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„Da bist du ja endlich!" Die verwirrten Blicke, die mir Sam, Laurent und Robert zuwerfen, sprechen Bände. „Wo warst du?", fragt Sam, während sie mich in den Trainingsraum schiebt. Drei der vier Paare sind bereits fertig.

„Ich brauchte kurz frische Luft", antworte ich halb wahrheitsgemäß, halb ausweichend. Laurent mustert mich argwöhnisch, ich ignoriere ihn einfach. Der Druck in meiner Brust nimmt wieder zu, als ich Fynn wahrnehme, der mit den anderen aus dem Triumvirat redet und mich mit gehässigen Augen taxiert. Als ich vortrete, lasse ich meinen Blick über die anderen Achtzehnjährigen wandern. Manche mustern mich amüsiert, manche beinahe mitleidig. Beides entflammt einen wütenden Funken in mir.

Das letzte Paar ist fertig, ein am Boden liegendes Mädchen muss von einer Krankenschwester abgeholt werden und erntet spöttische Blicke von Ericson. „Achte nicht auf ihn", flüstert Robert mir zu. Sam nickt. „Du packst das, Ava." Ich weiß genau, dass sie nur versuchen, mich aufzumuntern, trotzdem nicke ich. Entschlossen laufe ich zu dem Ring, den einer der Ausbilder Fynn und mir zugeteilt hat. Mein Herz springt mir fast aus der Brust, als ich in den Ring trete und mit zusammengekniffenen Lippen zu Fynn aussehe. Ich werde dir den Sieg nicht einfach machen.

Ericson will gerade das Startsignal geben, als die Tür zum Saal erneut aufgeht und die angespannte Stille vor dem Kampf durchbricht. Genervt dreht er sich um, um zu sehen, wer seinen liebsten Moment zerstört. Ich schlucke, als Phoenix den Raum betritt. Die Augen auf mich gerichtet entschuldigt er sich bei Ericson für die Störung, der wutschnaubend die Mühe aufbringen kann, scheinbar gleichgültig mit den Schultern zu zucken.

Trotzig halte ich seinem Blick stand, als der Sohn des Vizepräsidenten mich mit gerunzelter Stirn mustert. Vor meinem inneren Auge sehe ich das tote Mädchen.

„Ihr könnt anfangen", murmelt Ericson nur und setzt sich auf einen Stuhl beim Ring neben mir.

Tief atme ich durch, ehe ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Fynn richte, der höhnisch grinst. „Und, bereit, wieder auf dem Boden zu landen? Oder willst du dieses Mal tatsächlich kämpfen?"

Irritiert werfe ich dem Aufseher neben uns einen Blick zu. Es ist allgemein bekannt, dass wir während dem Kampf nicht reden dürfen. Wieso lässt er also zu, dass Fynn mich provoziert?

Ich versuche, nicht auf Fynns Worte zu achten, und mache stattdessen einen Schritt auf ihn zu. Er grinst breiter. „Wow, du machst Fortschritte."

Wir tänzeln herum, umzingeln uns. Ich konzentriere mich auf jede seiner Bewegungen, entschlossen, mich nicht von seinen Sticheleien ablenken zu lassen. Das ist sein Ziel, seine Taktik. Verächtlich blicke ich ihm entgegen. Er will mich nicht nur körperlich demütigen.

Mit rasendem Herzen weiche ich ihm aus, als er nach mir schlagen will. Gut gemacht, lobe ich mich. Ich weiche einem erneuten Schlag aus, bevor ich auf sein Gesicht ziele. Fynn lacht nur. „Du bist erbärmlich." Er spuckt mir das Wort vor die Füße.

