Kapitel 4

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Bevor es weitergeht, möchte ich mich erst einmal für 100 Reads bedanken, und wenn man bedenkt, dass ich mich erst vor kurzer Zeit angemeldet habe, ist das echt viel. Danke!

Als ich fertig gebadet habe, öffne ich den großen Kleiderschrank und merke, wie meine Kinnlade nach unten fällt. Noch nie habe ich dermaßen viele schöne Kleider auf einen Haufen gesehen, und bei dem Gedanken, so etwas wertvolles zu tragen, wird mir unwohl. Also nehme ich das schlichteste Kleid das ich finden kann. Es ist recht lang und in dunklen Grüntönen gehalten. Am Ausschnitt ranken sich mattgoldene Verzierungen, und ich frage mich, ob es wirklich sein kann, dass dies das schlichteste Kleid von allen ist. Ich habe es gerade angezogen, da klopft es an der Tür. Vorsichtig öffne ich und sehe ein hübsches Elbenmädchen. Sie macht einen Knicks und sagt "Ich bin Naera, und ich wurde von Herrn Elrond gesandt um euch zur Seite zu stehen und euch Bruchtal zu zeigen. Wie ich sehe, habt ihr schon ein Kleid herausgesucht." Ich schaue sie verblüfft an. Nervt es sie nicht, so abhängig von anderen zu sein? "Gut, Naera, komm herein." Das ist das einzige was mir einfällt, was sollte ich denn sonst sagen? Als könnte sie meine Gedanken lesen macht sie ein paar Vorschläge. "Nun Herrin, wollt ihr etwas zu euch nehmen? Soll ich eure Haare richten? Am Nachmittag habt ihr eine Audienz bei Herrn Elrond." Ich schlucke. Jetzt wird er mich verweisen, ganz sicher. "Wie lange ist es noch bis dahin? Habe ich noch Zeit um mich umzusehen? Ich habe von der atemberaubenden Schlnheit der Wasserfälle hier gehört." Sie schaut mich etwas traurig an und sagt: "Nein, leider nicht. Wir haben nur noch wenig Zeit, und diese werde ich benötigen, um euer Haar zu machen." Ich nicke nur.

