nach Hause und Professor Slughorn hat eingewilligt." Ich nicke, auch wenn ich nicht ganz verstehe, wieso Louis nach Hause gefahren ist. „Ich kann nicht mehr in der Band mitmachen Harry. Ich kann einfach nicht. Es ist alles zu viel und du... also die Schule, die Prüfungen, Quidditch, die Band... Harry es tut mir leid." Schuldbewusst schaut er mich an, aber nach ein paar Sekunden wandert sein Blick wieder zum Fenster hinaus. Ich würde ihm gerne glauben, aber ich habe das Gefühl, er verheimlicht mir etwas. Ich habe das Gefühl, dass das nicht alles ist.

„Das bist nicht du!", flüstere ich. Louis Blick schnellt vom Fenster zu mir herum. In seinen Augen funkelt es auf einmal. Die Taubheit, die zuvor in seinem Blick lag, ist wie weg gewischt. Eine Mischung aus Wut und Verzweiflung liegt in seinem Blick. „Du weißt doch gar nicht wer ich bin!", presst er hervor, „Harry was weißt du schon. Vielleicht war das hier doch eine schlechte Idee!", Louis lässt sich von der Fensterbank gleiten und geht zurück zu seinen Büchern. Auch ich bin von der Fensterbank gesprungen. Einen Moment lang will ich ihm hinterherlaufen. Aber wenn er nicht bleiben möchte, wenn er nicht bei mir sein will. Vielleicht sollte ich ihn einfach gehen lassen.

Aber er geht nicht. Er ist stehen geblieben. Seine Schultern beben. Dann dreht er sich wieder um und schaut mich verzweifelt an.

Vorsichtig macht er einen Schritt zurück in meine Richtung.

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It's my birthday - und das Kapitel ist mein Geschenk an euch. Oder so ähnlich ;)

Ich weiß nicht ob ich so ganz zufrieden damit bin, aber irgendwie kam das so im Schreibfluss raus. Ich hoffe es gefällt euch und ich hoffe Harry und Louis kommen mal langsam voran... 

Ich bin außerdem wirklich überrascht, dass doch einige Leute die Geschichte aktiv lesen. Irgendwie habe ich nicht damit gerechnet. Früher habe ich kaum Kommentare zu Kapiteln bekommen, obwohl die Geschichten mehrere tausend Aufrufe hatten. Aber gerade die Kommentare zu lesen und zu beantworten ist das tolle an Wattpad für mich.

xx cu.

Im Bann der Schlange [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt