Zero - Wir brettern voll in ein Baumhaus

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Schattenreisen war noch unangenehmer als ich es in Erinnerung hatte. Als wir mit den Granatäpfeln der Persephone gereist waren, hatten wir wenigstens ein bisschen Halt gehabt, hier jedoch wurde ich einfach nur nach vorne gerissen, konnte mich gerade noch rechtzeitig an Eileens Handgelenk festhalten, als wir den ersten Schritt machten.

Alles war rasend schnell. Ich fühlte mich, als würde mir jemand die Gesichtshaut abziehen. Tränen bildeten sich in meinen Augenwinkeln, reichlich verspätet kniff ich sie zusammen. Nur stolpernd kamen wir voran. Immer wieder stieß ich gegen etwas, das Eileen sein musste. Allerdings konnte ich sie kaum richtig erhaschen, als bestünde sie ebenfalls aus der Substanz der Dunkelheit

Einen kurzen Moment lang fühlte ich mich in den Tunnel zurückversetzt, durch den wir in ihre Alptraumwelt gefallen waren. Nur die Tatsache, dass meine andere Hand fest von Trish umklammert wurde, hielt mich davon ab, darüber nachzudenken, ob wir uns das vielleicht alles nur eingebildet hatten und in Wahrheit noch immer durch die Schwärze fielen, die uns in der Wüste erwartet hatte.

Lüge.

Ich schüttelte mich unwillkürlich, als die Stimme in meinem Kopf erklang, wollte mich ablenken. Vielleicht wurde das unangenehme Gefühl der Übelkeit, die in mir aufstieg, angenehmer, wenn ich mich einzig und allein auf die in meinem Kopf durcheinanderrasenden Gedanken konzentrierte.

Doch in genau diesem Moment wurde die Luft angenehmer und von einem brausenden Sturm zu einem kühlen, aber angenehmen Windhauch. Schlagartig riss ich die Augen wieder auf, als ich spürte, wie der Boden unter unseren Füßen sich aufgelöst hatte. Es war noch dunkel, die Dämmerung war erst langsam angebrochen und zeichnete sich als blasser, rosafarbener Streifen am Horizont ab.

Binnen einer Sekunde rasten abertausende von Fakten durch meinen Kopf. Wir befanden uns in einem Wald in Nebraska, die Zeitzone hatte sich für uns im etwa zwei Stunden nach vorne verschoben. Deswegen war es hier auch schon ein wenig heller, doch aufgehen würde die Sonne erst gegen sieben. In der Nähe konnte ich einen Fluss rauschen hören. Wir waren aus dem Schatten eines gewaltigen Baumes gefallen du rasten nun mit einer tödlichen Geschwindigkeit auf den Boden zu.

Beziehungsweise nicht ganz auf den Boden. Besser gesagt, auf eine Art hölzerne Plattform, die ich trotz meiner schnellen Schlachtreflexe nicht genau identifizieren konnte, dafür war es einfach zu dunkel. Was ich dafür bemerkte war, dass sowohl Eileen als auch Cia und Nico schlaff durch die Luft fielen, ohne auch nur zu versuchen, sich abzufangen. Ich konnte spüren, dass sie bewusstlos waren, erstere von der Dunkelheit, die Wesen des Lichts wie Apollokinder auslaugte, letztere von der Anstrengung.

Ein Knacken erklang, eine kalte Windböe traf mich von unten und verlangsamte meinen Sturz. Weniger Meter unter mir hörte ich Blaze angestrengt keuchen und verstand schnell, was er da versuchte. Er hoffte, unseren Fall durch Luft abbremsen zu können. Nur dummerweise war er dieser Fähigkeit kaum bis gar nicht mächtig. Trish über mir wiederum spannte sich plötzlich an. Ihr Griff um meine Hand verstärkte sich und ich konnte spüren, wie sie ihre Magie durch mich hindurchfließen ließ. Sie baute einen Schutzschild auf, der sie all ihre noch verbliebenen Kräfte kosten würde.

„Macht euch so klein wie möglich!", hörte ich Kaz rufen, aber falls er noch etwas hinzugefügt hatte, hatte der Wind es seinen Lippen entrissen. Die Warnung kam jedoch so oder zu spät, denn genau in diesem Augenblick donnerten wir mit einem Krachen durch die Holzplattform.

Ich hatte geistesgegenwärtig die Augen geschlossen und musste unwillkürlich an die Scherben denken, die Klytios mit in die Haut gesteckt hatte. Ohne Trishs Schutzschild, hätten die Splitter vermutlich jetzt das Gleiche getan. So aber kamen mir donnernd auf hartem Untergrund auf, der, wie ich einige Sekunden zu spät realisierte, nicht zum Wald gehörte, sondern sich anfühlte wie aus zurechtgehauenen und geschliffenen Brettern.

The Odd one's outWo Geschichten leben. Entdecke jetzt