Als Naera fertig ist, werfe ich einen Blick in den silberverzierten Spiegel an der Wand. Es verschlägt mir den Atem. Sie hat ganze Arbeit geleistet; meine Haare sind nach oben gesteckt und mit goldenen Details versehen, die gut zu meinem Kleid passen. "Danke" hauche ich. Auf einmal fällt mir das Treffen mit Herrn Elrond ein. Ich hasse es, jemanden meinen Herren nennen zu müssen, da ich nun einmal die Freiheit genieße und nicht missen möchte. "Wie lange ist es noch bis zu meiner Audienz, Naera?" Sie blickt aus dem Fenster zur Sonne und antwortet mir: "Ihr müsst nun gehen, ich werde euch bis zum Treffpunkt begleiten." Ich folge Naera und bin von der Schönheit Bruchtals überwältigt. Es ist so offen, dass ich mich hier sogar wohlfühlen würde, nicht so geschlossen wie normale Häuser. Bei dem Gedanken muss ich lachen. Natürlich ist es nicht wie in einem Haus, schließlich bin ich bei Elben. Vor einer von vielen Plattformen machen wir Halt. "Hier sind wir, Herrin. Viel Glück." Viel Glück? Wozu denn Glück? Ich werde etwas panisch, reiße mich aber zusammen und trete auf die Plattform. Der Halbelb steht mit dem Rücken zu mir, und doch hat er meine Ankunft bemerkt. "Mae govannen, Neriwyn, sell en taur. Mein Elbisch ist nicht besonders gut, aber er hat mich Willkommen geheißen und mich Tochter des Waldes genannt. Mir gefällt dieser Name. Auf einmal fällt mir auf, dass ich immer noch nicht geantwortet habe. "Mae govannen, hîr Elrond" sage ich, sehr viel mehr geben meine Elbischkenntnisse nicht her. "Wie ich gehört habe, seid ihr in Begleitung eures kranken Bruders aus den Wäldern gekommen. Was habt ihr dort getan?" Ok, denke ich, lügen ist sinnlos, das würde er durchschauen. Bleibt nur noch die Wahrheit. "Wir leben dort." Etwas misstrauisch schaut er mich an. Seine Augen scheinen mich zu durchbohren. "Woher bekommt ihr Nahrung? Ich denke nicht, dass sie euch einfach zugeflogen kommt." Worauf er hinaus will ist klar. Aber auch jetzt würde eine Lüge mich nur in weitere Probleme bringen. Also beantworte ich nicht nur diese Frage, sondern erzähle ihm meine Geschichte, wohl darauf bedacht, standhaft zu bleiben. Obwohl er mir nicht gesagt hat, dass ich ihm alles erzählen soll, hört er bis zum Ende schweigend zu. Dann herrscht einen Moment Stille. Er mustert mich wieder, denkt nach. Dann geht er ein paar Schritte auf und ab. "Eurer Aussage nach habt ihr drei Spinnen im Alleingang getötet. Wie habt ihr dies geschafft?" Verblüfft ob dieser Frage schaue ich ihn an. Er scheint es zu bemerken, und da fällt mir etwas ein. "Mit meinen Dolchen und Wurfwaffen. Der Prinz sagte, dass diese Waffen aus euren Schmieden stammen." Ich ziehe zwei meiner Wurfäxte -törichterweise die einzigen die ich mit mir trage- aus meinen weiten Ärmeln und reiche sie ihm. Er starrt sie lange an und sagt dann, mehr zu sich selbst als zu mir: "Angalothwaffen... Aber wie...?" Er dreht sich weg und schmeißt beide Äxte auf den Boden. Empört schreie ich auf, aber er dreht sich nur lächelnd zu mir um. "Du kannst mit ihnen umgehen, oder?" Was für eine dumme Frage, natürlich kann ich das! Aber ich zügle mich und sage nur: "Ja, Herr. Ich Kämpfe seit meiner Kindheit mit ihnen. Weshalb fragt ihr?" Schon wieder mustert er mich, und langsam macht es mich nervös. "Nun, du musst Talent für den Kampf besitzen, sonst könntest du sie nicht handhaben... Viele junge Elben versuchen sich an Klingen aus den Angalothschmieden. Viele von ihnen treffen ihr Ziel kein einziges Mal, manche verletzen sich sogar, weil sie zu eitel sind, um zu erkennen, dass sie für diese Waffen nicht geschaffen sind, da ihnen das nötige Kampfgeschick fehlt. Ich hatte für dich eine Kerkerstrafe aufgrund von Wilderei in unseren Wäldern vorgesehen", mein Magen zog sich zusammen, "aber da du eine rechte Kämpferin zu sein scheinst, auch im Geiste" er zwinkert mir zu, "wirst du in die Wache eintreten." Ich schlucke. Als Mitglied der Wache hätte ich ein Dach über dem Kopf und ein rundum angenehmes Leben. Aber ich wäre abhängig. Abhängigkeit ist mein schlimmster Feind, denn ohne Freiheit bin ich nicht ich. "Aber Herr, ich bin eine freie Elbin und möchte nicht dem Befehl von jemandem unterstehen." Meine Stimme zittert als ich es sage, denn es ist harte Kritik an den Befehlen des Herrn über Bruchtal. Aber anstatt zornig zu werden, lächelt er. "Damit hatte ich gerechnet. Deswegen unterstelle ich die Wache des Waldes deinem Befehl und unterstehst nur mir, womit du hoffentlich leben kannst. Mögest du sie weise führen." Mir entfährt ein verblüffter Seufzer. Damit hatte ich nicht gerechnet. War dies nicht zuviel der Ehre für sie, eine einfache Waldelbin, die den größten Teil ihres Lebens ohne andere Elben verbracht hatte?

Neriwyn - Mädchen des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt