Kapitel 2 - Poppy

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Emery

Nachdem ich mich endlich verabschiedet habe - unter Tränen, hauptsächlich bei Ally - und etwas umherirren im Wohnheim, habe ich endlich mein Zimmer gefunden. Ich schleppe meinen Koffer und meine riesige Tasche durch die Tür und lasse alles erschöpft auf den Boden fallen. Wie viele Treppen hat dieses Haus und warum bin ich auf dem zweithöchsten Stock?

„Oh. Hiiii." Ein schlankes Mädel mit dunkler Haut und einem Pferdeschwanz voll schwarzer Locken und hellen Spitzen kommt auf mich zugehüpft und zieht dabei das i in die Länge.

Bevor ich irgendetwas antworten kann, wirft sie ihre Arme um meinen Hals, als kennen wir uns nicht erst seit dreißig Sekunden, sondern seit vielen Jahren. Schnell lässt sie mich wieder los, tritt einen Schritt zurück und schaut beschämt zu Boden.

„Sorry. Meine Ma sagt, ich bin viel zu überschwänglich und überrumpel Leute, besonders wenn ich aufgeregt bin. Und ich bin gerade sehr aufgeregt." Sie schaut wieder auf und sofort ist ein riesiges Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. Sie trägt einen knielangen, ausladenden rosa Faltenrock mit einem schlichten weißen T-Shirt und rosa Ballerinas. Sie sieht aus wie ein Buttercremetörtchen, aber ich komme nicht umhin zu lächeln. Sie ist das absolute Gegenteil von mir. Ich, in meiner schwarzen Lederjacke, dunklen Jeans mit Löchern an den Knien, hellgrauem Top und meinem dunkelbraunen Longbob-Haarschnitt.

„Ich bin Penelope, aber meine Freunde nennen mich Poppy. Bitte nenn mich Poppy!" Poppy. Das passt zu ihr. Ich lächele und halte ihr meine Hand entgegen. Sie lacht auf und schüttelt freudig meine Hand.

„Ich bin Emery. Meine Freunde nennen mich Emery." Poppy strahlt mit der Sonne draußen um die Wette und geht dann auf meine Taschen zu.

„Lass uns das mal alles reinbringen. Möchtest du irgendeine Seite des Zimmers haben?" Sie hebt meine schwere Tasche hoch und verzieht dann das Gesicht. Sie ist so zierlich, etwas, das wir gemeinsam haben, aber sie ist locker noch einen halben Kopf größer als ich. Ich sehe, wie sie unauffällig zur linken Seite des Zimmers schielt und mich dann sofort wieder anlächelt.

„Wenn es okay ist, würde ich diese Seite nehmen", sage ich und hieve meinen roten Koffer auf das Bett auf der rechten Seite. Poppy klatscht begeistert in die Hände und trägt ihre eigenen Tasche zu ihrem Schrank. Ich mag sie. Sehr. Ich hatte vorher Sorge, dass ich mir mit jemandem ein Zimmer teilen muss, den ich nicht mag, aber ich kann mir vorstellen, dass wir gute Freunde werden.

Als wir beide grob unser Zimmer eingerichtet und unsere Kleidung verstaut haben, sitzen wir beide schwer atmend auf unseren Betten und schauen uns an.

„Erzähl mir etwas über dich", sagt Poppy plötzlich und ich zucke zusammen. Ich mag sie, aber meine ganze Lebensgeschichte bin ich noch nicht bereit zu erklären, also fasse ich alles oberflächlich und kurz zusammen.

„Meine Mutter ist gestorben, als ich 11 war. Mit meinem Vater habe ich seit knapp drei Jahren keinen Kontakt mehr, keine Geschwister. Ich habe seitdem bei tollen Freunden gelebt und bin absolut glücklich." Den letzten Satz ergänze ich schnell, weil mich Poppy plötzlich todtraurig ansieht. Ein kleines Lächeln huscht dann doch über ihre Lippen. „Jetzt du."

„Meine Eltern leben ganz in der Nähe, ich habe einen Bruder namens Jackson, der ziemlich doof sein kann, aber ich liebe ihn über alles. Sag ihm das aber nicht." Sie kichert und scheint in Erinnerungen zu schwelgen.

„Was studierst du?", frage ich sie und sie holt ein Psychologiebuch aus einem Rucksack, der neben ihrem Bett lag und ich lache laut los, worauf sie mich verwirrt anschaut. Ich greife in meinen Rucksack und hole das gleiche Buch heraus. Poppy grinst über das ganze Gesicht und wirft ihr Buch hinter sich aufs Bett.

„Wir werden so viel Spaß haben", ruft sie und ich hoffe sie hat recht.

„Du weißt nicht zufällig, ob es hier auf dem Campus Jobs für Studenten gibt? Oder irgendwo in der Nähe?" Aaron meinte, ich brauche keinen Job und solle mich lieber auf mein Studium konzentrieren, aber einen Teufel werde ich tun und jahrelang auf seine Kosten leben. 

„Ich habe eben einen Aushang an der Bibliothek gesehen. Ich wollte mich da nachher mal erkundigen. Willst du mit?" Ich nicke. Bibliotheksarbeit kann nicht so wahnsinnig schwer sein oder?

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