Die Wut in mir lodert zu einem Feuer auf. Mit zusammengekniffenen Augen weiche ich ihm aus, doch er grinst und lenkt mich so für den Bruchteil einer Sekunde ab. Ehe ich weiß, was passiert, landet seine Faust in meinem Bauch. Nach Luft schnappend taumele ich zurück. Verdammt. Ich spüre Phoenix' und Ericsons Augen auf mir, spüre, wie sie mich beurteilen. Ich richte mich wieder auf, nehme wieder meine Haltung ein. Verzweifelt kämpfe ich dagegen an, der Wut in mir die Kontrolle zu überlassen. Erneut versuche ich, einen Treffer in Fynns Gesicht zu landen, doch er weicht wieder aus, nutzt meine eigene Kraft gegen mich. Er durchbricht meine mühsam aufrechterhaltene Barriere und landet einen weiteren Schlag in meinem Bauch, sodass sich mir der Magen umdreht. Angestrengt halte ich das Feuer in mir in Zaum, lasse es nicht zu, dass ich ausraste. Ich muss die Kontrolle behalten.

Fynn schlägt weiter auf mich ein, irgendjemand im Hintergrund schreit - vermutlich Sam. Ich sehe Sternchen, als mein Kopf mit voller Wucht auf den Boden prallt. Fynn über mir taxiert mich mit einem Grinsen. Kurz davor, mich vor allen Versammelten zu übergeben, taste ich nach meiner Stirn. Etwas Warmes läuft mir übers Gesicht, vermischt sich mit dem halb angetrockneten Blut meiner Vorgänger.

Langsam hebe ich meinen Blick. Fynn hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mich auf dem Boden festzuhalten. Ich spucke Blut, ehe ich meine letzte Kraft sammele und ihm an die Gurgel springe. Diesmal stößt Fynn mich lautstark lachend wieder auf den Boden. Mir wird schwarz vor Augen, doch ich kämpfe dagegen an, ohnmächtig zu werden. Lass es zu, Ava, höre ich plötzlich Phoenix' Stimme in meinem Kopf. Pochender Schmerz jagt durch meinen Arm, als ich mich fluchend aufstütze. Wehr dich nicht gegen deine Wut. Ich habe keine Gelegenheit, mich damit zu beschäftigen, warum Phoenix plötzlich in meinem Kopf ist, denn seine Stimme löst den letzten Widerstand, den ich gegen das Feuer aufbringen konnte. Es scheint sich mehrmals neu in mir zu entfachen, lodert in mir auf, bis mein ganzer Körper sich anfühlt, als würde er in Flammen stehen.

Als Fynn vor meine Füße spuckt, genieße ich die Wut beinahe, die mich nicht zu lähmen, sondern anzustacheln scheint. Mit einer Schnelligkeit, die mich stutzen lässt, springe ich auf, durchbreche seine Abwehrhaltung mit Leichtigkeit. Das Feuer in mir streckt sich nach ihm aus, bis es ihn in seinen Fängen hält. Blind vor Wut schlage ich auf Fynn ein, der nur überrascht keuchen kann, bis er auf dem Boden landet. Ich drücke ihn auf den Boden, registriere jeden Schweißtropfen, der seine Stirn herunterläuft, kann ihn beinahe hören. Er hat keine Chance, sich zu wehren, und ich kann nicht aufhören, ihn zu schlagen. Wie im Wahn koste ich den Moment aus, bis die Wut in mir plötzlich ausgeknipst wird. Wie von einem ungelegten Schalter gestoppt zieht sich das Feuer in mir zurück. Ich blinzele, starre Fynn an, nehme ihn und seine Verletzungen erst jetzt richtig wahr. Seine Wange ist aufgeschürft, aus seiner Nase läuft in Strömen Blut. Meine Hände sind rot und klebrig, ob von seinem oder meinem Blut, weiß ich nicht.

Entsetzt nehme ich wahr, wie Phoenix neben mir kniet und mir Worte zuflüstert, die ich nicht verstehe, aber die mich beruhigen. Ich stolpere von Fynn weg. Die Angst in seinen Augen lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.

Als ich mich aufrichte und Ericson meinen Sieg verkündet, ist es totenstill.

Intelligent - Phase 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt