Eileen - Klareis

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Einige Sekunden brachte keiner von uns einen geraden Satz, ja, nicht einmal ein Wort, zustande. Wie angewurzelt standen wir da, verwirrt und besorgt. In der Zeit, die verstrich, als bestünde sie aus zähflüssigem Honig, machte sich ein schreckliches, brennendes Gefühl in meinem Magen breit. Ich musste den Kloß in meinem Hals mühevoll herunterschlucken und mich dazu zwingen, ruhiger zu atmen.

Blaze sollte hier sein. Hier irgendwo. Wir sollten ihn zumindest hören können. Doch es war totenstill im Flur und auch aus der Wohnung drang kein Mucks. Nicht einmal eine Tür knarrte. Wie konnte das sein? Es musste doch irgendwas hier nicht stimmen. Hatte Klytios es geschafft, uns in eine Falle zu locken? War das alles nur eine Einbildung? Oder war es ihm womöglich schon gelungen, allein zu entkommen und wir waren bloß zu spät gekommen?
Nein, etwas sagte mit, dass hier mehr vorgefallen war. Aber was, schoss es mir durch den Kopf, was ist, wenn Klytios ihn längst besiegt hat? Wenn wir ihn nicht mehr retten können?

Kälte wanderte über mein Rückgrat nach oben, prickelte in meinem Nacken und ließ mich nervös zittern. Das durfte nicht sein. Es durfte einfach nicht. Blaze war unfassbar schlau und geschickt. Es würde sich doch nicht von jemandem wie Klytios austricksen lassen. Dann wiederum wusste ich ganz genau, wie sehr Angst den Verstand lähmen konnte. Ich hatte es gespürt. Er war in meinen Gedanken gewesen. Er hatte gesehen, was ich am meisten fürchtete. Bestimmt war es bei meinem Freund nicht anders.

„Wo ... wo ist er?", entwischte es mir schließlich. Erst jetzt, als ich wieder ein wenig daran gewöhnt war, meine Stimme zu hören, bemerkte ich, dass sie rau und abgehackt klang. Mein Hals war noch immer trocken, ebenso wie meine Mundhöhle. Ich hatte das Gefühl, erst den kompletten Kanusee austrinken zu müssen, ehe ich wieder wie ein normaler Mensch sprechen können würde.

„Nicht hier", stellte Zero düster fest und ging langsam in die Wohnung hinein. Er stieg über Holzspäne, watete in seinem schrecklich schmerzhaft aussehenden Aufzug zur erstbesten Tür und öffnete sie. Die Angeln quietschen so laut, dass ich unwillkürlich zusammenfuhr und hektisch einen Blick über die Schulter warf.

„Aber wo soll er denn sonst sein?", mischte sich auch Kaz ein. Im selben Moment fiel ihm wohl auch auf, dass er noch immer den Brustpanzer trug. Er verzog das Gesicht und legte ihn unwillig ab. Auf meine irritierte Miene hin murmelte er: „Ich dachte, vielleicht brauchen wir ihn noch irgendwann. Aber das Ding ist viel zu schwer. Ich kann es mir nicht leisten, den mit mir rumzuschleppen. Lass uns einfach hoffen, dass er uns sowieso nicht nützlich wäre."

Kurzerhand kickte er ihn die Treppe herunter. Der scheppernde Ton vibrierte in meinen Ohren und ich wollte sie mir schon zuhalten, als Cia den Kopf hob und sich verwirrt umblickte. Der Lärm musste sie aus ihrer Trance aufgeschreckt haben.

„Er ist in seinem Unterbewusstsein", sagte sie, so unfassbar langsam, dass man meinen könnte, sie müsste die englische Sprache neu erlernen. Ihr gesundheitlicher Zustand wurde mir jeder Minute schlechter. Wenn ich so darüber nachdachte hätte das, was ihr die Wunden zugefügt hatte, auch giftig sein können. Das würde erklären, warum sie sich so verhielt. Zusätzlich zum Blutmangel. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zog Kaz seine Jacke aus und drückte sie auf Cias Verletzungen. Es kam reichlich spät, aber war wohl besser als nichts. Ihr Kiefer verspannte sich und sie zischte unter Schmerzen.

Ich hingegen legte die Stirn in Falten. „Was meinst du mit seinem Unterbewusstsein? Ist das hier nicht schon eine Form davon, wenn Klytios uns wirklich in unseren Ängsten einsperrt?"

Cia öffnete den Mund, um mir zu antworten, brachte allerdings nichts außer einem müden Seufzer zustande. Zero, der wieder aus dem Badezimmer trat und sich in den Türrahmen lehnte, übernahm das für sie, trotz der sichtlichen Probleme, die ihm das Sprechen bereitete. „Er muss noch tiefer eingetaucht sein. Das ist der Plan. Wenn wir nicht an einer Angst hängenbleiben, verlaufen wir uns im Unterbewusstsein, durchleben unser Schlimmstes und verlieren den Verstand. So kann Klytios uns für immer einsperren." Zum Ende hin wurde seine Stimme immer leise, bis er husten musste und uns bedeutete, dass er zu viel auf einmal gesagt hatte. Das war es dann wohl mit hilfreichen Erklärungen.

The Odd one's outWo Geschichten leben. Entdecke jetzt