6 - Samstag, 12:05 Uhr

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Aaron Vercher
Samstag, 12:05 Uhr

„Gute Arbeit." Nathaniel nickte mir annerkennend zu, nachdem er die Summe in der Dose gezählt hatte. „Was wohl ein erfolgreicher Abend, was?"

Ich hatte die Arme vor der Brust verschränkt und eine finstere Miene aufgesetzt. Bilder des vergangenen Abends blitzten in meiner Erinnerung auf. Erfolgreich war wohl nicht ganz das Wort, was die meisten verwendet hätten, um ihn zu beschreiben. „Das war mein letzter Job, Nate. Mir reicht's."

Ein amüsiertes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er von dem Geld vor sich aufsah. „Was du nicht sagst." Ihm war anzusehen, dass er meine Worte nicht ernst nahm. Nathaniel Clay, von seinen Unterhändlern nur Nate genannt, hatte mir seit geraumer Zeit einige Aufträge gegeben, sämtliche Drogen auf Collegepartys zu verticken. Für mich war es nur ein Gelegenheitsjob, den ich erledigte, um an Geld zu kommen, doch Nate schien anders darüber zu denken.

„Ich meine es ernst", sagte ich mit Nachdruck, „Das war's."

Nate lachte erneut und wechselte das Thema. Er wies auf die abgenutzte Couch, welche in einer Ecke unseres schäbigen Wohnzimmers stand. Es verärgerte mich, dass er sich aufspielte, als befänden wir uns in seinem Haus nicht in meinem. Dennoch setzte ich mich.

„Moira hat mir erzählt, du hättest eine Freundin", sagte er mit einem anzüglichen Grinsen, „Wie ist sie so, die Kleine?"

Ich schnaubte verächtlich. Natürlich hatte meine Schwester geredet. Sie konnte nichts für sich behalten. Moira, meine drei Jahre ältere Schwester, war seit einigen Monaten mit Nate zusammen. Der Geburtstag unserer Großtante war das erste Mal gewesen, dass ich ihn getroffen hatte und bereits kurz darauf hatte ich den ersten Auftrag für ihn übernommen. Meine große Schwester hatte es zu Beginn nicht gut geheißen, dass ihr neuer Freund mich für seine illegalen Machenschaften benutzte, doch schließlich hatte sie es aufgegeben, mit mir darüber zu sprechen.

Moira war schon immer das Lieblingskind unserer Eltern gewesen. Sie war die erfolgreiche Musterschülerin, die es geschafft hatte, unseren ärmlichen Verhältnissen zu entkommen. Es war die Ironie des Schicksals, dass sie gerade an so jemanden wie Nate geraten war, während sie leicht einen Akademiker hätte haben können. Nachdem sie die Ausbildung zu einer Krankenschwester gemacht hatte, hatte sie nun ein Medizinstudium begonnen und wohnte in einer kleinen Zweizimmerwohnung im besseren Teil der Stadt. Sie fuhr einen Kleinwagen, kleidete sich wie die Reichen an meinem College und kam nur selten zuhause zu Besuch. Sie hatte es geschafft, aus dem Sumpf zu entkommen.

So war ich allein mit unserem alkoholabhängigen Vater zurückgeblieben. Das Haus, in dem ich aufgewachsen war, war diese Art von Haus, von welchem andere Menschen glaubten, es sei unbewohnbar und verfallen. In den Ecken schimmelte es, die Möbel waren allesamt abgenutzt und der Vorgarten ähnelte einem verwucherten Urwald. Ich verbrachte so wenig Zeit wie möglich zuhause. Moira fragte mich ständig, warum ich nicht endlich auszog und bat mir finanzielle Unterstützung an, doch obwohl unser Vater nie eine liebende Vaterfigur gewesen war, brachte ich es nicht übers Herz ihn allein zu lassen. Mindestens einmal am Tag sah ich nach ihm, kochte ihm etwas zu essen und unterhielt mich über belanglose Themen mit ihm, wenn er nicht gerade im vollen Alkoholrausch war. In diesem Moment schlief er gerade, obwohl es mitten am Tag war.

Nate beäugte mich neugierig, als ich nicht sofort antwortete. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und blickte ihn an. „Moira redet Blödsinn", erwiderte ich und bereute es innerlich, dass ich meiner Schwester überhaupt noch etwas von meinem Leben erzählte. Mit diesem knappen Kommentar beendete ich das banale Gespräch, bevor es überhaupt angefangen hatte. Ich erhob mich. „Gib mir meinen Teil und dann bin ich weg. Du musst dir einen neuen Laufburschen suchen."

Who Killed Kota?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt