Entkommen

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„Bereit, Kono?" Chin warf seiner Cousine einen prüfenden Blick zu. In der hawaiianischen Dunkelheit konnte er sie jedoch nur schemenhaft erkennen.

„Bereit, Cuz. Fahren wir los."

Sie hatte es nicht in Frage gestellt, als er sie und die zwei Quads in Richtung Dschungel transportierte. Sie hatte es nicht in Frage gestellt, als sie nun vor eben diesem finsteren Dschungel standen, der allein durch das Licht der extra Scheinwerfer auf ihren Fahrzeugen etwas erhellt wurden.

„Sei vorsichtig, Kono. Ein Verletzter im Team reicht schon."

„Immer doch, Cuz. Außerdem weißt du: Ich bin die bessere Fahrerin!" Chin konnte das leichte Lachen in ihrer Stimme hören.

„Das glaubst du, das glaubt du. Na dann... fahren wir."

Chin hatte schon bessere Ideen gehabt. Das war ihm bewusst. Normalerweise hatte er keinen Hang zu derartigem Risiko. Vielleicht hatte Steve schon etwas zu sehr auf sie alle abgefärbt, doch andererseits würde er alles für seine Ohana tun. Selbst wenn das bedeutete, eine nächtliche Spritztour mit einem Quad durch den Dschungel zu unternehmen. Bis zum Morgengrauen dauerte es für seinen Geschmack noch zu lange und er hatte Steves Stimme gehört. Normalerweise hatte Danny einen Ton, einen ganz bestimmten Ton. Dass nun Steve so klang, hatte Chin eine Gänsehaut verpasst.

Kono hing ihren ganz eigenen Gedanken nach. Sie war besorgt. Mehr als nur besorgt. Der Haole war ihr ans Herz gewachsen und sie wollte sich selbst überzeugen, dass er noch lebte und dass es ihm gut ging. Es drängte sie, schneller zu fahren, aber Chin hatte recht: Ein Verletzter im Team reichte schon. Also blieb sie brav hinter ihrem Cousin und sie kämpften sich langsam durch den Dschungel Hawaiis.

~ H50 ~ H50 ~ H50 ~

Ein Blick auf die Uhr verriet Steve, dass er die Nacht noch lange nicht überstanden hatte. Dannys Gewicht auf seiner Brust war schwer. Doch schlimmer war es, dass sein Partner zwischen Ohnmacht und einer Art von Wachsein schwankte. Mittlerweile hatte er es geschafft, dass sein Partner die Hälfte der Flasche geleert hatte. Mit viel Bitten und zum Teil auch Befehlen. Aber es war auslaugend. Steve hatte schon viele verletzte Kameraden im Arm gehalten, aber selten hatte es ihn emotional so mitgenommen wie hier in diesem Dschungel.

„Danno, du nennst mich einen Magneten für so Sachen? Das kriegst du ganz allein hin."

Wenig überraschend bekam Steve keine Antwort und so harrte er weiter der Dinge. Zumindest so lange, bis ein Geräusch aus dem Dschungel kam, das nicht in die übliche Geräuschkulisse passte. Das waren... Motoren? Instinktiv spannte Steve sich an und griff nach seiner Waffe, möglichst bemüht, dass Danny nicht zu sehr bewegt wurde. Er konnte jedoch nicht ein schmerzerfülltes Stöhnen seines Freundes verhindern.

„Ssscht, ruhig, Danno. Alles gut." Eine Hand an der Waffe, die andere Hand beruhigend auf der schweißnassen Stirn seines Freundes, wartete Steve ab, den Blick auf die Dunkelheit des vor ihm liegenden Dschungels gerichtet.

~ H50 ~ H50 ~ H50 ~

Langsam bremste Chin sein Quad ab, um noch einmal seinen Standort zu überprüfen. Er hörte, wie auch Kono den Motor abstellte.

„Sind wir auf dem richtigen Weg, Cuz?"

„Kono?" Steves ungläubige Stimme kam aus einem Gebüsch rechts von ihnen und wie auf Kommando stürmten die Cousins mit ihren portablen Schweinwerfern in besagte Richtung.

„Steve!" Zwei Stimmen riefen den Namen gleichzeitig aus, als das Licht auf ihren Chef fiel.

„Danny..." Kono fiel neben ihrem Freund auf die Knie und stoppte ihre Hände knapp über seinem Kopf. Sie wollte ihn berühren, spüren, dass er noch lebte, aber sie wollte ihm keine Schmerzen zufügen.

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