Gegen den Körper verloren

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Erleichtert schloss ich die Tür hinter mir und sperrte sie ab. Eigentlich machte ich das nie, fürs erste würde ich aber davon abweichen. Wohl eher für immer.

„Sag mal spinnst du komplett! Wo bist du gewesen?", tönte da die etwas wütende Stimme meiner Mama die Treppe runter. Neeeein. Ich wollte einfach nur meine Ruhe. Kurz darauf folgte auch sie, mit einem sehr verzerrten Gesicht und hielt mir ihr Handy vor die Nase. „Wir haben Viertel nach 6! Du solltest schon vor mindestens 3 Stunden zu Hause sein!" Sie tippte zu den Kontakten: „Hier! Ich habe dich sicher schon 10 Mal angerufen, von den Nachrichten ganz zu schweigen. Bei Papa habe ich mich auch gemeldet. Weist du eigentlich wie viel Angst wir um dich hatten? Wir haben jeden angerufen. Benedikt meinte du hättest ihn geschlagen und wärst daraufhin in den Wald gerannt. Stimmt das mit dem Schlagen? Im Wald warst du auf jeden Fall, wie ich sehe"

„ Ja tut mir leid ich war ein bisschen aufgewühlt nach heute morgen.", niedergeschlagen sah ich auf den Boden. „ Ach ja? Heute morgen war da nicht auch noch etwas?", Mama schaute mich sehr erwartend an. „ Ja tut mir leid. Ich habe einen halbtoten Hasen im Wald gefunden und habe versucht ihn tu retten. Er ist gestorben. Entschuldigung, dass ich nichts gesagt habe es ist mir einfach peinlich. Aber ich konnte ihn nicht einfach liegen lassen und ignorieren und...", ab da unterbrach sie mich. "Du warst eine ganze Stunde zu spät und nur wegen einem Hasen. Es tut mir leid, wenn ich jetzt ein bisschen zu weit gehe, aber wie lange braucht so ein Tier bitte zum sterben?" „ Ich hatte noch einen Platten und musste laufen, was kann ich den...", der Satz blieb mir im Hals stecken.

So langsam wurde ich wütend auf meine Mama und auf so ziemlich jeden anderen Menschen auf der Welt. Sie hatten alle überhaupt keine blassen Schimmer Ahnung davon, was ich heute durchgemacht hatte. „Lass mich einfach in Ruhe okay!", meine Stimme wurde mit jedem Wort lauter: „Ich hatte, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, heute einen scheiß Tag und jeder, wirklich jeder beschissen Mensch muss noch dazu auf mir rumhacken. Ich will verdammt nochmal einfach meine Ruhe Ich bin fertig."

Knurrend packte ich meine Sachen und rauschte an Mama die Treppe hoch in mein Zimmer. Nicht ohne ihr einige Tränen da zu lassen. Meinen Rucksack warf ich achtlos in eine Ecke und die Türe knallte ich hinter mir zu. Ich schmiss mich aufs Bett, aber nicht ohne den Raum vorher noch zu verriegeln. Meine ganz Wut lies ich an meinem Kissen raus. Ich schlug und kratzte darauf ein. Doch diese komische Mischung von allen negativen Gefühlen blieb. Bis ich irgendwann keine Kraft mehr hatte und meine Verzweiflung rein schrie.

Das ich keine Hilfe hohlen konnte brachte mich um den Verstand. Ich wusste nur eins. Ich würde niemals, auf gar keinen Fall nochmal jemandem von heute erzählen. Zu groß waren meine Sorgen, dass die Männer sich auch sie hohlen würden. Die Angst nicht zu wissen wann sie bei mir wären, ebenfalls. Ich hatte eigentlich gedacht, ich würde mich besser fühlen, wenn ich zu Hause war. Tat es aber nicht. Für mich fühlte es sich so an, wie wenn die ganze Welt kritisch auf mich herabblickte.

Schluchzend rollte ich mich letztendlich zu einer Kugel zusammen und verkroch mich in der Wandecke meines Bettes. So, dass ich das Fenster im Blick hatte. Draußen hatte es mittlerweile wieder angefangen zu regnen. Wind und Wasser peitschten gegen das Glas und übertönten alle anderen Geräusche. Normalerweise beruhigte es mich immer, heute konnte ich aber keine Ruhe finden.

Bei jedem Donnerschlag zuckte ich zusammen. Es hörte sich an wie ein Schuss. Jedes Mal blitzte mir sein Gesicht durch den Kopf und wie das Licht in seinen Augen erlosch. Das Wetter passte perfekt zu meinen instabilen emotionalen Lage. Zu meiner körperlichen nicht. Dort stürmte es, bei mir lag alles lahm. Ich hatte mich wegen meines Waldtrips erkältet und das meine Sachen immer noch feucht waren, half auch nicht weiter. Mir war kalt, doch ich ignorierte es. Genauso wie die Stimmen meiner Eltern vor der Tür. Das ganze Gefühlschaos in mir zerrte unheimlich an meinen Kräften. Trotzdem lag ich noch ewig wach. Ich konnte, nein ich durfte nicht schlafen. Ich hätte keine Ahnung davon, was in der Welt um mich herum los wäre und würde auch nicht dementsprechend handeln können. Sie würden diesen Zeitpunkt sofort ausnutzten. Das wäre mein Ende. Ich klammerte mich an den Gedanken, nicht einzuschlafen und wiederholte ihn wieder und wieder und wieder in meinem Kopf. Gegen die Müdigkeit hatte ich trotzdem keine Chance und so fiel ich, ohne es richtig zu realisieren, in einen sehr unruhigen Schlaf.

Schreiend beendete ich diesen um kurz vor Mitternacht. Das erste was ich sah, war die Silhouette eines Mannes, welche an der Tür meines Zimmers stand.

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