4 - Samstag, 09:27 Uhr

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Alise Corvy
Samstag, 09:27 Uhr

Ein nervtötendes Schrillen riss mich unsanft aus einem ohnehin unruhigen Schlaf. Ich tastete nach meinem Wecker auf dem Nachttisch und schaltete ihn aus, um mich wieder umzudrehen und weiterzuschlafen. Doch der schrille Ton hörte nicht auf.

Stöhnend kniff ich die Augen zusammen, nur um dann eines vorsichtig zu öffnen. Es war bereits ziemlich hell in meinem Wohnheimzimmer und um ein weiteres Mal bereute ich es, keine ordentlichen Vorhänge besorgt zu haben. Es war schließlich nur eine vorübergehende Lösung, sagte ich mir stets.

Ich griff nach meinem Handy und nahm den Anruf entgegen, von dem das anstrengende Geräusch stammte. „Ja?", fragte ich mit kräftiger Stimme, während ich mir die Augen rieb. Je wacher ich wurde, desto stärker spürte ich das Pochen in meinem Kopf und das starke Verlangen, mich zu übergeben.

„Ali? Guten Morgen", hörte ich Josie sagen, „Sag mir bitte, dass du schon aufgestanden bist."

Tatsächlich war ich in diesem Moment aufgesprungen und zum Bad gestürzt, um mich geräuschvoll in die Toilette zu übergeben. Gleichzeitig hielt ich mir meinen schmerzenden Kopf. Sterne tanzten vor meinen Augen. Das abrupte Aufstehen hatte mein Körper nicht gerade dankend angenommen.

„Oh", hörte ich Josie trocken sagen, „Das klingt ja nach einem wunderschönen Morgen."

„Ich trinke nie wieder Alkohol", stöhnte ich und lehnte mich erschöpft gegen die Wand. Ein paar verschwommene Erinnerungen an die vergangene Nacht kamen in mir hoch und ich stöhnte erneut. Ich hatte mich bis aufs Mark blamiert.

Josie kicherte. „Das glaube ich dir sogar", meinte sie, „Aber das solltest du deine Mutter vielleicht nicht wissen lassen. Also deine nächtlichen Eskapaden."

Ich unterdrückte ein erneutes Stöhnen. Meine Mutter, natürlich. Irene Akimoto war mit vierundzwanzig Jahren aus Japan nach London gekommen und hatte sich dort sofort in Paul Corvy, einen erfolgreichen und leider herzbrecherischen Unternehmer, verliebt. Nur 13 Monate später war ich zur Welt gekommen. Mein Vater und meine Mutter hatten sich bereits während der Schwangerschaft getrennt, doch weiterhin Kontakt gehalten und das taten sie auch heute noch. Manchmal kam es mir seltsam vor, wie gut sich meine Eltern noch immer verstanden. Mein Vater war stets der erste, der die neuen Lebensgefährten meiner Mutter kennenlernte - manchmal sogar noch vor mir. Und meine Mutter erfuhr sofort, wenn mein Vater Mal wieder ein großes Projekt an Land gezogen hatte. Manchmal dachte ich, dass es auch daran lag, wie gut sich meine Mutter mit ihren Schwiegereltern verstand. Die Eltern meiner Mutter hingegen, die noch immer in Japan lebten, hielten überhaupt nichts von dem unkonventionellen und lockeren Paul Corvy.

Meine Mutter hatte es nicht leicht mit mir gehabt. Nicht, weil ich ein besonders anspruchsvolles Kind gewesen war, sondern weil sie als Fremde in einer neuen Kultur und ohne wirklich gut Englisch sprechen zu können, ein Baby hatte aufziehen müssen. Sie hatte zu der Zeit noch keinen Job, keine Wohnung und keinen sozialen Halt gehabt und hatte alles dafür gegeben, dass wir ein einigermaßen angenehmes Leben haben konnten. Ich verdankte ihr alles.

Da sie allerdings erkannt hatte, dass ihre jugendliche Naivität ihr einige Möglichkeiten im Leben verwehrt hatte, legte sie einen großen Wert darauf, dass ich es anders machte. Schulische Bildung, ein anständiges soziales Umfeld und ein gesunder Lebensstil waren ihr besonders wichtig. Ständige Partys und Jungsgeschichten waren daher tabu. Manchmal lag mir in einer solchen Diskussion eine bissige Bemerkung über ihre ständig wechselnden Partner auf den Lippen. Doch diese sprach ich meistens nicht aus.

„Sie wird es mir ansehen", murmelte ich seufzend, „Innerhalb einer halben Stunde schaffe ich es niemals halbwegs ansehnlich auszusehen."

„So schlimm?", fragte Josie lachend. Ihr Mitgefühl hielt sich in Grenzen. „Vielleicht steht ihr neuer Typ ja auch auf Partys. Dann hast du wenigstens einen Verbündeten."

Who Killed Kota?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt