Geständniss

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„Du rennst jetzt gefälligst nicht vor deinem Problem weg und das bin ich! Komm wieder in den Bus!", schnauzte er mich an. „ Mein Problem? Du weist also was mein Problem ist? Du weist gar nichts!", bellte ich mit brüchiger Stimme zurück. Wasserfälle flossen meine Wangen herunter. Mein Pulli triefte schon leicht und die Haare klebten mir im Gesicht. „ Lass mich einfach in Ruhe! Bitte.", flehte ich ihn an. Meine Augen waren von dem ganzen Weinen schon leicht geschwollen und rot. „Deine Probleme interessieren mich nicht. Mich interessiert nur meine Rache.", damit packte er meinen Arm und zog mich zurück. „Nein. Lass mich!", brüllte ich und zerrte an seinem Griff. Es half nicht.

So langsam wurde ich richtig angepisst. Wutentbrannt trat ich ihm in seine Diamanten. Stöhnend lies er mich los und krümmte sich. „Was bist du nur für eine elende, heulende Memme? Nicht mal für deine eigenen Fehler kannst du gerade stehen.", keuchte er, während er sich langsam wieder aufrichtete und mich mit seinem fiesen grinsen anstarrte. „Ab zurück in den Bus Schätzchen. Ich will, dass jeder sieht was für eine kleine Hure du doch bist." Meine Sicht verschwamm komplett. Seine beschissenen Beleidigungen brannte sich in mein Hirn und provozierten mich immer stärker.

Nein! Ich würde diese Erniedrigung nicht einfach hinnehmen. Ohne richtig darüber nachzudenken was ich gerade tat, stellte ich mich auf die Zehen spitzen und brachte meine Lippen neben sein Ohr. „Du denkst ich bin wegen dir so? Du denkst ich wechsle wegen dir zwischen Panik, Angst und Wut? Du denkst ich renne vor dir Weg? Nein. Ich würde niemals wegen einem einfältigen, hinterhältigen Arsch so reagieren! Heute Morgen...",meine Stimme wollte versagen, doch ich zwang mich weiter zu sprechen: „Heute morgen habe ich gesehen wie jemand ermordet wurde. Der Mann hatte keine Ohren mehr und nur noch ein Auge. Die Kugel ist auf der einen Seite vom Kopf rein und auf der Anderen wieder raus. Die Glieder haben noch kurz gezuckt und sind dann erschlafft. Es hat gestunken. Nach Tod und Folter. Danach haben sie eine kleine Familie gejagt. Die Mutter getötet um sie später zu essen. Also erzähl mir nichts von meinen scheiss Problemen, die du nicht im geringsten verstehst du elender...", ich brach ab.

Alle Last die sich über den Tag angesammelt hatte, drohte zusammen zu brechen und das spürte ich. Die Erzählung lies mir die Bilder nochmal durch meine Gedanken rasen. Ich heulte mir die Seele aus dem Leib. Mein ganzer Körper zitterte. Warum hatte ausgerechnet ich das gesehen?

„Hey Bro was ist den bei euch los?", fragte auf einmal ein braunhaariger Junge, der sich leider zu uns gesellte hatte. Ich glaube er hieß Vincent. Die anderen Freunde von Bene stiegen auch aus dem Bus. „Ich bin weg!", flüsterte ich. „Was?" „Ich bin weg", wiederholte ich etwas lauter und steuerte auf die Bäume zu. Ich wollte nicht, dass mich jeder so sah und hatte erst Recht keine Lust auf Fragen. Warum war ich nicht einfach sofort gegangen und hatte die Klappe gehalten? „Ävelin das ist keine gute Idee. Wir sind zwar alles anderen als beste Freunde, aber komm bitte mit zurück in den Bus. Du siehst nicht gerade gut aus." Vincent hatte sich mir in den Weg gestellt und musterte mich von oben bis unten. „ Und wenn schon was interessiert dich das den? Früher hast du dich auch nen Dreck für mich geschert also bleib dabei. Und jetzt geh mir aus dem Weg!", giftete ich ihn an. „Bei allem Respekt aber ein trockener Ort wäre jetzt besser für dich, du zitterst. Willst du wirklich noch krank werden?", entgegnete er. „Komm wir gehen zurück!"

Er warf Bene einen warnenden Blick zu sich jetzt bloß nicht einzumischen und zog mich sanft am Oberarm. Sofort klatsche ich ihm mit der flachen Hand auf die Wange: „ Hast du vorhin nicht zugehört? Ich sagte 'Fass mich NICHT an' und das gilt auch für dich!" „ Ävelin es tut mir leid aber...!"

Die anderen Jungs hatten uns mittlerweile fast erreicht und ich wurde immer unruhiger: „Verpisst euch alle!", brüllte ich sie an. Schnell drückte ich mich an Vincent vorbei und sprintete in den Wald. Einpaar von der Gang wollte mir hinterher rennen, wurden aber zurückgerufen: „ Lasst sie! Die rennt als würde ihr Leben davon abhängen, die holen wir nicht mehr ein. Was hat sie dir eigentlich erzählt?" Diese Frage war wohl an Bene gerichtet. Mehr verstand ich nicht den ich war schon außer Hörweite.

Ich rannte, fiel, stand auf, rannte weiter. Ich flüchtete vor allem und jedem in die willkommen Stille des Waldes. Jeder Schatten sah für mich aus wie ein schwarzer Mann. Ich wusste nicht wie lange ich schon lief und hatte jede Orientierung für Ort und Zeit verloren.

Alle Erinnerungen brachen plötzlich über mir zusammen. Ich konnte nicht mehr. Der Mord, das Gespräch der Männer über die Polizei, der Lehrer, die Jungs. Das war einfach zu viel für mich. Alles um mich begann sich zu drehen. Irgendwo mitten im Nirgendwo brach ich schließlich erschöpft zusammen.

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